Hamburg. Kölns Simon Terodde und Hamburgs Pierre-Michel Lasogga sind ähnlich und doch verschieden. Heute treffen sie aufeinander.

Es sind gerade einmal 56,5 Kilometer – und doch zwei völlig unterschiedliche Welten. Hier Gladbeck, 75.000 Einwohner, Ruhrgebiet, Lasogga-Land. Dort Bocholt, 72.000 Einwohner, Grenzstadt zu den Niederlanden, Terodde-Heimat. Über die A2 braucht man von Lasoggas Geburtsstadt Gladbeck zu Teroddes Herkunftsort Bocholt mit dem Auto gerade einmal 40 Minuten – und doch legen Hamburgs Stürmer und Kölns Torjäger vor ihrem ersten Aufeinandertreffen überhaupt an diesem Montagabend (20.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) Wert darauf, dass 56,5 Kilometer entscheidend sein können. Natürlich kann, soll und muss man ihn als „Kind des Ruhrgebiets“ bezeichnen, sagt Lasogga, während Terodde darauf besteht, ein echter Westmünsterländer zu sein.

„Mir war gar nicht so klar, dass Simon und ich so nah aneinander aufgewachsen sind“, sagt Lasogga zum Abendblatt. „Aber richtig kennengelernt habe ich Simon ehrlich gesagt erst, als ich für Hertha und er für Union Berlin gespielt hat. In Berlin haben wir uns ab und zu getroffen. Ich freue mich total, ihn nun im Volkspark wiederzusehen.“

Duell der Super-Torjäger

Die Freude beruht auf Gegenseitigkeit. „Wir sind ähnliche Typen, profitieren von einer Mannschaft, die offensiv ausgerichtet ist und leben von den Zuspielen unserer Teamkollegen“, sagt Terodde, der schwärmt: „Pierre ist sehr robust, im Strafraum sehr gefährlich.“ Die Blumen gibt Lasogga umgehend zurück: „Simon ist ein ganz bodenständiger Typ, der einfach das Fußballspielen liebt. Er ist ein Super-Torjäger.“

Simon  Terodde (30, 17 Pflichtspieltore in dieser Saison) hat beim letzten Besuch im Volkspark schon doppelt getroffen.
Simon Terodde (30, 17 Pflichtspieltore in dieser Saison) hat beim letzten Besuch im Volkspark schon doppelt getroffen. © Witters

Das Duell der Super-Torjäger also. Auf der einen Seite Kölns Top-Scorer, der in dieser Spielzeit bereits 17 Pflichtspieltreffer erzielt hat, also alle 54 Minuten trifft. 15 von 17 Toren erzielte der FC-Angreifer mit einem Ballkontakt.

Auf der anderen Seite Hamburgs Vollblutstürmer, der auch schon neun Tore in der Liga und im Pokal erzielt hat, dabei alle 79 Minuten trifft. Und auch Lasogga hat acht von neun Treffern mit dem ersten Ballkontakt vollstreckt. „Keine Frage, bei mir würde er immer spielen“, sagt anerkennend Uwe Seeler, die Mutter (oder besser: der Vater) aller Torjäger. In der „Hamburger Morgenpost“, sagt die Ur-Nummer Neun, die heute Abend im Volksparkstadion seinen 82. Geburtstag feiert: „Einen Stürmer mit seinen Qualitäten kann man einfach nicht auf die Bank setzen. Dafür ist er viel zu wertvoll.“

Parallelen zwischen den beiden

Wie wertvoll Lasogga für hüben und Terodde für drüben sind, kann aber wahrscheinlich kein anderer so gut beurteilen wie Hannes Wolf. Der neue HSV-Trainer, dessen erste Amtshandlung es war, Lasogga von der Bank in die Startelf rotieren zu lassen, hat auch Terodde anderthalb Jahre in Stuttgart trainiert. „Das sind beides sehr, sehr gute Neuner“, sagt er. „Sie haben das Gespür, die Körperlichkeit und auch die Effektivität. Da gibt es durchaus Parallelen.“

