Wieder wechselte Trainer Wolf defensiv. Diesmal rächte sich diese Wahl nicht. Hunt trifft sehenswert, bei Hwang platzt der Knoten.
Ingolstadt. So richtig jubeln wollte niemand, als der Schlusspfiff um 14.51 Uhr ertönte. Dabei hatte der HSV soeben seine Tabellenführung in der Zweiten Liga mit einem 2:1-Kampfsieg beim FC Ingolstadt behauptet. Aaron Hunt mit einem direkt verwandelten Freistoß und Hee-chan Hwang schossen die Tore für die über weite Strecken überlegenen Gäste. Doch die Frage nach dem Wie dominierte die verhaltene Freude der Hamburger. Erst beim Gang in die Kurve zu den mitgereisten feiernden Fans kam Jubelstimmung bei den HSV-Spielern auf.
„Wir hatten das Spiel lange Zeit im Griff, haben uns das Leben aber dann durch den Gegentreffer selbst schwer gemacht. Die zweite Halbzeit war nicht unsere beste, aber am Ende zählt der Sieg", sagte Kapitän Hunt selbstkritisch. Auch Trainer Hannes Wolf ist vor allem über das Ergebnis glücklich: „Es war das erwartet schwere Spiel. In der zweiten Halbzeit hat Ingolstadt hohes Pressing gespielt, was viele schwere Zweikämpfe zur Folge hatte. Wir sind froh, dass wir diesen Auswärtssieg holen konnten."
Da Stadtrivale St. Pauli gegen Dynamo Dresden patzte (1:1), beträgt der Vorsprung auf Platz vier nun schon sechs Punkte. Verfolger 1. FC Köln (30 Punkte) bleibt dem HSV (31) weiterhin auf den Fersen. Dahinter folgt Union Berlin (27) in Lauerstellung auf dem Relegationsplatz.
Ingolstadts Umbruch erinnert an Titz
Vor 13.500 Zuschauern schickte Wolf wie erwartet eine auf einer Position veränderte Elf ins Rennen: Der Schotte David Bates ersetzte Léo Lacroix in der Innenverteidigung. Ganz anders sieht es beim Gegner aus. Ingolstadts Interimstrainer Roberto Pätzold (38), vor wenigen Tagen noch U19-Coach bei den Bayern, wirbelte seine Mannschaft mächtig durcheinander und berief sechs Neue.
Mit Kaya und Pintidis spielten zwei Akteure von Beginn an, die vergangene Saison noch in der A-Jugend gespielt hatten. Dazu ersetzte U23-Kapitän Kotzke den etatmäßigen Spielführer und Abwehrchef Marvin Matip. Im Tor erhielt Regionalliga-Keeper Fabijan Buntic den Vorzug vor dem Ex-.St.-Paulianer Philipp Heerwagen.
Bei Pätzolds Umbruch wurden Erinnerungen an Ex-HSV-Trainer Christian Titz wach, der bei seinem Debüt als Proficoach gegen Hertha (1:2) ebenfalls auf alte Bekannte aus der Jugend setzte (Ito, Arp), dafür verdiente Spieler auf die Bank setzte (Papadopoulos) und seinen Kapitän aus der zweiten Mannschaft beförderte (Steinmann). Anders als Titz steht Ingolstadt-Trainer Pätzold allerdings nur für die Partie gegen die Hanseaten in der Verantwortung bei den Profis. Ab dem morgigen Sonntag übernimmt Ex-Schalke-Coach Jens Keller.
Ingolstadt agierte zu Beginn „eklig“
Die Taktik von Pätzolds aufgewerteter Regionalliga-Truppe wurde schon in den ersten Minuten ersichtlich: Mit vielen kleinen Fouls versuchte Ingolstadt, den Rhythmus des HSV zu zerstören. Offensiv setzten die Bayern auf hohe Bälle. Folglich war das Spiel in der Anfangsphase nur wenig ansehnlich.
Immerhin die Fans, die es gut mit dem Gastgeber meinen, hatten ihren Spaß. Jeder geklärte Ball der Heimelf wurde mit lautstarken „Olé“-Rufen von den Rängen zelebriert. Der HSV war von Beginn an die spielbestimmende Mannschaft, tat sich aber schwer, eine Lücke zu finden und probierte es häufig vergeblich aus der zweiten Reihe.
Nach einer knappen halben Stunde sorgte ein Geniestreich für die Hamburger Führung. Hunt legte sich den Ball für einen Freistoß aus 23 Metern zurecht, sah, dass die Mauer falsch stand, und schlenzte die Kugel um die vier im Weg stehenden Ingolstädter herum ins linke Eck (28.).
