Hinrunden-Aus für Lasogga. Wolfs Sonderlob für Jatta. Holtby fordert Platzverweis. In der Kabine wurde es zur Pause laut.
Bei Wechsel vercoacht? Das sagt der HSV-Trainer
Hat sich HSV-Trainer Hannes Wolf bei seiner ersten Einwechslung vercoacht? Der 37-Jährige brachte für die letzten 15 Minuten mit David Bates einen zusätzlichen Verteidiger für Spielmacher Aaron Hunt. Das Signal an die Mannschaft: Der knappe Vorsprung sollte über die Zeit gebracht werden. Doch zu diesem Zeitpunkt hatten die Hamburger gerade das Spiel gedreht und waren gut drin in der Partie. Vor allem Torschütze Hunt riss das Spiel in der zweiten Halbzeit an sich und zeigte eine außerordentliche Präsenz. Viele Fans wunderten sich deshalb, warum Wolf den Kapitän für einen Innenverteidiger aus dem Spiel nahm. Zumal Bates das entscheidende Kopfballduell vor dem Berliner Ausgleich verlor.
Wolf rechtfertigte seine Entscheidung am Tag danach damit, dass Hunt wegen einer Erkältung die halbe Woche gefehlt hatte und nur drei Trainingseinheiten bestreiten konnte. "Wenn wir den letzten Ball klären oder das 3:1 (Riesenchance durch Hwang; Anm. d. Red.) schießen, sagen wir: 'Super, dass wir Aaron rausgenommen und geschützt haben.' So hinterfrage ich mich im Nachhinein", sagte der selbstkritische Coach, der mit seinem Wechsel jedoch einen klaren Plan verfolgte. "Wir wollten defensiv mit einer Fünferkette agieren, weil Union auf zwei Stürmer umgestellt hatte und wir wussten, dass sie deshalb verstärkt mit hohen Bällen agieren werden."
Am Ende stellte sich der Wechsel als Fehleinschätzung heraus. Für eine ähnliche Entscheidung mit vergleichbarem Ausgang wurde Bayern-Trainer Niko Kovac im Übrigen das gesamte Wochenende kritisiert. Der Kroate hatte Nationalverteidiger Mats Hummels für die Schlussminuten gebracht, um die 3:2-Führung gegen Düsseldorf ins Ziel zu retten. Ein Vorhaben, das bekanntlich ebenso scheiterte wie Wolfs taktischer Wechsel.
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Lasogga fällt mehrere Wochen aus
Ernüchternde Diagnose für Pierre-Michel Lasogga: Wie eine Kernspintomographie am Dienstag ergab, hat sich der Angreifer einen Muskelfaserriss in der Wade zugezogen. Damit wird er mindestens drei Wochen ausfallen und die restlichen Aufgaben in der Hinrunde in Ingolstadt (1.12.), gegen Paderborn (7.12.) und in Duisburg (14.12.) verpassen. Wenn die Genesung optimal verläuft, könnte der 26-Jährige beim Rückrundenauftakt kurz vor Weihnachten bei Holstein Kiel (23.12.) wieder dabei sein. "Es ist schade, dass er uns fehlt. Er war zuletzt gut drauf. Aber wir wollen seinen Ausfall nicht als Ausrede nutzen", sagte Wolf.
Lasogga hatte bereits das Heimspiel gegen Union Berlin (2:2) verpasst, nachdem er das Abschlusstraining am Sonntag wegen Wadenproblemen abbrechen musste. Das Remis im Topspiel offenbarte, wie wichtig der Sturmbulle für die Offensive des HSV ist. Sein Vertreter Hee-chan Hwang ließ jegliche Torgefahr, die Lasogga zuletzt auszeichnete, vermissen. Unmittelbar nach der Partie hatte Wolf noch auf einen schnellen Heilungsverlauf gehofft: „Wir hoffen natürlich, dass es schnell wieder geht“, sagt Wolf. Auch Mittelfeldspieler Lewis Holtby sagte hinterher: „Ich hoffe, dass er bald wieder da ist.“
In der Halbzeit wurde es laut
Nach einer schwachen ersten Hälfte kam der HSV wie ausgewechselt aus der Pause. Die Hamburger erhöhten den Druck auf Union Berlin und drehten das Spiel durch die Tore von Kapitän Aaron Hunt (58.) und Lewis Holtby (65.) mit einem Doppelschlag binnen sieben Minuten. Auch wenn es am Ende nicht zum Sieg reichte, war es unverkennbar, dass Trainer Wolf in der Halbzeit die richtigen Worte gefunden haben muss.
