La Manga/HAmburg. Bei der HSV-Mitgliederversammlung steht neben der Präsidentenwahl auch die des Beirats im Fokus. Ein Blick hinter die Kulissen.

Der HSV-Dienstag in La Manga konnte in wenigen Sätzen zusammengefasst werden: Am Vormittag wurden Pässe trainiert und Intervallabläufe verlangt, am Nachmittag gab Trainer Hannes Wolf trotz der deftigen 0:3-Pleite am Vortag gegen St. Gallen frei. Das passende Wetter für die Fußballer, von denen sich einige beim Golf und Tennis austobten: blauer Himmel, ein paar Schäfchenwölkchen, Sonne satt und angenehme 16 Grad.

Für den HSV-Dienstag in Hamburg brauchte man dagegen ein paar mehr Sätze. Ein Tag vor der Hauptversammlung und vier Tage vor der Mitgliederversammlung war gestern der Tag der Hintergrundgespräche. Und ähnlich wie in La Manga gab es auch in der Heimat die passende Wetterlage zur Stimmung: grauer Himmel, Regen satt, sechs Grad. Doch so richtig stürmisch ging es vor allem hinter den Kulissen zu.

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    Der HSV-Beirat ist das neue Machtzentrum

    Trotz gegenteiliger Beteuerungen ist es längst nicht mehr zu übersehen, dass sich die unterschiedlichen Lager rechtzeitig vor den Wahlen auf der Mitgliederversammlung des HSV am Sonnabend in Position bringen. Im Zentrum dieser Gemengelage stehen neben den öffentlich viel beachteten Präsidentenwahlen um Marcell Jansen, Ralph Hartmann und Jürgen Hunke vor allem die eher wenig beachteten Wahlen für die Besetzung eines neuen Beirats, dem neuen Machtzentrum nach der Ausgliederung 2014.

    Auf der einen Seite positionieren sich nun diejenigen, die mit dem bisherigen Kurs des Vereinspräsidiums (Thomas Schulz, Moritz Schaefer) und dem AG-Vorstand um Bernd Hoffmann sehr einverstanden sind. Und auf der anderen Seite bringt sich eben das Lager in Stellung, das eine zu große Machtballung befürchtet und eine zu geringe Kontrolle anmahnt.

    Dieter Grzesik, da macht das HSV-Mitglied gar keinen Hehl draus, fühlt sich eher dem zweiten Lager zugehörig. Und so ist es auch keine große Überraschung, dass Grzesik die Gerüchte, er würde noch vor der Mitgliederversammlung in Wilhelmsburg seinen umstrittenen Antrag zur Abwahl des noch amtierenden Präsidiums zurückziehen, ins Reich der Fabeln verweist: „Ich werde den Antrag stellen. Und ich werde ihn auch gut begründen“, sagt Grzesik.

    Schmutzige Tricks beim Etat?

    Man darf also weiter gespannt sein. Denn zu den weiteren Gerüchten, warum Grzesik den Antrag überhaupt stellen will, gehört eben auch dieses: So sollen die Vizepräsidenten Schulz und Schaefer den noch amtierenden Beirat beim genehmigungspflichtigen Gesamtetat des Vereins im vergangenen Sommer bewusst hintergangen haben. Der Vorwurf: Erst nach Abschluss des verabredeten Etats für das Geschäftsjahr 2018/19 soll das Präsidium eine Ausfallbürgschaft über drei Jahre für jährlich 100.000 Euro der Leichtathletikabteilung für ein neues Konzept bewilligt haben.

    Schulz und Schaefer bestreiten dies, sprechen von einer einmaligen Bürgschaft über 50.000 Euro. Zudem wurde ein zuvor nicht vollständig budgetierter Kunstrasenplatz in Norderstedt nachträglich bewilligt, der 800.000 Euro kosten soll, wovon dem Vernehmen nach allerdings die Hälfte fremdfinanziert werden muss.

    An dieser Stelle schwimmen Wahrheit, Halbwahrheit und Unwahrheit ineinander über. Tatsächlich bestätigen Beiratsmitglieder und Vizepräsident Schulz diesen Vorgang, über den es aber sehr unterschiedliche Meinungen zu geben scheint. So beteuert Schulz, dass das Präsidium dem Beirat keine Etatänderungen im laufenden Geschäftsjahr melden müsste: „So etwas passiert laufend und ist ganz normal.“

    Stimmungsmache gegen einen Hoffmann-Kritiker?

