Wiesbaden/Hamburg. Das Spiel in Wiesbaden stand kurz vor dem Abbruch. HSV-Torjäger Lasogga zitterte deshalb vor den eigenen Fans.

Als das HSV-Training am frühen Mittwochmittag beendet war, hatte Neu-Trainer Hannes Wolf ein echtes Problem: Seine Jacke. War weg. Einfach so. „Hat die jemand gesehen?“, fragte der irritierte Coach nach der Einheit in die Runde. „Hat die irgendjemand mitgenommen?“

Um es kurz zu machen: Ja. Und ja. Physiotherapeut Zacharias Flore hatte Wolfs Arbeitskleidung tatsächlich zurück in die Kabine mitgenommen. Und die noch bessere Nachricht: Ein weiteres Problem hatte der HSV-Trainer nach seinem zweiten Sieg im zweiten Spiel auch nicht. „Natürlich hat mir gefallen, dass wir gegen Wehen-Wiesbaden gleich mit 3:0 gewonnen haben. Ich habe zwar nicht nachgeguckt, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Wiesbaden in den vergangenen 50 Heimspielen mal 0:3 verloren hat.“

Hätte Wolf nachgeguckt, hätte er gewusst, dass es nur 39 Heimspiele waren. Doch nach zwei Auftaktsiegen will man ja nicht päpstlicher sein als der Papst. Das gilt im Übrigen auch für den Auftritt der Hamburger in Wiesbaden, der trotz des Erfolgs noch einiges zu wünschen übrig ließ. „Natürlich gibt es viele Dinge, die man als Trainer ansprechen kann und die man besser machen muss“, sagte Sportchef Ralf Becker, der aber ein positives Fazit zog: „Pokal ist immer eine heiße Kiste. Es ist alles okay – weitergekommen und analysieren.“

Lasogga ist plötzlich wieder wichtig

Die Analyse fiel einen Tag nach dem Sieg kurz aus: „Pierre hat zwei Tore gemacht. Aber nicht nur das. Er hat auch gut kombiniert und gearbeitet. Er war ein wichtiger Teil dieses Sieges“, lobte Wolf, der nur zu gut wusste, dass er sich nach dem Einzug ins Achtelfinale in aller erster Linie bei Pierre-Michel Lasogga bedanken konnte. „Ich bin schon froh über seine Leistung in den beiden Spielen gegen Wiesbaden und Magdeburg. Aber wir fangen ja gerade erst an.“

Lasogga selbst war bemüht, den Ball flach zu halten. „Manchmal spürt man einfach ein bisschen das Vertrauen. Das tut jedem Spieler gut“, sagte der „Man of the Match“. „Das Vertrauen spüre ich momentan, und das sieht man auch auf dem Platz.“ Anders als unter dem beurlaubten Christian Titz darf Lasogga wieder eine Hauptrolle beim HSV spielen. Die spielt der Sturmbulle übrigens derzeit auch abseits des Platzes.

So ist der 26-Jährige bei einer sogenannten Fußball-Soap mit dem vielversprechenden Namen „Die Lasoggas – eine fast normale Fußball-Familie“ bei „bild.de“ zu sehen. Eine Art „Die Geißens“ der Zweiten Liga. Lasogga (und seine Mutter) am Strand, beim Tischtennis, im Luxusauto, beim Golfen – und beim Fußball. „Ich bin froh, dass ich diese Mentalität des Ruhrgebiets in mir habe“, sagt Lasogga in der Online-Doku.

Lasogga zitterte wegen eigener Fans

Im ganz realen Leben musste Lasogga am Dienstagabend trotz seiner beiden Tore lange Zeit um den Sieg zittern, was allerdings auch eher mit Geschehnissen abseits des Rasens zu tun hatte. Gleich mehrfach hatten HSV-Ul­tras gezündelt. Nach dem dritten Feuerwerk im Anschluss an Lasoggas Tor zum vorentscheidenden 2:0 (51.) hatte Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck endgültig genug. Der Unparteiische unterbrach die Begegnung für gut fünf Minuten und ließ über Lautsprecher ausrichten, dass er das Pokalspiel bei einem weiteren Vergehen abbrechen würde.

„Ich habe in der letzten halben Stunde gezittert“, sagte Lasogga. „Man denkt: ‚Komm! Lass die Dinger mal aus.‘ Der Schiedsrichter geht rein und redet von Abbruch. Irgendwann ist der Spaß vorbei. Pyrotechnik, das muss man einfach mal so sagen, ist Schwachsinn.“

So wollte es DFB-Präsident Rainhard Grindel, der ebenfalls in Wiesbaden zu Gast war, nicht ausdrücken. Deutlich wurde Grindel auf Abendblatt-Nachfrage aber schon: „Der DFB wird jetzt auf die Liga zugehen und über geeignete Maßnahmen sprechen, um für mehr Sicherheit zu sorgen. Entsprechende Konzepte müssen gemeinsam von DFB, DFL und Liga getragen und konsequent umgesetzt werden.“

HSV drohte Niederlage am grünen Tisch

Der DFB-Kontrollausschuss ermittelt – und tatsächlich hätte dem HSV laut Rechts- und Verfahrensordnung des DFB bei einem Abbruch eine Niederlage am grünen Tisch gedroht. Grindel schränkte aber ein: „Ich sehe das nicht allein als ein HSV-Problem, sondern wir beobachten allgemein diese Fälle, in denen Gewalttäter die Plattform des Fußballs für ihre Zwecke missbrauchen.“

Und Wolf? Der wollte am Tag danach den Pyromanen keine zu große Plattform bieten („Ich wünschte mir, dass das Feuer ausbleibt. Ich weiß nicht, was das bringt“). Lieber freute sich der Coach über seinen zweiten Sieg („Am Montag wollen wir auch gegen Köln was Cooles machen“), Lasoggas Tore – und vor allem seine wiedergefundene Jacke.