Hamburg. Wettstein erklärt entsprechende Passage. Bielefeld hat die Insolvenz durch Stadionverkauf abgewendet. Ein Weg für den HSV?
Markus Rejek hat gute Laune, als ihn das Abendblatt am Donnerstagmorgen auf dem Handy erreicht. „Heute scheint die Sonne über unserer Stadt“, sagt der Geschäftsführer vom kommenden HSV-Gegner Arminia Bielefeld. Tatsächlich hingen in Ostwestfalen graue Wolken am Himmel. Doch nach dem spektakulären 4:3-Sieg bei Dynamo Dresden herrschte in Bielefeld Heiterkeit. „Jetzt freuen wir uns auf den HSV, auch wenn die Freundschaft während des Spiels ruhen wird“, sagt Rejek über das Duell der befreundeten Vereine am Sonnabend (13 Uhr).
Dass die Laune auf der Bielefelder Alm besser ist als das Wetter, liegt nicht nur an der sportlichen Situation, sondern vor allem auch an der wirtschaftlichen Lage. Seit wenigen Wochen ist der Club nach Jahren des Existenzkampfes nahezu schuldenfrei. Als Rejek im Oktober 2017 in Bielefeld einstieg, stand der Club kurz vor der Insolvenz. Es ist eine dramatische Geschichte, die in Teilen an den finanziellen Abstieg des HSV erinnert. Der größte Unterschied: Während die Hamburger noch einen weiten und schweren Weg zur wirtschaftlichen Gesundung vor sich haben, ist der Arminia mit verschiedenen Maßnahmen der Turnaround gelungen. Zuletzt hat der Club sein Stadion, die Schüco-Arena, an eine regionale Investorengruppe verkauft. „Nach zehn Jahren Überlebenskampf ist das für uns eine große Befreiung“, sagt Rejek.
Der 50-Jährige kennt sich mit der Sanierung von Traditionsclubs aus. Als Marketingvorstand trug er vor einigen Jahren zur Rettung von Borussia Dortmund bei. 2014 wechselte er zu 1860 München. Dort wurde er nach Querelen mit dem streitbaren Investor Hasan Ismaik zweieinhalb Jahre später beurlaubt, ehe er 2017 zu Arminia Bielefeld ging. Sowohl beim BVB als auch bei 1860 arbeitete Rejek mit HSV-Finanzvorstand Frank Wettstein zusammen. Die beiden halten nach wie vor Kontakt.
Parallelen zwischen den Vereinen
Dass der HSV und die Arminia aufgrund der Größe und des wirtschaftlichen Konstrukts nicht einfach zu vergleichen sind, ist auch Rejek klar. Und doch gibt es Parallelen in der jüngeren Geschichte der beiden Clubs. So wie der HSV sich Jahr für Jahr immer weiter in die Abhängigkeit seines Investors Klaus-Michael Kühne manövriert hat, hing die Arminia jahrelang am Tropf des Geldgebers Gerhard Weber, dem Modeunternehmer aus Halle (Westfalen).
Doch vor einem Jahr zog sich Weber als Unterstützer der Arminia zurück. Mitten in der Stunde der Existenzgefährdung. Es galt, kurzfristig rund vier Millionen Euro aufzutreiben, ansonsten hätte der Club seine Lizenz verloren. Für den schwer angeschlagenen Zweitligisten sollte sich Webers Rückzug jedoch zu einem Glücksfall entwickeln. Anstelle des einflussreichen Gönners fand sich eine Gruppe regionaler Unternehmen, die sich zum Bündnis Ostwestfalen (OWL) zusammenschlossen, um die Arminia zu retten und den Club nun langfristig zu unterstützen. Der Oetker Konzern ist dabei, ebenso die Anstoetz KG, oder Schüco, der Namensgeber des Stadions. Strategische Partner, wie sie sich auch der HSV nach der Ausgliederung 2014 erhofft hatte. Doch neben Kühne war im Volkspark bislang kein Platz für finanzstarke Aktionäre.