    Der Beirat, dessen Verhältnis zum Präsidium als frostig beschrieben werden kann, sieht den Sachverhalt anders. Man hätte sich sogar juristischen Rat eingeholt, nachdem das Vorgehen des Vereinspräsidiums als falsch eingestuft wurde.

    Zu einem Politikum wird die delikate Angelegenheit allerdings erst dann, wenn man an dieser Stelle ein wenig tiefer bohrt. Denn ausgerechnet Noch-Beirat Oliver Voigt (aus der Leichtathletikabteilung) hat das kostspielige Leichtathletikkonzept geschrieben – und dieses dann nicht seinen Beiratskollegen kommuniziert. Und nun wird es spannend: Jan Wendt (60), der bisherige Beiratsvorsitzende, dem eine große Antipathie gegenüber Vorstandschef Bernd Hoffmann nachgesagt wird, muss bei der Wahl am Sonnabend gegen Mike Schwerdtfeger (54) antreten.

    Der hinter vorgehaltener Hand getuschelte, aber nicht bewiesene Vorwurf: In der Abteilung der Amateure soll „teure“ Stimmung gegen Hoffmann-Kritiker Wendt gemacht werden. Ronny Bolzendahl, Amateurvorstand beim HSV e.V., dementiert dies auf das Schärfste: „Das ist Blödsinn. Wir wollen den Mitgliedern nur mit zwei Kandidaten eine echte demokratische Wahl anbieten.“

    Schimpftirade bei Twitter

    Zwei Kandidaten gibt es auch für die zweite Besetzung des Beirats bei den Supporters. Hier Diplom-Politologe Patrick Ehlers (39), der gerne wieder gewählt werden will. Dort Volljurist Sven Kröger, der nach mehreren gescheiterten Versuchen einen erneuten Anlauf nimmt, ein HSV-Amt zu übernehmen. Interessant ist die Konstellation vor allem dadurch, dass Vizepräsident Schulz ein guter Bekannter Krögers ist, diesen sogar am Abend vor der Wahl zu einem Wahlkampfauftritt des „Matz ab“-Fanclubs in der Barmbeker „Trude“ begleitet. Auch Hoffmann war eingeladen, zieht aber einen Besuch des Hamburger Presseballs vor.

    Die Neu-Besetzung des Beirats ist vor allem deshalb so brisant, weil das Fünfergremium neben dem Vereinsetat auch über Vorschläge für Präsidenten- und Aufsichtsratskandidaten entscheidet. So soll dem Vernehmen nach Präsidentschaftskandidat Marcell Jansen, dem ebenfalls eine Nähe zu Hoffmann nachgesagt wird, nur unter größten Bauchschmerzen der Beiräte akzeptiert worden sein, während Bewerber wie die Juristen Katrin Sattelmair und Rainer Ferslev sogar komplett ausgeschlossen wurden. Letzterer schimpfte daraufhin via Twitter über den Beirat als „peinliches Gremium“: „Auch wegen dieser Klüngelei sind wir kaputt.“

    Die Hauptversammlung der AG tagt an diesem Mittwoch

    Der Konter vom Noch-Beirat Jan Wendt ließ nicht lange auf sich warten: „Alle Entscheidungen des Beirats waren geprägt durch den Gedanken, nicht die populärsten, sondern die besten Lösungen für unseren HSV zu suchen“, beteuerte der frühere Aufsichtsrat, der seit vier Jahren den neuen Beirat führt.

    Doch es bleibt kompliziert: Denn sollte der alte Beirat nach der Mitgliederversammlung und den Wahlen auch der neue Beirat sein, dürfte der Plan, dass Vizepräsident Schulz (im Falle eines Wahlerfolgs von Präsidentschaftskandidat Marcell Jansen) im Aufsichtsrat bleibt, hinfällig sein. Schulz muss also auf einen neuen Beirat hoffen.

    Wie sehr es wenige Tage vor der Wahl in der Gerüchteküche brutzelt und dass man sich bisweilen auch verbrennen kann, zeigt der Fall von Aufsichtsrat Michael Krall, noch einem Hoffmann-Kritiker. Dieser, so wurde es immer wieder getuschelt, soll im Fall einer Jansen-Wahl als Kontrolleur zurücktreten. Das Problem an dem Gerücht: Es stimmt nicht. „Ich trage mich nicht mit Rücktrittsabsichten“, sagte der Kontrolleur, der heute auch bei der Hauptversammlung der HSV-AG dabei sein wird. Genauso wie der Vorstand um Hoffmann, das Präsidium um Schulz, der Aufsichtsrat um Jansen und die Vertreter der AG-Anteilseigner. Und die Wettervorhersage? Regen und dunkle Wolken über dem Volkspark.