Hamburg. Der neue Vereinschef Marcell Jansen will den e.V. und die AG einen. Viele Fragen sind offen. Die Folgen der Wahl.

Den Sonntagvormittag verbrachte Marcell Jansen mit dem Lesen von Nachrichten. Eine zeitaufwendige Aufgabe. Sein Handy sei voll von Glückwünschen gewesen, sagte der neue Präsident des HSV. „Ich muss das jetzt erst einmal sacken lassen. Es ging alles sehr schnell. Es war sehr emotional“, sagte Jansen. Ab heute will sich der 33-Jährige in seine neue Aufgabe stürzen. „Ich freue mich und bin den Mitgliedern sehr dankbar.“

Am Sonnabend um 17.15 Uhr war die Entscheidung gefallen, die das Leben des ehemaligen HSV-Profis verändern wird. Mit 62 Prozent Zustimmung wurde Jansen bei der Mitgliederversammlung des HSV e.V. in der Wilhelmsburger edel-optics.de Arena zum neuen Vereinspräsidenten gewählt.

799 der 1.289 abgegebenen Stimmen fielen auf Jansen, Herausforderer Ralph Hartmann erhielt 490 Stimmen, Jürgen Hunke zog als dritter Kandidat seine Bewerbung unmittelbar vor der Abstimmung zurück. „Ich nehme die Wahl an“, sagte Jansen, weißes Hemd, dunkles Sakko. Die Mitglieder jubelten und verließen die Halle ähnlich mehrheitlich, wie sie Jansen zuvor zum mächtigsten Mann des HSV gewählt hatten.

Jansen mit der Merkel-Raute

Als der neue Präsident wenig später zu den Medien sprach, wirkte er bereits wie ein echter Staatsmann. Im Stile von Bundeskanzlerin Angela Merkel formte er seine Hände zur Raute und sprach von großen Gefühlen und großen Aufgaben. „Ich bin stolz und glücklich, zukünftig den HSV repräsentieren zu dürfen.“

Vor seiner Rede sei er nervös gewesen wie zuletzt im Europapokal, sagte Jansen, der 152 Bundesligaspiele für den HSV machte, 45 Länderspiele bestritt und dabei zwei Weltmeisterschaften und ein EM-Finale für die deutsche Nationalmannschaft spielte, ehe er mit 29 Jahren seine Karriere frühzeitig beendete und damit auch auf Unverständnis stieß (Rudi Völler: „Er hat den Fußball nie geliebt“).

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Nun ist Jansen mit 33 Jahren der jüngste Präsident der HSV-Geschichte. Er tue das vor allem aus Liebe. „Ich konnte nach meinem Vertragsende in Hamburg kein anderes Wappen mehr küssen als die HSV-Raute“, so Jansen. Es sind Sätze wie diese, die bei den Mitgliedern schon vor der Versammlung so gut angekommen sind, dass seine Wahl im Grunde schon vor der Abstimmung feststand. Herausforderer Hartmann holte mit einer kämpferischen Rede zwar noch einige Stimmen, doch am Ende hatte er gegen den bei den Fans beliebten Jansen keine Chance.

Eingriff ins operative Geschäft? Jansen dementiert

Auf den neuen Präsidenten warten nun deutlich zeitaufwendigere Aufgaben als das Beantworten von Glückwünschen. Als Chef des e.V. ist er ehrenamtlich verantwortlich für 30 Abteilungen. Er muss sich um Sportarten wie Tischfußball, Dart und Cricket kümmern. Vor allem aber will sich Jansen – und da macht er gar keinen Hehl draus – hauptsächlich um die HSV Fußball AG kümmern, dessen Mehrheitsanteile von 76,19 Prozent er nun vertritt.

Als Mitglied des Aufsichtsrats hat er das in den vergangenen elf Monaten bereits getan. Jansen pflegt einen engen Austausch zum Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann und zu Sportvorstand Ralf Becker, dient ihnen als Ansprechpartner in sportlichen Fragen. Eine Nähe, die ihm auf der Mitgliederversammlung auch Kritik einbrachte. Hartmann warf Jansen in seiner Rede vor, sich in das operative Geschäft einzumischen. Die „Sportbild“ hatte in der vergangenen Woche berichtet, dass Jansen an der Entlassung von Trainer Christian Titz im Oktober mitgewirkt hatte.

Leitartikel: Hoffmann ist der Gewinner der Jansen-Wahl

Jansen dementierte am Sonnabend, Entscheidungen der AG mitgetroffen zu haben, gab aber gleichzeitig zu, die Handlungen des Vorstands zu begleiten. „Es stimmt, dass ich Entscheidungen bestärkt und zu 100 Prozent unterstützt habe, auch in Momenten, wo die Sympathien für die Entscheidungen nicht so groß gewesen sind“, sagte Jansen in Anspielung auf die Freistellung des bei den Fans beliebten Titz.

Hoffmann zementiert seine HSV-Macht

Neben Jansen geht auch Clubchef Hoffmann als einer der großen Gewinner der Wahl hervor. Während Hunke und Hartmann als Hoffmann-Kritiker galten, setzt Jansen auf eine teamorientierte Zusammenarbeit mit dem Vorstandsvorsitzenden, der vor einem Jahr zum Präsidenten gewählt wurde, ehe er sich trotz gegenteiliger Aussagen anschließend in den Vorstand entsenden ließ.

Mit der Wahl von Jansen hat Hoffmann seine Macht nun weiter zementiert. „Marcell Jansen wird ein guter Präsident für den HSV sein, da bin ich mir ganz sicher“, sagte Hoffmann. „Wir sind den Führungspositionen jetzt gut aufgestellt. Das Wichtigste ist, dass wir als Team funktionieren.“

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Wird Jansen der Hoeneß des HSV?

Der logische Schritt für Jansen wäre nun, als Vereinspräsident auch den Vorsitz im Aufsichtsrat der AG zu übernehmen. Dann hätte er eine ähnliche Machtfülle inne wie Uli Hoeneß beim FC Bayern München. Doch in der aktuellen Konstellation mit dem Hoffmann-Vertrauten Max-Arnold Köttgen als Aufsichtsratschef sieht Jansen das Gremium gut aufgestellt.

Zudem kann auch e.V.-Vizepräsident Thomas Schulz auf einen Verbleib im Aufsichtsrat hoffen. Der Unternehmer hatte den Platz im Kontrollrat übergangsweise übernommen, nachdem Hoffmann vom Präsidenten zum Vorstandschef aufstieg.

Der Liveticker zur Mitgliederversammlung zum Nachlesen

Aber auch der unterlegene Kandidat Ralph Hartmann kann sich vorstellen, den vakanten Platz im Aufsichtsrat einzunehmen. „Wenn das gewünscht wäre, könnte ich mir vorstellen, meinen Hut in den Ring zu werfen“, sagte Hartmann nach der Wahlniederlage dem Abendblatt.

Veränderung im Beirat hilft Hoffmann

Über die Besetzung muss nun der neue Beirat des e.V. entscheiden. Auch in diesem Gremium wird es Veränderungen geben. Mit dem bisherigen Beiratschef Jan-Norbert Wendt wurde ein weiterer Hoffmann-Kritiker abgewählt.

Es gibt viele offene Fragen, die Marcell Jansen in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten beantworten muss. Und dafür braucht er vor allem eines: Zeit. Sehr viel Zeit.