Doch obwohl Wolf voll des Lobes für die Sturmbullen der alten Schule ist, „die besonders in der Box wissen, was sie tun“, hat seine Liebe für den traditionellen Stürmertypus offenbar auch Grenzen. So setzte der frühere Stuttgarter im Aufstiegsjahr 2016/17 mit dem VfB voll auf Terodde, um ihn dann trotz 25 Saisontreffern nach der Rückkehr in die Bundesliga doch zum Edeljoker zu degradieren. „Ich habe trotzdem nur gute Erinnerungen an ihn. Und ich denke, dass er auch gute Erinnerungen an mich hat“, sagt Wolf. „Simon hat in Stuttgart im Aufstiegsjahr den ganzen Verein Huckepack genommen.“

Eine Rolle, die Terodde in dieser Saison auch für den FC übernehmen soll. Und Lasogga für den HSV. Die beiden Fußballer sind sich auf den ersten Blick so ähnlich, dass man ihre Unterschiede erst auf den zweiten Blick erkennt. „Ich war nie der Lautsprecher“, sagt Terodde, dem auch zur neuen „bild.de“-Dokusoap „Die Lasoggas – eine fast normale Fußballfamilie“ auf Nachfrage nicht viel einfällt. „Für mich ist es immer wichtig, auch ein wenig Ruhe reinzubringen“, sagte der 30-Jährige mal.

Lasogga: prollig und schüchtern zugleich

Und Lasogga? „Wir sind so, wie wir sind. Wir verstellen uns nicht, sind auch verrückt“, sagt der 26-Jährige, dessen extrovertierte Mama Kerstin spätestens durch die „Bild“-Serie zur berühmtesten Ferrari-Fußball-Frau des Potts geworden ist. Ihr denkwürdigster Seriensatz zu einem Taxifahrer in Leeds: „You make Stadtrundfahrt.“

So laut, schrill und auch prollig Lasogga durch die Doku daherkommt, so schüchtern und introvertiert soll er in Wahrheit sein. Genauso wie übrigens auch Terodde. Beide werden von Bekannten als liebevolle Familienväter beschrieben. Zur Großfamilie Lasogga gehört seit einem Jahr Töchterchen Milou, Familie Terodde wird durch Tochter Milla (2) und seit dreieinhalb Monaten durch Sohnemann Len komplettiert.

Welcher Sturmgigant ist der größere?

Doch anders als Lasogga, der keine Probleme damit hat, sich, seinen Clan, seine Autos und sein Leben außerhalb des Platzes zur Show zu stellen, beschränkt sich Terodde in erster Linie auf das Geschehen auf dem Platz. Und das gelingt dem Angreifer seit mindestens vier Jahren wie kaum einem anderen Stürmer in Deutschland. In der Saison 2014/15 war er mit 16 Treffern zweitbester Torschütze der Zweiten Liga, 2015/16 und 2016/17 war er jeweils der Top-Torjäger. Und auch in dieser Saison dürfte kaum ein Weg am Kölner vorbeiführen.

Oder doch nicht? Tatsächlich wollte FC-Trainer Markus Anfang sich im Vorfeld des Spitzenspiels nicht festlegen, ob er gegen den HSV Jhon Cordoba das Vertrauen schenkt oder doch dem 13-fachen Torjäger Terodde. Oder: beiden. „Es gibt auch die Option“, sagt Anfang, „dass beide spielen.“

Lasogga würde sich über ein Treffen mit Terodde auf dem Platz jedenfalls freuen. „Vom Prinzip her sind wir Spielertypen“, sagt er, „die ihre Tore in der Box erzielen und die Tore schießen, die manch ein anderer vielleicht nicht schießen würde.“ Doch wer von den Sturmgiganten ist nun der größere? Die Antwort wollen Lasogga (1,89 Meter groß) und Terodde (1,92 Meter) heute Abend im Stadion liefern. Manchmal sind es eben die kleinen Unterschiede, die den großen Unterschied ausmachen.