La Manga/Hamburg. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zur HSV-Mitgliederversammlung und zur Präsidentenwahl.

Die gute Nachricht gleich zu Beginn: Der Wahlkampf ist vorbei. An diesem Sonnabend geht es beim HSV ab 11 Uhr ans Eingemachte in der edel-optics.de-Arena in Wilhelmsburg. Auf dem Programm steht die Mitgliederversammlung des HSV, von der viele behaupten, dass es eine der interessantesten (und möglicherweise längsten) Versammlungen aller Zeiten werden könnte. Vorab beantwortet das Abendblatt die wichtigsten Fragen zu der Mammutversammlung. Vorsicht: akute Vereinsmeierei!

Wer gewinnt die Präsidentenwahl?

Die schwierigste Frage gleich zu Beginn. Eine endgültige Antwort können natürlich nur die Mitglieder geben. Aber: In sämtlichen Umfragen vor der Wahl liegt Marcell Jansen (33) klar vorne. Die Herausforderer Ralph Hartmann (54) und Jürgen Hunke (75) haben aber noch lange nicht aufgegeben. Und: So eine Mitgliederversammlung kann auch immer eine Eigendynamik entwickeln.

Droht die Präsidentenwahl zu platzen?

Nein. Selbst wenn der Antrag von Dieter Grzesik (Tagesordnungspunkt 12), der die Abwahl des noch amtierenden Präsidiums (Thomas Schulz, Moritz Schaefer) fordert, angenommen werden sollte, findet die Präsidentenwahl statt. Die Folge wäre lediglich, dass auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung neue Vizepräsidenten gewählt werden müssten.

Wie dramatisch ist die Finanzlage?

In zwei Wörtern: sehr dramatisch. Besonders Präsidentschaftskandidat Jürgen Hunke wurde in den vergangenen Tagen nicht müde zu betonen, dass im schlimmsten Fall die Insolvenz der HSV AG droht. „Es geht um die Zukunft des HSV“, sagte Hunke immer wieder. Und in diesem Fall muss man sagen: Hunke hat recht. Nach Informationen des Abendblatts soll die laufende Saison noch immer nicht durchfinanziert sein, zudem droht die DFL-Lizenzierung für die ersten beiden Ligen im März zu einer echten Herkulesaufgabe zu werden. Allerdings: In der Theorie geht es bei den Vereinspräsidentenwahlen ja gar nicht um die AG. In der Praxis wurde aber wenig über den e. V. gesprochen.

Wie wichtig ist die Beiratswahl?

Sehr wichtig. Es geht um den zukünftigen Kurs beim HSV. Bei den Amateuren (Jan Wendt und Mike Schwerdtfeger) und den Supporters (Patrick Ehlers und Sven Kröger) stehen sich jeweils zwei Kandidaten gegenüber. Dazu kommen dann noch der Vorsitzende des neuen Ehrenrats (Tagespunkt 19) und zwei weitere Beiräte, die in der Woche nach der Wahl kooptiert werden. Letztlich geht es beim Beirat, der über Kandidaten für den Aufsichtsrat und das Präsidium entscheiden kann, um die zentrale Frage: Schenkt man dem Kurs von Vorstand Bernd Hoffmann und dem bisherigen Präsidium auch weiterhin das Vertrauen? Oder soll eine zu große Machtballung verhindert und größere Kontrolle herbeigeführt werden?

Worum geht es eigentlich beim 24,9-Prozent-Antrag?

Trotz der Wahlen des Präsidiums, des Beirats und des Ehrenrats ist Antrag Nummer drei einer der zentralen Punkte der Tagesordnung. Im Kern geht es um Folgendes: Die Supporters fordern, dass ein „Fehler“ in der AG-Satzung behoben werden soll, nach dem der AG-Vorstand – ohne die Zustimmung der Mitglieder – bis zu 33,3 Prozent der AG-Anteile verkaufen könnte. Bislang sind 23,81 Prozent der Anteile verkauft – darunter ist Klaus-Michael Kühne (20,57 Prozent) Hauptanteilseigner.

In der Vergangenheit hatten sowohl Ex-Präsident Jens Meier als auch Nachfolger Bernd Hoffmann versprochen, diesen „Fehler“ durch ihre Mehrheit in der Hauptversammlung zu beheben, haben dieses Versprechen aber nie in die Tat umgesetzt. Jetzt ist die finanzielle Lage der HSV AG offenbar so angespannt, dass nun doch ernsthaft in Erwägung gezogen wird, weitere Anteile zu verkaufen. Dies soll durch den Supporters-Antrag verhindert werden. Aber: Rein rechtlich gibt es offenbar Zweifel, ob ein Mandat der Mitgliederversammlung tatsächlich bindend ist. Klar ist nur, dass ein möglicher Anteilsausverkauf die HSV-Mitglieder auch nach der Versammlung noch beschäftigen wird.

Gibt es weitere brisante Anträge?

Selbstverständlich. Freunde einer lebhaften Diskussionskultur dürften auf ihre Kosten kommen. Ein Gemeinschaftsantrag von Peter Gottschalk, dem Netzwerk Erinnerungsarbeit und sämtlichen Gremien, durch den sich der HSV e. V. klar gegen Rassismus und diskriminierendes Verhalten positionieren soll, dürfte etwa für Gesprächsstoff sorgen. Der Antrag klingt zwar wie eine Selbstverständlichkeit – benötigt aber eine Dreiviertelmehrheit der Stimmen. Sollte diese Dreiviertelmehrheit nicht erreicht werden, wäre ein gravierender Imageschaden für den HSV perfekt.

Und sonst so?

Für überzeugte Vereinsmeier gibt es noch genügend Bonusmaterial. Der eine (Rainer Doell) möchte erreichen, dass ein Seniorenrat einen festen Platz im Beirat bekommt, die anderen (Marko Bodenstein und Joachim Lembke) möchten zum x-ten Mal über die Brief- und Fernwahl abstimmen lassen. Insgesamt gibt es zehn Anträge – es dürfte also für jeden etwas dabei sein.

Was passierte eigentlich auf der Hauptversammlung?

Am Mittwoch trafen sich Präsidium, Vorstand, Aufsichtsrat und Anteilseigner rund drei Stunden lang. Thematisiert wurde unter anderem die Möglichkeit, ob der Hauptgesellschafter (also der HSV e. V.) zukünftig zwei Plätze im Aufsichtsrat haben soll. Laut geplanter Satzungsänderung wird vorerst nur „der Präsident als Mitglied in den Aufsichtsrat der HSV Fußball AG entsendet“. Klaus-Michael Kühne hatte bereits in der vergangenen Woche im Abendblatt die Eigenständigkeit der HSV Fußball AG betont und sich gegen einen zweiten e.V.-Sitz ausgesprochen. Brisant: Bei der Sitzung soll der Investor nun die Bitte geäußert haben, dass auch ihm die Möglichkeit eingeräumt wird, künftig ein Aufsichtsrats-Mitglied zu „entsenden“.

Ende gut, alles gut?

Das ist die Hoffnung aller Beteiligten. Selten hat es bei einer Mitgliederversammlung so viele kontroverse Themen gegeben. Sportvorstand Ralf Becker (erstmals bei der HSV-Versammlung dabei) appelliert: „Mein Hauptanliegen ist, dass wir es in den vergangenen Monaten sehr gut hinbekommen haben, wieder als richtiger Fußballclub wahrgenommen zu werden. Dieser Eindruck darf gerne auch nach der Mitgliederversammlung so stehen bleiben.“