Hamburg. Dem HSV droht Rekordminus von mehr als 20 Millionen Euro. Da wäre ein Pokalsieg gegen Wehen-Wiesbaden willkommen.

Wenn man einen Preis für die abgedroschenste Fußballfloskel ausloben würde, dürfte sich die Phrase „Der Pokal hat seine eigenen Gesetze“ (1) sicher Hoffnungen machen. In direkter Konkurrenz zu „Ein Spiel hat 90 Minuten“ (2) und „Das nächste Spiel ist immer das wichtigste“. (3) Doch während Plattitüde Nummer zwei längst widerlegt ist (die meisten Spiele dauern 94 Minuten) und Binsenweisheit Nummer drei nur für ein WM-Endspiel, Champions-League-Finale oder im HSV-Fall Relegationsspiel gilt, darf Banalität Nummer eins immerhin den Anspruch auf eine gewisse Korrektheit für sich beanspruchen. Zumindest in finanzieller Hinsicht. Denn monetär haben Pokalspiele tatsächlich ihre eigenen Gesetze.

Gipfeltreffen: HSV und Kühne treffen sich im November

Der HSV durfte sich beispielsweise nach dem eher schmeichelhaften 5:2-Sieg in der ersten Pokalrunde gegen Fünfligist Erndtebrück über die festgeschriebene DFB-Prämie von 332.000 Euro freuen. Und sollten die Hamburger auch an diesem Dienstag (20.45 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) das nächste und damit wichtigste Spiel (3) beim Drittligisten Wehen Wiesbaden in möglichst 90 Minuten (2) siegreich gestalten, vielleicht aber auch erst nach 120 Minuten, dann stünden dem Club laut Pokalgesetz (1) 664.000 Euro zu. Im Hinblick auf die zusätzlichen Achtelfinal-Zuschauereinnahmen, die im Pokal allerdings geteilt werden müssen, dürfte man folglich von einem echten „Millionenspiel“ sprechen (und schreiben), das der HSV an diesem Abend bestreitet.

Doch Vorsicht ist bekanntlich besser als Nachsicht. Und so haben die Clubverantwortlichen aufgrund der akuten Pokalschwächeritis der vergangenen Jahre, in denen der HSV seit 2009 nur zweimal ein Viertelfinale erreichen konnte, proaktiv lediglich das Erreichen der zweiten Runde budgetiert. Einen Tadel wird sich Neu-Trainer Hannes Wolf vermutlich aber nicht holen, wenn der Nachfolger von Christian Titz im zweiten Spiel seinen zweiten Sieg feiern wird und das Achtelfinale erreicht.

Erfolg aus finanzieller Sicht wichtig

Ganz im Gegenteil. Denn wie wichtig vor allem aus finanzieller Sicht ein Erfolg in Wiesbaden wäre, machte HSV-Vorstandschef Bernd Hoffmann bereits am Sonntagabend sehr deutlich. „Wir haben eine dramatische wirtschaftliche Situation“, gab der Clubchef im NDR-Sportclub offen zu. Was er aber nicht sagte, ist, wie dramatisch diese Situation tatsächlich ist: Nach Abendblatt-Informationen wird der Club Mitte November ein Millionenminus des abgelaufenen Geschäftsjahrs von fünf bis sieben Millionen Euro bekannt geben.

Doch das Adjektiv „dramatisch“ verdient sich die wirtschaftliche Situation so richtig erst in dieser Zweitligasaison. Denn wie dem Abendblatt vom HSV bestätigt wurde, steuert der Club im laufenden Geschäftsjahr auf ein Rekordminus von weit mehr als 20 Millionen Euro hin. Hauptgrund für diese alarmierenden Zahlen ist natürlich der Abstieg und die damit zwangsläufig verbundenen Abschreibungen an Spielerwerten.

Der Einzug in die nächste Pokalrunde wäre bei derartigen Summen zwar nur der floskelhafte Tropfen auf dem heißen Stein. Doch um im Bilde zu bleiben: Jeder Tropfen ist derzeit wichtig.

Gespräche mit Kühne intensiviert

Tatsächlich lassen die HSV-Verantwortlichen derzeit nichts unversucht, um die angespannte Finanzlage in den Griff zu bekommen. Wie das Abendblatt erfuhr, wurden auch die Gespräche mit dem zuletzt verärgerten HSV-Investor Klaus-Michael Kühne wieder intensiviert. Noch im November soll es ein Gipfeltreffen mit dem Milliardär geben. Da soll erneut über eine Vertragsverlängerung der Stadionnamensrechte (läuft im Sommer aus) verhandelt werden. Zuletzt soll Kühne angedeutet haben, sich nun doch eine Verlängerung für zunächst ein Jahr vorstellen zu können. Für eine Stellungnahme war der HSV-Anteilseigner aber nicht zu erreichen.

Allerdings läuft im kommenden Sommer nicht nur der Vertrag um die Namensrechte am Stadion aus. Auch die Vereinbarung mit Hauptsponsor Emi­rates gilt nur noch in dieser Spielzeit. Und als wenn dies alles nicht schon anspruchsvoll genug wäre: Auch die Fan­anleihe von 17,5 Millionen Euro ist ab kommenden Sommer fällig.

Puh. Doch es kommt noch besser. Oder in diesem Fall: noch schlechter. Denn nach den Saus-und-Braus-Zeiten der vergangenen Jahre, als besonders unter Dietmar Beiersdorfer geprasst wurde, ist – Stand jetzt – sogar ein Liquiditätsengpass im Frühling 2019 zu befürchten. „Wir sind noch ein ganz massiver Krisenclub“, sagte Hoffmann, der damit – bewusst oder unbewusst – den Ball von Vorgänger Heribert Bruchhagen aufnahm. Der Ex-Clubchef wurde nicht müde zu betonen, dass der HSV eben kein Krisenclub sei.

Dem HSV droht im Frühling ein Liquiditätsengpass

Nun denn. Wichtiger als die Frage, ob der HSV noch immer ein Krisenclub (Hoffmann) oder kein Krisenclub (Bruchhagen) sei, ist an diesem Abend die Beantwortung der Frage, ob der HSV (ohne den angeschlagenen Hee-chan Hwang) ein Achtelfinalclub sein wird. Doch bevor man sich in Hamburg zu große Gedanken um die nächste Runde macht, soll zunächst die Aufmerksamkeit der aktuellen Runde gelten. Sie wissen ja: Der Ball ist rund – und das nächste Spiel ist und bleibt das wichtigste.

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

Wehen Wiesbaden: Kolke – Kuhn, Mockenhaupt, Dams, Mintzel – Lorch, Titsch Rivero – Shipnoski, Schwadorf – Schäffler, Kyereh.

HSV: Pollersbeck – Sakai, Lacroix, van Drongelen, Santos – Mangala – Narey, Hunt, Holtby, Ito – Lassogga.