Hamburg. Nürnbergs Torhüter gibt vor der Rückkehr nach Hamburg eine Anekdote über seinen immer noch guten Kumpel Julian Pollersbeck preis.
Die Entscheidung fiel am Montagmittag. Nach dem letzten medizinischen Test war klar: Es geht. Oder besser: Er sieht. Dem Wiedersehen steht also nichts mehr im Wege. Christian Mathenia hat nach seinem üblen Zusammenprall mit Bremens Theodor Gebre Selassie am Sonnabend keine Einschränkungen im Sichtfeld und auch ansonsten keine körperlichen Probleme mehr, die einen Einsatz verhindern. Nürnbergs Torhüter kann heute (18.30 Uhr/Sky und Abendblatt-Liveticker) im DFB-Pokal-Achtelfinale in seiner alten Heimat gegen den HSV spielen. „Für mich ist das natürlich ein besonderes Los“, sagte der 26-Jährige dem Abendblatt vor der Begegnung.
Zwei Jahre spielte Mathenia für den HSV, ehe er im vergangenen Sommer nach dem Abstieg in die Zweite Liga zum Aufsteiger nach Nürnberg wechselte. Der Grund seines Wechsels war vor allem ein Mann, auf den er heute als Gegner trifft: Julian Pollersbeck. Weil nach dem Abstieg schnell klar war, dass Pollersbeck auch in der Zweiten Liga beim HSV der Stammtorhüter sein werde, schloss sich Mathenia dem FCN an. Es war das Ende eines Zweikampfs, den es in dieser Form in Hamburg wohl noch nicht gegeben hatte.
Das Duell der Keeper wogte hin und her
Innerhalb von nur einer Saison wurde das Duell um die Nummer eins gleich viermal neu entschieden. „Es war auf jeden Fall ein sehr intensiver Zweikampf, bei dem jeder an seine Grenzen gegangen ist“, erinnert sich Mathenia. Im Juli 2017 kam Pollersbeck als frisch gebackener U-21-Europameister zum HSV. Im Halbfinale gegen England war er mit zwei gehaltenen Elfmetern der große Held. Trotzdem entschied sich Trainer Markus Gisdol für Mathenia als Nummer eins.
Nach dessen schwacher Vorrunde stellte Gisdol Pollersbeck ins Tor, ehe er zwei Spiele später entlassen wurde und Nachfolger Bernd Hollerbach wieder auf Mathenia setzte. Blöd nur für Mathenia, dass Hollerbach nach sieben sieglosen Spielen schon gehen musste und der neue Coach Christian Titz wiederum Pollersbeck präferierte.
Aus Rivalen wurden Freunde
Wer aber dachte, dass die beiden während dieses Torwart-Tohuwabohus mit unlauteren Mitteln um ihren Platz gekämpft haben, täuscht sich. Mathenia und Pollersbeck entwickelten in dieser Zeit eine für Torhüter ungewohnte Freundschaft. „Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis zueinander. Jeder hat dem anderen am Spieltag die Daumen gedrückt und unterstützt“, sagt Mathenia. Ähnlich beschreibt es Pollersbeck. „Ich freue mich, dass ich ihn wiedersehe. Wir haben ein super Verhältnis – und auch jetzt noch Kontakt.“
Mathenia und Pollersbeck gelten beide als positiv verrückte Torhüter-Typen. Wenngleich der Neu-Nürnberger dieser These widerspricht. „Ich würde Polle als noch ein bisschen bekloppter bezeichnen“, sagt Mathenia und gibt eine Anekdote aus der Anfangszeit preis. „Ich kann mich noch an seine erste Woche erinnern, als ich ihn erwischt habe, als er in der Kabine ganz alleine laut rumgesungen und getanzt hat.“
Kein Favorit beim Elfmeterschießen
Mit dem Spaß ist es heute während der 90 Minuten aber vorbei. Und möglicherweise noch länger. HSV-Trainer Hannes Wolf erwartet im Volkspark zwei Mannschaften „auf Augenhöhe“. Gut möglich also, dass die Partie in die Verlängerung geht und eine Entscheidung erst im Elfmeterschießen fällt. „Dann wird das ein Psychospiel“, kündigt Mathenia an. Die Nürnberger Nummer eins sieht den HSV zwar in der Favoritenrolle, in einem Elfmeterschießen seien beide Clubs aber chancengleich. „Ich denke, wir beide haben schon bewiesen, dass wir Elfmeter halten können“, sagt Mathenia mit einem Augenzwinkern.
Beim HSV sind bislang zwar beide Torhüter nicht als Elfmeter-Töter in Erscheinung getreten, dafür avancierte Mathenia gleich in seinem dritten Spiel zum Nürnberger Matchwinner, als er in der zweiten Pokalrunde beim Sieg in Rostock nach Elfmeterschießen den vorentscheidenden Versuch parierte.
Während des Spiel ruht die Freundschaft
Zwei Wochen zuvor war Mathenia erst zum neuen Stammtorhüter erklärt worden, weil Fabian Bredlow in der Bundesliga mehrfach gepatzt hatte. Seitdem hat sich Mathenia mit guten Leistungen als Nummer eins etabliert. Und während Winterneuzugang Ivo Ilicevic von Trainer Michael Köllner wegen Trainingsrückstandes nicht für den Kader nominiert wurde, darf Mathenia in seiner alten Heimat von Anfang an spielen.
Der FCN-Torhüter wird sich vorher an die Trainingseinheiten in Hamburg erinnern, vor allem an die Elfmeterübungen. Mit Aaron Hunt und Pierre-Michel Lasogga, der seine Wadenverhärtung noch nicht auskuriert hat, fehlen zwar die etatmäßigen Schützen des HSV. Doch auch die Lieblingsecken von Fiete Arp, der Lasogga wohl im Sturm vertreten wird, oder von Lewis Holtby dürfte Mathenia noch bestens kennen.
Ob dieses Wissen wirklich zum Vorteil wird, will Mathenia nicht bewerten. Er weiß nur eines: Die Freundschaft wird während des Spiels ruhen.