Hamburg. Zum großen Bruch kam es bereits vor vier Wochen. Der Umgang des Trainers mit Lasogga stieß auch bei Spielern auf Unverständnis.
Er hatte bis zum letzten Tag um Zeit und Vertrauen für seinen Kurs geworben – doch nach der erneuten Enttäuschung gegen den VfL Bochum (0:0) am Sonntagnachmittag war es mit der Geduld der Clubbosse vorbei. 226 Tage nach seinem Sprung von der Regionalligamannschaft zu den Profis ist die Zeit von Christian Titz schon wieder abgelaufen. Sieben Monate, in denen sich der 47-Jährige zum großen Hoffnungsträger für den Neuaufbau in der Zweiten Liga aufschwang und schließlich nach der ersten schlechten Phase wieder gehen muss.
Zum großen Bruch kam es bereits vor vier Wochen. 0:5 verlor der HSV sein Heimspiel gegen Jahn Regensburg. Eine heftige Blamage, die das Vertrauen zwischen Sportvorstand Ralf Becker und dem Trainerteam zerrüttete. Zu eklatant waren die Mängel des Systems, von dem der Trainer nicht abrücken wollte. Titz wünschte sich trotz des Ausrutschers öffentliche Rückendeckung. Doch die wollte ihm Becker nicht mehr geben. Weil dem Sportchef die Zweifel kamen. Es war der erste große Riss in der Beziehung der beiden. „Ich spüre Rückendeckung aus der Mannschaft“, hatte Titz gesagt – und damit angedeutet, dass das Vertrauen zwischen Vorstand und Trainerteam verloren gegangen war.
Streit um die Personalie Pierre-Michel Lasogga
Zum Streitpunkt wurde die Personalie Pierre-Michel Lasogga. Der Stürmer stand bei Titz nicht hoch im Kurs – obwohl er zwischenzeitlich sieben Tore in drei Pflichtspielen erzielte. Der Trainer setzte lieber auf spielerisch stärkere Angreifer wie Aaron Hunt, Hee-chan Hwang, Khaled Narey oder auch Fiete Arp. Doch keiner von ihnen konnte die nötige Torgefahr erzeugen. Bei den Vorständen um Ralf Becker und Bernd Hoffmann stieß die Einschätzung des Trainers auf Unverständnis.
Und auch in Teilen der Mannschaft gab es sehr unterschiedliche Meinungen über die Maßnahme von Titz, Lasogga trotz seiner Treffer nur als Joker zu bringen. Doch Titz wollte von seinem Weg nicht abrücken. „Unser Spielstil wird sich auf lange Sicht durchsetzen“, sagte der Trainer erst am Montag. Dass er auch nach der erneuten offensiven Minusleistung seiner Mannschaft kein Umdenken andeutete, zwang die Bosse zum Handeln – obwohl der HSV nach zehn Spielen in der Liga nur zwei Zähler hinter Spitzenreiter Köln liegt.
Erst am 16. Mai hatte der Trainer einen Zweijahresvertrag als Chefcoach beim HSV unterschrieben – vier Tage nach dem erstmaligen Abstieg aus der Bundesliga, den Titz trotz der Aufholjagd in den letzten acht Spielen der Saison nicht mehr verhindern konnte. Mit seiner Spielidee, dem Einbinden vieler Talente aus dem Nachwuchs sowie seinem sympathischen Auftreten hatte der Trainer trotz des Abstiegs die Herzen vieler Fans erobert und dazu beigetragen, dass die Zahl der Mitglieder einen Rekordzuwachs verzeichnete.
Hoffmann wusste, wie beliebt Titz bei den Fans war
Die Vertragsverlängerung verantwortete zu diesem Zeitpunkt noch Interims-Vorstandschef Frank Wettstein, der Titz gemeinsam mit dessen Förderer Bernhard Peters nach dem Aus von Vorgänger Bernd Hollerbach im Amt installierte. Der jetzige Clubchef Bernd Hoffmann, zu diesem Zeitpunkt noch Aufsichtsratsvorsitzender, zögerte zwar lange mit seiner Zustimmung, trug die Entscheidung aber schließlich mit. Klar war aber auch, dass Titz nicht die Wunschlösung Hoffmanns war. Das wusste auch der Trainer.
Hoffmann wiederum wusste, wie beliebt Titz bei den Fans war. Sogar Investor Klaus-Michael Kühne hatte nach einem gemeinsamen Treffen auf Mallorca von Titz geschwärmt. „Für mich ist Christian Titz ein großer Hoffnungsträger. Wenn ihm genügend Mittel und Möglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, kann er eine sehr gute Mannschaft formen“, sagte Kühne Anfang Juni. Geholfen hat dem Trainer dieser Liebesschwur am Ende nicht. Mit Nachwuchschef Bernhard Peters, der Titz vor drei Jahren zum HSV holte und ihn von der U 17 über die U 21 schließlich zu den Profis beförderte, verlor Titz in der vergangenen Woche dann auch noch seinen Fürsprecher.
Am Dienstagmorgen wurde Titz die Entscheidung schließlich in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt. Ihm bleibt ein Trostpflaster. Mit einem Schnitt von 1,72 Punkten pro Spiel verlässt er den HSV zumindest in der Punktebilanz als einer der erfolgreichsten Trainer der Clubgeschichte.