In Bielefeld ist man mehr als froh, mit dem Bündnis Ostwestfalen eine Investorengruppe gefunden zu haben, der es nicht darum geht, Profit zu machen. Es gehe darum, voneinander zu profitieren und für Arminia Bielefeld sowie die Region ein identitätsstiftendes Image zu erzeugen. Mit Partnern, die für „den Erhalt der Fußballkultur und des Vereinswesens stehen“, sagt Rejek.
Nachdem man über Jahre immer wieder das Tafelsilber des Clubs verkaufen musste – wie auch beim HSV wurde der Vermarktervertrag mit Lagardère langfristig verlängert und die Liquidität durch eine Fan-Anleihe gewährt – könne man nun „nach vorne arbeiten“, wie Rejek es formuliert. „Mit dem Bündnis OWL ist aus der Not eine bemerkenswerte Konstellation entstanden. In dieser Gruppe gibt es keine Hierarchien und kein Alphatier-Denken. Das Zusammenwirken macht eine riesengroße Freude und ist für uns eine absolute Gewinnsituation.“
HSV startet mit Verkauf der neuen Fan-Anleihe
Mit dem Verkauf des Stadions hat die Arminia allerdings den letzten Ausweg gewählt. Diesen will man in Hamburg unbedingt vermeiden, auch wenn sich der hoch verschuldete HSV damit auf einen Schlag von seinen Verbindlichkeiten befreien könnte. Nach Abendblatt-Informationen wird der Wert des Volksparkstadions, das bis zur EM 2024 für zehn bis 15 Millionen Euro fit gemacht werden soll, innerhalb des Clubs aktuell auf 80 Millionen Euro taxiert. Ein Verkauf des Stadions ist für den HSV derzeit aber überhaupt kein Thema. Zumal sich die Frage stellt, wer an einem Kauf der Arena überhaupt Interesse hätte.
In Hamburg setzen die Verantwortlichen zunächst auf die neue Fan-Anleihe, die am heutigen Freitag startet. Inhaber der Jubiläumsanleihe von 2012 haben zunächst die Möglichkeit, ihr Umtausch- und Vorkaufsrecht zu nutzen. Am 18. Februar startet dann der freie Verkauf der Depotanleihen, die mit sechs Prozent verzinst sind. Für Diskussionen sorgte eine Passage in dem 144-seitigen Wertpapierprospekt, in dem der HSV auf eine Insolvenzgefahr durch mögliche Rückzahlungen an Klaus-Michael Kühne hinweist.
Laut Finanzvorstand Wettstein ein normaler Vorgang. Es gelte auf jegliches Risiko hinzuweisen. „Als Emittent von Wertpapieren erfüllen wir die rechtlichen Anforderungen an Prospekte und weisen auch auf solche Risiken hin, die in Extremfällen eintreten könnten“, sagte Wettstein am Donnerstag auf Abendblatt-Nachfrage.
Drohende Insolvenz
Der Begriff der drohenden Insolvenz wabert seit Wochen durch Hamburg, wenn über den HSV gesprochen wird. Insbesondere Jürgen Hunke ließ im Wahlkampf um das Amt des e.V.-Präsidenten keine Gelegenheit ungenutzt, auf die Existenzgefahr hinzuweisen. Vorstandschef Bernd Hoffmann sprach daraufhin in der „Sport Bild“ von „vereinsschädigenden“ Aussagen.
In Bielefeld ist man glücklich, die Zeit solcher Diskussionen mit der neuen Investorengruppe hinter sich gelassen zu haben. „Wenn man so will, ist dieses Bündnis die ostwestfälische Antwort auf die 50+1-Diskussion“, sagt Rejek. Ein Bündnis mit einem „starken hanseatischen Charakter“. Sein Kollege Frank Wettstein wäre sicherlich froh, wenn er solche Sätze bald auch in der Hansestadt Hamburg sagen könnte.
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