In der Folge glich die Partie einer Begegnung im Handball: Der HSV belagerte die Gastgeber mit nahezu allen Feldspielern am gegnerischen Strafraum und kombinierte nach Belieben. Ingolstadts neu formierte junge Mannschaft wirkte in dieser Phase zunehmend überfordert. Hamburg konnte seine Überlegenheit zunächst allerdings nicht auf die Anzeigetafel bringen. Bakery Jatta vergab die beste Tormöglichkeit vor der Pause, als er an der Latte scheiterte (38.).
Bei Hwang platzt der HSV-Knoten
Direkt nach dem Wiederanpfiff mussten die Hanseaten erst einmal beweisen, dass sie auch über eine exzellente Defensive verfügen. Allerdings kam nur Torhüter Julian Pollersbeck diesem Nachweis nach. Der U-21-Europameister benötigte jeden einzelnen seiner 195 Zentimeter, um einen Versuch von Ingolstadts Stürmer Kaya von der Linie zu kratzen (46.).
Einzelkritik: Pollersbeck rettet den Sieg – Jatta sammelt viele HSV-Herzen
Womöglich wach gerüttelt durch diese erste nennenswerte Offensivaktion, agierte der Tabellenletzte von nun an mutiger – zur Freude des HSV. Denn das schuf Räume für die Hamburger Angreifer. Nutznießer dieses Vorteils war der nach dem Remis gegen Union Berlin (2:2) viel gescholtene Hwang. In die Tiefe geschickt von Lewis Holtby, ließ der Südkoreaner Ingolstadts Benedikt Gimber mit einem geschickten Haken stehen und vollstreckte souverän mit links zum 2:0 (50.). „Ich bin sehr glücklich. Vor dem Spiel habe ich mir Druck gemacht, weil ich lange nicht getroffen habe. Schön, dass endlich wieder mit einem Tor geklappt hat", sagte Torschütze Hwang nach seinem zweiten Saisontor.
Als alles nach einem ungefährdeten Auswärtssieg aussah, muckte der Gastgeber plötzlich auf. Nach einer Freistoß-Flanke von Kittel überwältigte Regionalliga-Torjäger Kaya, der sträflich frei zum Kopfball kam, Keeper Pollersbeck (54.).
Wolf wählt mahnende Worte für HSV-Profis
HSV-Coach Wolf reagierte und brachte den defensiv stärkeren Vasilije Janjicic für Holtby (68.). Wie schon gegen Berlin wechselte der Titz-Nachfolger defensiv bei einer knappen Führung. Wieder standen die Hamburger dadurch tiefer und verließen sich auf ihre Abwehr. Doch diesmal sollte sich diese Entscheidung nicht rächen. "Es hat mich stolz gemacht, dass wir als Einheit verteidigt haben, um ein erneutes spätes Gegentor zu verhindern", sagte Abwehrspieler Rick van Drongelen.
Supporters-Chef Horn über 2:1-Sieg:
Ingolstadt wehrte sich tapfer bis zum Abpfiff, kam aber nur einmal durch den eingewechselten Kerschbaumer (89.) gefährlich vors Tor, als Pollersbeck seine ganze Klasse unter Beweis stellen musste. Auf der Gegenseite verpassten Khaled Narey (67.), Douglas Santos (70.) und Jatta (88.) die Entscheidung für die Hamburger. „Im Gegensatz zum Union-Spiel war der Unterschied, dass Polle den letzten Angriff der Ingolstädter in der Nachspielzeit gehalten hat. Wir müssen für die nächsten Spiele daran arbeiten, dass es bei Führungen am Ende nicht mehr so spannend wird", sagte ein mahnender Wolf, der auch in seinem fünften Spiel als HSV-Trainer ungeschlagen blieb.
Und so fährt der HSV wie von Wolf prognostiziert mit einem knappen Sieg zurück in die Hansestadt. Am Freitag heißt der nächste Gegner im Volksparkstadion Paderborn. Auch gegen den bislang frech aufspielenden Aufsteiger ist mit einer engen Partie zu rechnen.
Die Statistik
Ingolstadt: Buntic - Ananou, Kotzke, Gimber, Gaus - Pintidis (83. Kerschbaumer), Cohen - Osawe, Kittel - Kutschke (46. Röcher), Kaya (66. Lezcano). - Trainer: Pätzold
HSV: Pollersbeck - Sakai, Bates, van Drongelen, Santos - Mangala - Hunt, Holtby (68. Janjicic) - Narey (85. Arp), Hwang (90.+2 Lacroix), Jatta. - Trainer: Wolf
Schiedsrichter: Tobias Reichel (Stuttgart)
Tore: 0:1 Hunt (28.), 0:2 Hwang (51.), 1:2 Kaya (54.)
Zuschauer: 13.500
Gelbe Karten: Kutschke (3), Cohen, Gaus (2), Kotzke, Kittel (2) - Holtby, Narey (2), Janjicic (5)
Torschüsse: 16:16
Ecken: 4:6
Ballbesitz: 42:58 %