Hamburg. Nach der Entlassung von Trainer Titz blieben dessen Assistenten Kilian und Goebbels auch unter Wolf beim Team. Normal ist das nicht.
Die Rollenverteilung der HSV-Trainer war am Freitagvormittag klar zu erkennen. Während Chefcoach Hannes Wolf die Einheit drei Tage vor dem Zweitliga-Topspiel gegen Union Berlin am Montag (20.30 Uhr) dazu nutzte, auf dem Platz die taktischen Anweisungen zu geben, standen die Co-Trainer André Kilian und Maik Goebbels am Rand und führten in den Pausen Einzelgespräche mit den Spielern. Die Kompetenzen sind klar definiert im Trainerteam des HSV.
Dabei war diese Klarheit vor viereinhalb Wochen noch alles andere als klar. Sportvorstand Ralf Becker hatte drei Tage vor dem Spiel beim FC Magdeburg Trainer Christian Titz freigestellt. In den meisten Fällen werden im Fußball die Co-Trainer dann ebenfalls von ihren Aufgaben entbunden. Beim HSV war es diesmal anders. Kilian und Goebbels, die erst wenige Monate zuvor von Titz in das Trainerteam geholt worden waren, arbeiten nun an der Seite von Hannes Wolf – eine ungewöhnliche Konstellation. Ungewöhnlich auch deshalb, weil Kilian und Goebbels als enge Freunde von Titz gelten.
Kilian erklärt die Hintergründe
Viereinhalb Wochen später spricht mit André Kilian nun erstmals einer der beiden Co-Trainer über den Wechsel und die Folgen. „Hannes hat es uns leicht gemacht. Das ist sicher nicht alltäglich. Für Maik und mich war das ein durchweg positiver Start“, sagt Kilian im Gespräch mit dem Abendblatt. Der 31-Jährige erinnert sich, wie er an jenem Dienstagmorgen von Sportchef Becker über die Trennung von Titz telefonisch informiert wurde. Doch anstatt auch ihm die Freistellung auszusprechen, fragte Becker Kilian, ob er sich vorstellen könne, auch unter Wolf zu arbeiten. Gleiches fragte er Goebbels.
„Der Verein hat sich zu uns bekannt, und auch für Maik und mich war dann schnell klar, dass wir voll dabei sind“, sagt Kilian. Schon an jenem Nachmittag saßen die drei das erste Mal im Volkspark zusammen und besprachen die Vorbereitung für das Magdeburg-Spiel. Für Kilian keine leichte Aufgabe. Schließlich schmerzte ihn die Trennung von Titz.
„Das war eine besondere Situation, weil ich auch nicht damit gerechnet hatte. Natürlich war das zunächst ein bedrückendes Gefühl“, gibt Kilian offen zu. Daher suchte er auch gleich das Gespräch mit dem gerade freigestellten Titz. Der war von Becker bereits informiert worden, dass der HSV gerne mit seinem Co-Trainer weiterarbeiten wollen würde. Zum einen, weil Wolfs langjähriger Co-Trainer Miguel Moreira nicht zur Verfügung stand, zum anderen, weil der Vorstand von der Arbeit der Titz-Assistenten überzeugt war.
Titz wollte, dass Kilian beim HSV bleibt
Titz selbst signalisierte, dass sich Kilian seinetwegen nicht sorgen müsse. „Er hat klar gesagt, dass ich weitermachen soll“, sagt Kilian. Leicht gefallen sei ihm der Schritt dennoch nicht. „Ich bin mit Christian seit acht Jahren befreundet, habe ihm viel zu verdanken, er hat mich hierhergeholt. Die Trennung war auf der einen Seite natürlich enttäuschend, auf der anderen Seite geht es immer um die Sache und nicht um Personen. Es geht um Fußball und den HSV.“
Für Kilian war es zudem keine neue Situation. Trotz seines jungen Alters erlebte er in seinem ersten Jahr als Co-Trainer beim FC Homburg eine identische Situation. Im Frühjahr 2017, als Kilian noch selbst in Homburg in der Regionalliga spielte, machte ihn Jens Kiefer zum Co-Trainer. Nur drei Wochen später wurde Kiefer durch Jürgen Luginger ersetzt, doch Kilian blieb dem neuen Trainer als Assistent erhalten. Ein Jahr später holte ihn Titz zum HSV.
Hannes Wolf ist nun bereits der vierte Cheftrainer innerhalb von eineinhalb Jahren, mit dem Kilian zusammenarbeitet. Anpassungsprobleme gab es keine. Auch weil beide aus dem Ruhrgebiet kommen. Schalkes A-Jugendtrainer Norbert Elgert gilt für beide als Vorbild, zudem kennen sie viele Spieler aus der Region. „Das hilft, sich schnell aneinander zu gewöhnen und eine hohe Wertschätzung füreinander zu entwickeln. Wir hatten von Anfang an eine gute gemeinsame Basis“, sagt Kilian, der in der Jugend lange für Schalke spielte, während Wolf mehrere Jahre als Jugendtrainer bei Borussia Dortmund arbeitete.
Kilian ist BVB-Fan
Was auf Schalke kaum jemand wusste: Kilian war als Jugendlicher schon immer BVB-Sympathisant, schlief sogar in Dortmund-Bettwäsche und musste das BVB-Emblem auf seinem Handy damals immer verstecken. André Kilians Zwillingsbruder Tim war dagegen Schalke-Fan. Zusammen spielten sie acht Jahre im 04-Nachwuchs.
Als Hannes Wolf mit der Dortmunder U 17 und der U 19 jeweils die deutsche Meisterschaft gewann, wurde auch Kilian aufmerksam auf Wolfs Erfolge. Persönlich kennengelernt hatten sich die beiden bis vor Kurzem aber noch nicht, weil Kilian in Wolfs Dortmunder Zeit zunächst in der Ersten Liga Australiens und dann in Homburg spielte, ehe er sich entschied, frühzeitig in den Trainerjob einzusteigen. Nun arbeiten die beiden Jungs aus dem Ruhrpott im hohen Hamburger Norden zusammen.
Es ist eine Verbindung, die passt. „Hannes ist als Trainertyp sehr geradlinig und akribisch“, sagt Kilian über Wolf. „Er legt viel Wert auf die Basiseigenschaften wie Fleiß, Arbeitswille und Disziplin, gerade im Umgang mit jungen Spielern. Da kann er strikt sein.“
Das Trainerteam, zu dem neben Kilian und Goebbels auch weiterhin Marinus Bester und Analyst Alexander Hahn gehören, hat sich schnell gefunden. Anfang des Jahres soll geklärt werden, ob die Zusammenarbeit auch eine langfristige Perspektive hat. Die Verträge von Kilian und Goebbels gelten nur bis Saisonende. „Irgendwann kommt der Zeitpunkt, dass wir uns zusammensetzen und über die Zukunft sprechen“, sagt Kilian. Vorstellen kann er sie sich. „Nach vier Wochen können wir zumindest sagen, dass wir gut zueinander passen.“