Hamburg. Der neue HSV-Trainer will kein Revolutionär sein und setzt auf die von seinem Vorgänger Christian Titz erarbeiteten Grundlagen.

Am Sonntag ging es ruhig zu im Volkspark. Zwei Tage nach dem 1:0-Erfolg in Magdeburg bereitete Hannes Wolf seine Mannschaft mit lockeren Passübungen auf das anstehende DFB-Pokalspiel bei Drittligist Wehen Wiesbaden (Dienstag, 20.45 Uhr/Sky und im Abendblatt-Liveticker) vor. Rund 150 Fans kamen in den Volkspark, um sich ein Bild vom HSV unter dem neuen Trainer zu machen. So richtig schlau wurden sie nach der knapp einstündigen Einheit aber nicht, was Wolf am Spiel der Hamburger im Vergleich zu Vorgänger Christian Titz nun eigentlich verändert hat.

Bei seinem Debüt in Magdeburg wurde deutlich, dass Wolf nicht alles, was Titz erarbeitet hat, auf links drehen, sondern nur Kleinigkeiten an der taktischen Ausrichtung der Mannschaft modifizieren will. Um defensiv kompakter zu stehen und offensiv mehr Torgefahr zu entwickeln, agierten die Außenverteidiger Gotoku Sakai und Douglas Santos zentraler als zuvor; die Flügelstürmer Khaled Narey und Hee-Chan Hwang sollten dagegen die gesamte Breite des Platzes nutzen.

Pollersbecks neue Rolle beim HSV

Torhüter Julian Pollersbeck rückte weiter zurück und wurde nicht mehr wie bei Titz als verkappter Libero ins Aufbauspiel mit einbezogen. Der U21-Europameister hatte mit 44 Ballkontakten halb so viele Aktionen wie zuletzt (im Schnitt 82). Da er nun nicht mehr alles spielerisch lösen, sondern auch mal den langen Ball schlagen soll, verschlechterte sich seine Passquote von durchschnittlich 86 auf 71 Prozent.

Als einzige personelle Änderung Wolfs rückte Pierre-Michel Lasogga, der sowohl im Angriff als auch bei gegnerischen Standards für mehr Körperlichkeit sorgte, neu ins Team. Auf weitere grundlegende Umstellungen verzichtete der neue HSV-Coach. „Ich bin nicht hier, um eine Revolution zu machen“, sagte Wolf, der die Arbeit seines Vorgängers im körperlichen Bereich lobte. „Es liegt eine gute Substanz vor, an der Fitness ist gut gearbeitet worden.“

HSV ist unter Wolf weniger konteranfällig

Anders als bei den zahlreichen Trainerwechseln in der jüngeren Clubgeschichte hat der neue Chefcoach keine verunsicherte Mannschaft vorgefunden, die dringend gravierende Veränderungen benötigt. Vielmehr will Wolf den Spielern seine persönliche Note mitgeben – und die sieht vor allem vor, Spiele wie in Magdeburg über den Kampf zu gewinnen. „Die Partie verlief ganz nach meinem Geschmack“, sagte der 37 Jahre alte Bochumer. „Wir haben aber auch Fußball gespielt.“

Mit seinem knappen Sieg zum Einstand, der mit dem Sprung auf Tabellenplatz zwei belohnt wurde, ist Wolf zufrieden. Im Spiel nach vorne hat der neue Trainer allerdings noch viel Arbeit vor sich. Denn durch seine geringe Anzahl an neuen Impulsen ist eine alte Schwäche, die schon unter Titz deutlich war, weiterhin unverkennbar: Auch in Magdeburg tat sich der HSV beim Erspielen von Großchancen schwer.

Im Angriff hat der HSV Probleme

Offensiv fehlt es der Mannschaft nach wie vor an Tempo und Ideen. Die Problematik beginnt schon in der Abwehr. Da Torwart Pollersbeck nicht mehr so stark in den Spielaufbau involviert ist, lastet mehr Verantwortung auf den Schultern des Innenverteidiger-Gespanns Rick van Drongelen und David Bates. Die beiden robusten Abwehrrecken offenbaren im Passspiel jedoch große Probleme, schieben sich die Bälle daher oftmals quer zu. Die vermeintlichen Kreativposten im Mittelfeld, Lewis Holtby und Aaron Hunt, wirken seit Wochen mit ihrer Rolle überfordert.

Erst, als Magdeburg in Überzahl nach dem Platzverweis gegen Bates mutiger nach vorne spielte und dadurch die Defensive vernachlässigte, boten sich dem HSV mehr Räume wie beim Siegtreffer durch Khaled Narey. Doch auswärts lief es auch unter Ex-Trainer Titz, mit dem das Team zuvor zehn von zwölf möglichen Punkten in der Fremde geholt hatte.

Fans kritisieren Clubboss Hoffmann wegen des Titz-Rauswurfs
Fans kritisieren Clubboss Hoffmann wegen des Titz-Rauswurfs © imago | Jan Huebner/Taeger

Immerhin scheint der HSV unter Wolf nicht mehr so konteranfällig wie im vorherigen Saisonverlauf zu sein. Durch eine geschickte Besetzung der Räume wirken die Hamburger nun defensiv kompakter. Hatten die Gegner in der Zweiten Liga bislang immer mindestens eine hochkarätige Torchance, ließ der HSV beim Aufsteiger aus Sachsen-Anhalt fast nichts zu.

Harmloses Offensivspiel des HSV

Das Hauptproblem der Hamburger, das zuletzt überwiegend harmlose Offensivspiel zu verbessern, aber bleibt. Inmitten einer englischen Woche hat Wolf jedoch kaum Zeit, daran zu feilen. Im Pokal gegen Wiesbaden will der HSV-Coach deshalb auf Experimente verzichten, damit sich seine Mannschaft einspielen kann. Während sein Vorgänger Titz viel rotiert und sich dadurch interne Kritik vom Vorstand eingehandelt hatte, wird Wolf am Dienstag voraussichtlich auf die Siegerelf von Magdeburg setzen. „Die Jungs, die gespielt haben, könnten wieder voll marschieren. Die Belastung dieser Woche ist kein Argument zu rotieren.“

So dürfte auch der schottische Verteidiger Bates, der nach seiner Gelb-Roten Karte nur in der Liga bei der kommenden Aufgabe gegen Spitzenreiter 1. FC Köln (5.11.) gesperrt ist, in der Startelf bleiben.

Wolf erwartet ein Kampfspiel in Wiesbaden

Wolf stellt sich beim Tabellensechsten der Dritten Liga auf eine ähnliche zähe Partie wie bei seinem Einstand ein. „Wehen kann körperlich dagegenhalten, sie haben die Möglichkeit, uns wehzutun“, sagt der Bochumer. „Es ist eine Spitzenmannschaft der Dritten Liga. Das wird ein ganz, ganz enges Spiel.“

Ein Spiel, bei dem der Einzug ins Achtelfinale oberste Priorität genießt – aber auch das Angriffsspiel verbessert werden soll.