„Er war schon etwas laut in der Kabine. Der Trainer sprach an, dass wir viele Zweikämpfe verloren hatten und immer ein, zwei Schritte zu spät kamen. Das war zu wenig in der ersten Halbzeit“, sagte Rechtsverteidiger Gotoku Sakai. Auch Wolf gab zu, dass er taktische Feinheiten korrigieren musste: "In der Halbzeit haben wir ein paar Dinge besprochen. Die Mannschaft hat dann sehr gut reagiert. Wir wollten so nicht nach Hause gehen mit dieser ersten Hälfte, sondern wollten es besser machen. Wir hatten dann mehr Intensität und Überzeugung in unserem Spiel."
Dennoch ist sich der Coach sicher, dass es solche Halbzeiten wie die erste gegen Union wieder geben wird. "Diese Phasen, in denen man ein bisschen leidet und in denen dir der Gegner überlegen ist, wird es immer geben. Dann kommt der Punkt, an dem man sich schütteln muss. Das hat die Mannschaft dann in der Halbzeit geschafft", sagte Wolf.
Jatta bekommt Sonderlob vom Coach
Bei seinem Startelfdebüt in der laufenden Saison wusste Bakery Jatta zu überzeugen. Mit seinen unorthodoxen Aktionen stellte er Union Berlins Abwehr immer wieder vor Problemen. Zusätzlich bereitete er die zwischenzeitliche 2:1-Führung durch Lewis Holtby vor. "Er hatte sehr gute offensive Momente, war an wichtigen Szenen und einem Tor beteiligt", lobte HSV-Coach Wolf. "Ich bin erst mal zufrieden. Jetzt liegt es an ihm, gut zu regenerieren und den nächsten Schritt zu machen. Er muss seine Leistung jeden Tag bestätigen."
Holtby: "Der muss mit Rot vom Platz fliegen"
Es war der Aufreger kurz vor Schluss, der sogar für eine Rangelei unter den Spielern beider Mannschaften sorgte. Bakery Jatta hatte sich zum wiederholten Male gegen Unions Christopher Trimmel auf der linken Außenbahn durchgesetzt. Das schmeckte dem Verteidiger so gar nicht, weshalb er zu einem Tritt gegen Jatta ausholte. Auch wenn der Berliner den Flügelflitzer verfehlte, schon der Versuch ist strafbar und mit einem Platzverweis zu ahnden. Der ohnehin schwache Schiedsrichter Frank Willenborg aus Osnabrück bewertete die Szene jedoch anders und zückte nur die Gelbe Karte.
Eine Tatsachenentscheidung, die Holtby auf dem Platz wütend machte. Auch nach dem Abpfiff hatte sich sein Zorn im Stadioninnenraum noch nicht gelegt. "Eigentlich muss Trimmel, der gegen Baka nachgetreten hat, mit Rot vom Platz fliegen. In der Kreisklasse, da wo ich herkomme, kriegst du dafür Rot", sagte der Mittelfeldspieler, der diese Fehlentscheidung des Unparteiischen jedoch nicht als Ausrede gelten lassen wollte. "Der Schiedsrichter kann nichts dafür, dass wir am Ende 2:2 gespielt haben."
Tragischer Todesfall bei HSV-Remis
Im Rahmen des HSV-Spiels gegen Union Berlin ist ein Zuschauer gestorben. Wie die Polizei mitteilte, ist der Mann wegen gesundheitlicher Probleme zusammengebrochen und trotz sofort eingeleiteter Reanimationsmaßnahmen im Krankenhaus gestorben. Weitere Einzelheiten lesen Sie HIER.
