Hamburg. Der Zweitliga-Spitzenreiter dreht gegen den klassenhöheren 1. FC Nürnberg die Verhältnisse um und zieht ins Viertelfinale ein.
Das Spektakel im Volkspark war bereits eine ganze Weile vorbei, als die Nordtribüne im Volksparkstadion noch einmal vibrierte: „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“, sangen die begeisterten HSV-Fans, als sich ihre Mannschaft zwecks gemeinsamer Pokalparty zu ihnen auf den Weg machte. Schließlich wurde Feierbiest Rick van Drongelen auserkoren, dem die Ultra-Vorsänger Henrik und Yannick das Mikro zum schunkeligen „Schalalalala“ überließen.
1:0 hatte der HSV kurz zuvor den 1. FC Nürnberg im Achtelfinale des DFB-Pokals geschlagen – und durfte sich neben dem Ergebnis vor allem über die Art und Weise freuen. Es war – so viel darf an dieser Stelle verraten werden – einer der verdientesten Siege dieser Spielzeit. „Wir haben heute eigentlich alles richtig gemacht, was man richtig machen kann“, sagte Gotoku Sakai, der noch vor drei Tagen beim 0:2 in Bielefeld der Pechvogel des Tages war. Nun war er einfach nur glücklich: „Natürlich ist Berlin jetzt das Ziel, das große Ziel.“
HSV kassiert gut 1,3 Millionen Euro Prämie
Auch Trainer Hannes Wolf hatte schon lange vor der ausgelassenen Siegerfeier mit den Fans sehr klargemacht, was er von diesem Wettbewerb namens DFB-Pokal hält. Eine „geile Veranstaltung“ sei das, so der HSV-Coach, „richtig kultig.“ Und mit dem Erreichen des Achtelfinales gegen Nürnberg wäre er ja bereits ziemlich happy gewesen, „aber das Viertelfinale wäre richtig cool.“
Aus „wäre“ wurde am Dienstagabend „wird“. Und neben ziemlich cool wird der Einzug ins Viertelfinale auch ziemlich lukrativ. So darf sich Finanzvorstand Frank Wettstein über nicht einkalkulierte Viertelfinaleinnahmen von 1,328 Millionen Euro (plus Zuschauereinnahmen) freuen. Ein schönes Sümmchen, das der DFB im Halbfinale sogar noch einmal auf 2,656 Millionen Euro verdoppeln würde.
Bilder von der Machtdemonstration gegen Nürnberg:
Treten die Hamburger in der Runde der letzten acht ähnlich stark auf wie am Dienstag, könnte schon bald aus „würde“ erneut ein „wird“ werden. Gegen Nürnberg ließ der HSV von Anfang an keine einzige Torchance zu, erspielte sich dagegen allein in der ersten Halbzeit immerhin fünf mehr oder weniger große Möglichkeiten (Santos/16., Holtby/19., Narey/20., Özcan/28., Jatta/39.)
7:0 Torschüsse zählten die Statistiker nach 45 Minuten. 47.628 Zuschauer sahen einen Klassenunterschied – mit vertauschten Rollen. Der Zweitligist aus dem Norden beherrschte den Erstligaclub aus dem Süden.
Mangala muss angeschlagen raus
„Wir haben über das ganze Spiel permanent Druck gemacht“, lobte auch Trainer Hannes Wolf, der traditionell eher sparsam mit Lob umgeht. Eine schlechte Nachricht mussten die HSV-Fans kurz nach dem Seitenwechsel aber doch verkraften. Orel Mangala musste nach einem Schlag auf die Innenseite des Oberschenkels („aber nicht so schlimm“) in der Kabine bleiben. Nach Aaron Hunt, Pierre-Michel Lasogga und Hee-chan Hwang (alle Muskelverletzungen) der vierte verletzte Leistungsträger, für den Vasilije Janjicic kam. Die gute Nachricht: Am erstklassigen Spiel des Zweitligisten änderte sich nichts.
Trotz drückender Überlegenheit ließen sich die Hamburger in zweiten Durchgang dann aber doch neun quälend lange Minuten Zeit, um sich zu belohnen. Und obwohl natürlich am Ende immer das nackte Ergebnis zählt, muss dieses Tor ganz von vorn erzählt werden. Denn die Steilvorlage des wieder einmal herausragenden Douglas Santos auf den wieder einmal davon sprintenden Bakery Jatta allein war das Eintrittsgeld wert. Weil aber im Anschluss sowohl Khaled Narey als auch Fiete Arp hängen blieben, fasste sich schließlich Neuzugang Berkay Özcan ein Herz. Aus 13 Metern zirkelte der starke Hunt-Ersatz den Ball ins linke Eck (54.).
Den Viertelfinalgegner erfährt der HSV am Sonntag
Eine Dreiviertelstunde später schlurfte der Deutschtürke als letzter Hamburger vom Platz, in den Händen die Trophäe des „Man of the Match“. „Die Trophäe gehört der Mannschaft. Es war unglaublich, wie sie heute gespielt hat“, sagte der Schütze des Tores des Tages bescheiden. „Als das Tor fiel, konnte ich gar nicht mehr denken. Das war einfach nur ein geiles Gefühl.“
Der einzige Kritikpunkt, den sich Özcan und Co. gefallen lassen mussten: Sie hätten die Partie sehr viel früher entscheiden können. Als Schiedsrichter Harm Osmers nach 93 Minuten abpfiff, lautete das Torschussverhältnis 20:1. Ein Fabelwert, der am späten Dienstag aber niemanden mehr interessierte. Ob man jetzt von Berlin träumen dürfte, wurde Lewis Holtby gefragt. „Im Pokal ist alles möglich“, antwortete der Dauerläufer – und konnte sich auch ein Dauergrinsen nicht verkneifen. „Berlin wäre ein sehr schönes Ziel. Solange wir noch drin sind, träumen wir davon.“
Auslosung ist am Sonntagabend.