Hamburg. Folgerichtige Entscheidung oder Rückfall in alte Muster? Die Meinungen zur Entlassung von Christian Titz gehen weit auseinander.
Das Aus für Trainer Christian Titz dokumentiert die Panik, die beim HSV – so sieht es Abendblatt-Sportchef Alexander Laux in seinem Leitartikel. Er sieht vor allem finanzielle Gründe hinter der Entscheidung: Die Sorge, angesichts eines drohenden Millionenlochs den Aufstieg zu verpassen, ist groß. Da nimmt man auch in Kauf, bis Saisonende vier Trainer bezahlen zu müssen. Dieser Druck lastet auch auf dem neuen Trainer Hannes Wolf.
Die am Dienstag verkündete Entscheidung hat in der Presse ein geteiltes Echo ausgelöst. Folgerichtige Entscheidung oder Rückfall in alte Muster? Die Meinungen gehen da weit auseinander.
Die HSV-Trainer seit 2008
Der Sport-Informations-Dienst spricht zynisch vom "Hamburger Weg": "Gerade in einer Phase, in der das nervöse Umfeld der Hanseaten ein wenig zur Ruhe gekommen schien, birgt die Entscheidung von Vorstandsboss Bernd Hoffmann neuen Zündstoff. Klar, die HSV-Auftritte im heimischen Volkspark (0:5, 0:0, 0:0) waren gemessen an den eigenen Ansprüchen zuletzt ziemlich dürftig. Und auch der aktuelle Tabellenplatz fünf stimmt nicht mit dem überein, was sich der einst so stolze Traditionsclub aus dem Norden vor der Saison auf die Fahnen geschrieben hatte. Doch, die Frage muss erlaubt sein: Wie sinnvoll ist es, jetzt, nach zehn Spieltagen schon wieder die Reißleine zu ziehen? Bei einem Club, der nur zwei Punkte hinter der Tabellenspitze liegt. Zumal Titz bei Mannschaft und Fans gleichermaßen sehr beliebt war und seine Bilanz (1,79 Punkte im Schnitt) deutlich besser war als die seiner Vorgänger."
"Morgenpost": Titz hatte nie eine Chance
Der "Kicker" dagegen kann nicht erkennen, dass der HSV in alte Muster zurückfällt: "Ralf Becker und Bernd Hoffmann wissen, dass ihr Nein zu Christian Titz eine bei den Anhängern überaus unpopuläre Entscheidung ist. Eine, mit der sie den Druck auf sich persönlich erhöht haben. Und genau in diesem Punkt unterscheidet sich der neue HSV vom alten HSV: trotz einer ordentlichen Punkteausbeute fehlt den Machern die Überzeugung, dass Titz' Stil ans Ziel führt. Also sehen sie nicht weiter zu oder lassen ihren Coach von Woche zu Woche weiter wackeln, sondern handeln. Der Wechsel von Titz zu Hannes Wolf garantiert natürlich nicht den lebensnotwendigen Aufstieg, aber er garantiert, dass die Bosse am Ende die volle Verantwortung übernehmen können."
Die "Hamburger Morgenpost" glaubt, dass Titz bei HSV-Vorstandschef Bernd Hofffmann und Sportvorstand Ralf Becker nie eine Chance hatte. "Hinter den Kulissen wurde schon länger an der Demontage des sympathischen und kompetenten Fußballlehrers gearbeitet. Aus Hoffmanns Umfeld war schon im vergangenen Sommer zu hören, dass der Ich-bin-dann-mal-wieder-da-Vorstandsvorsitzende am liebsten gar nicht mit Titz in die Saison gegangen wäre, sich aber letztlich dem erdrückenden Fan-Willen beugte. Sportvorstand Becker … zweifelte oft und gerne öffentlich und noch deutlicher hinter vorgehaltener Hand daran, dass Titz den HSV zurück in die Bundesliga führen kann. Rückendeckung? Null! Ein sauberer Umgang mit dem wichtigsten Mitarbeiter des Vereins sieht anders aus. So verunsichert man den Trainer und damit zwangsläufig auch die Mannschaft."
Die "Bild"-Zeitung dagegen verteidigt die Entscheidung als "unpopulär, aber richtig": "Dass man sich von einem Coach trennt, von dem man niemals wirklich überzeugt war, ist verständlich und richtig. Vorwerfen lassen müssen sich Hoffmann und Becker höchstens, dass sie entgegen ihrer Überzeugung zu lange gewartet haben. Wenn man die Reaktionen eines großen Teils der Fans auf den Titz-Rauswurf sieht, erahnt man, warum. … Wenn Hannes Wolf jetzt das aus der Mannschaft rausholt, was tatsächlich in ihr steckt, wird sich der Sturm der Entrüstrung schnell legen."
Das "Flensburger Tageblatt" meint: "Der Hamburger Sport-Verein hält an seiner Strategie fest: Möglichst einmal im Jahr den Trainer wechseln. Das hat zwar seit einem Jahrzehnt keinen Erfolg gebracht, gehört inzwischen aber fest zum Rhythmus und zur Vereinsphilosophie. Hannes Wolf heißt der neue Mann, der es richten soll. Ein junger Trainer, wie es heute Mode ist im bezahlten deutschen Fußball. Wolf ist mit dem VfB Stuttgart aufgestiegen und wurde wenig später entlassen. Er kennt also das Geschäft nach Hamburger Muster."