Mitspieler vermissten „Big Man“ Lasogga
Schon beim Aufstehen am Spieltag merkte Pierre-Michel Lasogga (26), dass seine Wadenmuskulatur ihn zu einer unfreiwilligen Pause zwingt. Der Torjäger, der in allen vier Pflichtspielen unter Neu-Trainer Wolf an mindestens einem Tor beteiligt war, verfolgte die Partie mit seiner Freundin Sally (27) von der Tribüne – und fehlte seinen Mitspielern im Topspiel gegen Union Berlin (2:2) auf dem Rasen.
„Wenn man einen Ballermann wie ihn hat, dann ist das bitter, wenn er ausfällt. Er ist ein 'Big Man', der in der Zweiten Liga immer für Gefahr sorgen kann und immer Gegner bindet“, sagte Lewis Holtby, der als Torschütze für den schmerzlich vermissten Lasogga einsprang.
Einzelkritik: Jatta macht Dinge, die sonst keiner macht
Ex-Kapitän Gotoku Sakai sprach sogar von einem psychologischen Effekt, den der Lasogga-Ausfall mit sich brachte. „Mit Pierre hatten wir zuletzt ein sehr gutes Gefühl gehabt. Uns hat im Strafraum ein etwas clevererer Spieler so wir Pierre gefehlt.“
Daten belegen: Lasogga fehlte dem HSV
Für den verletzten Lasogga durfte der gelernte Stürmer Hee-chan Hwang von Beginn an ran. Mit dem quirligen Koreaner fehlte es dem HSV an Präsenz im Strafraum. Erst als er sich immer wieder fallen ließ, trat er in Erscheinung. Dadurch fehlte der Angreifer jedoch in der Spitze. Hwang gewann zwar 54 Prozent seiner Zweikämpfe und brachte 60 Prozent seiner Pässe zum Mitspieler, doch seine Hauptaufgabe, Tore zu schießen, vernachlässigte er. So kam er in 90 Minuten auf gerade mal zwei Abschlüsse.
„Wir spielen natürlich etwas anders ohne Lasogga, weil wir vielleicht einen Tick mehr Speed haben. Das haben wir glaube ich auch ganz gut ausgespielt. Unsere drei Angreifer hatten viele Aktionen“, sagte Kapitän Aaron Hunt, der den unglücklich agierenden Hwang in Schutz nahm. „Wir haben auch ohne Pierre ein gutes Spiel gemacht. Gerade in der zweiten Halbzeit. Da hatten wir auch viel Wucht nach vorne.“
Diesem Urteil schloss sich Sakai an: „Hee-Chan und Pierre sind zwei ganz unterschiedliche Spieler. Trotzdem hatte er gute Aktionen gehabt.“
Schlüsselszene: Hwang vergibt Entscheidung
Bei all den aufmunternden Worten für Hwang, wollten seine Mitspieler aber nicht verschweigen, dass der Leihspieler von RB Salzburg die Entscheidung auf dem Fuß hatte. Anstatt kurz vor Schluss zielstrebig auf das 3:1 zu gehen, schlug Hwang erst einmal drei Haken – wohl einen zu viel. Und so blieb Union Berlin im Spiel und erzielte im direkten Gegenzug den Ausgleich nach einer Hamburger Fehlerkette, in der vor allem Verteidiger Léo Lacroix indisponiert wirkte.
„Kurz vor dem Ausgleich haben wir die große Chance durch Hwang. Da müssen wir den Sack einfach zu machen“, sagte Sakai folgerichtig. Holtby bewertete die Schlüsselszene ähnlich: „Wir müssen das 3:1 machen. Dann ist der Sack zu und wir stehen anschließend vor der Kurve.“ Und auch Kapitän Hunt wusste: „Hee-Chan muss vielleicht das 3:1 machen. Dann ist das Spiel durch.“
Hwang statt Arp
Im Vorfeld der Partie entschied sich HSV-Trainer Hannes Wolf für Hwang statt Youngster Fiete Arp als Vertreter für Torjäger Lasogga. Eine Entscheidung, bei der Nuancen den Ausschlag gaben. „Das ist nie eine Entscheidung gegen einen Spieler, sondern immer für einen anderen. Hee-Chan kommt eigentlich von der ‘Neun’. Das war ursprünglich seine Stammposition. Er kann natürlich auch außen spielen. Wir haben uns aber für diese Variante entschieden“, sagte Wolf.