Hamburg. Topspiel gegen Köln gewonnen, Tabellenführer St. Pauli gestürzt: Der HSV-Matchwinner hat eine Ansage an die Konkurrenz.
Es war 22.21 Uhr, als der Mann des Tages (und der vergangenen Tage) die Arme in den Nachhimmel riss und dem gerade erst eingewechselten Bakery Jatta um den Hals fiel. Pierre-Michel Lasogga, der zum 1:0-Sieg in Magdeburg aufgelegt und zum 3:0-Sieg in Wehen-Wiesbaden doppelt getroffen hatte, hatte es also wieder getan: Sein spätes Tor fünf Minuten vor Schluss war der Schluss- und Höhepunkt eines Fußballabends, den Hamburg schon lange nicht mehr erlebt hatte. 1:0 gewann der HSV damit gegen Köln – und grüßt ab sofort als Spitzenreiter der 2. Bundesliga.
"Es war ein sehr schöner Abend, wir haben drei wichtige Punkte geholt", sagte der neue HSV-Trainer Hannes Wolf nach seinem erfolgreichen Heimdebüt am Sky-Mikrofon: "Wir hatten eineinhalbmal Glück, aber im Großen und Ganzen war das ein verdienter Sieg." Der dritte im dritten Spiel unter seiner Führung – keiner seiner Vorgänger ist so erfolgreich gestartet. Allerdings ist auch keiner seiner Vorgänger in der Zweiten Liga gestartet, wie Wolf selbst anmerkte.
Czichos' elfmeterwürdiges Handspiel
Die Vorfreude auf dieses Topspiel, das doch eigentlich wie eine pünktlich zum Karneval am 11.11. verkleidete Erstligapartie daherkam, war bereits im Vorfeld kaum zu übersehen, zu überhören oder auch zu überlesen. Sogar die sonst so zurückhaltende „Süddeutsche Zeitung“ erklärte die Begegnung am Montag kurzerhand zum „vielleicht spektakulärsten Zweitligaduell der Historie“.
53.876 Zuschauer, darunter rund 4000 mitgereiste Kölner und 200 Journalisten, wollten da vor dem Anpfiff nicht widersprechen – und taten es nach knapp einer halben Stunde doch: Nach der nicht wirklich erstklassigen Anfangsphase musste man eher vom langweiligsten aller spektakulärsten Zweitligaduelle der Historie sprechen. Die einzigen Aufreger: Ein Handspiel (15.) von Rafael Czichos im eigenen Strafraum, für das es aber genauso wenig einen Strafstoß gab wie für ein vermeintliches Czichos-Foul gegen Hamburgs neuen Serienstar Pierre-Michel Lasogga (26.). Entscheidung Nummer eins: eher falsch, Entscheidung Nummer zwei: definitiv richtig.
Arp scheitert am Pfosten
Definitiv überraschend war es, als sich Fiete Arp nach handgestoppten 27 Minuten und 24 Sekunden dann doch die erste richtige Torchance des Spiels erarbeitete. Der Youngster, der erneut auf dem von ihn ungewohnten linken Flügel ran musste, zog beherzt nach innen, traf aber nur den Pfosten. Und trotzdem: Es war die größte und neben einem Schuss durch Khaled Narey (15.) einzige Tormöglichkeit in Halbzeit eins.
Und Kölns 13-Tore-Stürmer Simon Terodde und Hamburgs Fünf-Treffer-Torjäger Lasogga? Kaum gesucht, kaum gesehen. Nach offiziellen DFL-Angaben glänzte Terodde mit gerade einmal fünf Ballbesitzphasen im ersten Durchgang, während Soap-Hauptdarsteller Lasogga immerhin eine Nebenrolle auf dem Platz ergattern konnte. Ex-HSV-Trainer Thomas Doll war dennoch zufrieden. „Der HSV macht es mit dem Ball ganz vernünftig“, sagte Doll bei Sky. „Mich hat nur überrascht, dass Köln so wenig nach vorne macht. Vielleicht sind sie auch mit einem Punkt zufrieden.“
Warme Worte für Titz
Dass sich der HSV dagegen auf keinen Fall beim Heimspieldebüt von Dolls Kollegen Hannes Wolf mit einem Unentschieden begnügen würde, machten die Hamburger ab dem Wiederanpfiff zum zweiten Durchgang sehr deutlich – ohne sich dabei allerdings zunächst echte Torchancen zu erspielen. Die hatte auf der Gegenseite dafür Kölns Marco Höger, dessen Schuss Narey für den bereits geschlagenen Julian Pollersbeck gerade noch von der Linie kratzte (58.).
Immerhin, die Partie wurde nun mehr und mehr zu dem, was die beiden Clubs in der kommenden Saison auch ganz formell sein wollen: erstklassig. Kein Vergleich mehr zu den vergangenen drei Heimspielen unter Ex-Trainer Christian Titz, als dem HSV kein Sieg und kein Tor gegen Regensburg (0:5), St. Pauli (0:0) und Bochum (0:0) gelingen wollte. Ein paar nette Abschiedsworte von den Anhängern gab es trotzdem: „Christian Titz – ein Trainer mit Herz“ stand auf einem Plakat.
Lasogga steht, wo ein Stürmer stehen muss
Dieses Herz nahm Titz‘ frühere Mannschaft nun buchstäblich von Minute zu Minute mehr in die Hand. Doch weil auch ein Fallrückzieher Nareys (65.) und ein beherzter Sololauf von Santos (67.) nicht zum so erhofften Führungstreffer führten, reagierte Wolf und brachte Hee-chan Hwang. Und der Südkoreaner brauchte nur sechs Minuten auf dem Platz, um sich die dahin beste Torchance zu erarbeiten – und diese ebenso zu vergeben (74.).
Egal. Denn wie man es besser macht, zeigte kurz vor Schluss ausgerechnet derjenige, der in den vergangenen Tagen ohnehin schon in aller Munde war: Lasogga, Pierre-Michel. Nach einem erneuten Santos-Solo zeigte der Fußballer, dass er nur eines noch besser kann als Doku-Soaps: Tore schießen. "Ein Stürmer muss eben da stehen, wo der Ball hinfällt", sagte er später lapidar.
Es war der Schlusspunkt einer herausragenden zweiten Halbzeit, die wenig später dreifach belohnt werden sollte. Erstens: Heimsieg. Zweitens: St. Pauli überholt. Und drittens: Tabellenführung. „Die Spitze wollen wir bis zum 34. Spieltag verteidigen“, sagte Lasogga glücklich. Kann man ja mal versuchen.