Hamburg. Holtby und Hunt gehören zu den extern am meisten kritisierten und intern am meisten gelobten HSV-Profis. Ein Erklärungsversuch.
Am Montagmorgen ging es im Training beim HSV hoch her: Alt gegen Jung. So ein Duell will kein Fußballer verlieren – weder in der Kreisliga noch in der Zweiten Liga. Am Ende setzten sich die „Oldies“ mit 4:1 durch. Torschützen Nummer eins und zwei: Lewis Holtby und Aaron Hunt. Wie beim 2:1 in Darmstadt – nur in umgekehrter Reihenfolge. „Die Jungen haben gut begonnen, dann haben die Alten noch einen Gang hochgeschaltet“, witzelte Trainer Christian Titz nach der Einheit.
Was er nicht sagte: Holtby und Hunt haben zuletzt auch im Pflichtspiel gerade noch einen Gang hochgeschaltet. „Für die beiden habe ich mich besonders gefreut“, hatte Titz nach dem Sieg in Darmstadt zugegeben und erklärt: „Die beiden gehören zu unseren absoluten Führungsspielern, die nun durch Leistung überzeugt haben. Eine Mannschaft braucht ein Gleichgewicht. Und unsere extrem junge Mannschaft braucht deswegen umso mehr erfahrene Jungs wie Aaron und Lewis.“
Jüngste Mannschaft
Die extrem junge Mannschaft, von der Titz da sprach, ist sogar die jüngste Mannschaft der Zweiten Liga. Genau genommen sogar die jüngste Mannschaft im deutschen Profifußball (siehe Tabelle). Mit 22,8 Jahren im Schnitt hat der HSV den jüngsten Kader aller 36 Profimannschaften, wobei auch viele Nachwuchsspieler eingerechnet sind. Aber mit 23,4 Jahren hatten die Hamburger in Darmstadt auch die drittjüngste Startelf der HSV-Geschichte auf dem Platz. Und mit Hunt (32) und Holtby (28) haben sie noch zwei Routiniers, die aber extern in den vergangenen Wochen am meisten kritisiert und intern am meisten gelobt wurden.
„Erfolg und Misserfolg werden in Hamburg gerne an Lewis festgemacht“, sagt Holtby-Berater Markus Noack, der auch Trainer Titz betreut. „Vor Wochen gab es fast ausschließlich großes Lob, nun gab es eine Phase der mitunter starken Kritik. Diese hat Lewis aufgenommen und durch eine starke Performance am Freitagabend gekontert.“
Holtby und Hunt polarisieren
Tatsächlich polarisieren Holtby und Hunt wie kaum ein anderer HSV-Profi. Während einigen bei Holtby das extrovertierte Auftreten missfällt, fühlen sich andere von Hunts angeblichem Phlegma genervt. Auch der „Kicker“ geht hart mit beiden ins Gericht: Holtby hat einen Notendurchschnitt von 3,86, Hunt sogar nur von 4,29. Damit ist er der nach „Kicker“-Noten zweitschlechteste Mittelfeldmann der Zweiten Liga – nur noch vor HSV-Kollege Tatsuya Ito.
Doch abseits dieser subjektiven Schulnoten sprechen die objektiven Daten und Zahlen eine ganz andere Sprache. So war ausgerechnet Hunt, dem gerne mangelndes Engagement vorgeworfen wird, in Darmstadt mit 12,34 Kilometer der laufstärkste Spieler, der zudem noch die meisten Sprints (33) anzog. Noch eindrucksvoller ist Hunts Passspiel. Der 32-Jährige hat eine Saison-Passquote von 78 Prozent und liegt damit über dem Durchschnitt seiner Mittelfeldkollegen (73 Prozent).
Becker überzeugte Titz bei Hunt
Doch so wichtig Hunts Rolle im HSV-Mittelfeld auch sein mag, so unglücklich war seine zwischenzeitliche Rolle als Stürmer. Dies war auch Sportvorstand Ralf Becker aufgefallen, der Trainer Titz nach der Partie in Regensburg sehr deutlich zu verstehen gegeben hat, dass Hunt aus seiner Sicht ein Mittelfeldmann und kein Stürmer ist. Titz nahm sich Beckers Kritik zu Herzen und reagierte. Das Resultat: Hunt spielte in Darmstadt endlich wieder gut, schoss ein Tor und durfte sich anschließend über ein Sonderlob von Becker freuen: „Für die Mannschaft ist er ein ganz wichtiger Spieler, weil er ein hohes Standing hat und für die anderen Jungs eine absolute Vertrauensperson ist.“
Ein hohes Standing haben Hunt und Holtby, der in 15 Spielen unter Titz sieben Tore erzielte, aber vor allem beim Trainer. „Die Tore zeigen auch, dass es richtig war, Aaron und Lewis weiter aufzustellen und dass sie eine besondere Wertigkeit für dieses Team haben“, sagt der Coach, der Holtbys und Hunts Wichtigkeit aber nicht nur an Toren messen will: „Die beiden bilden unsere stabile Mittelachse, die Ruhe reinbringen und auch mal das Wort ergreifen. Immer wenn es eng wird, sind sie vorangegangen und haben das Vertrauen mit Leistung zurückgezahlt.“
So auch am Freitag, als nach drei Spielen ohne Sieg bereits ein Titz-Endspiel ausgerufen worden war. „Wir arbeiten sehr gerne mit dem Trainer zusammen. Das hat man heute auch daran gesehen, wie wir aufgetreten sind“, sagte nach dem Spiel Hunt, der gemeinsam mit Holtby intern schon vor dem Spiel das Wort ergriffen hatte. „Wir haben viele Gespräche mit den Jungs geführt. Wir wollten den Druck, der aufkommt, von dem einen oder anderen nehmen.“
HSV siegt in Darmstadt: Die besten Bilder:
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Das wird honoriert. „Die beiden Jungs sind sehr, sehr wichtig für uns“, schwärmt Khaled Narey, der mit 24 Jahren beim Trainingsspielchen am Montag zwar schon zu Team Alt gehörte, aber grundsätzlich noch als einer der Jungen gilt. „Lewis und Aaron sind die beiden, die bei uns vorangehen. Sie führen die jungen Spieler“, lobt Narey, der auch die Kritik der vergangenen Wochen an Hunt und Holtby für überzogen hält: „Jeder Spieler kann mal eine Phase haben, wo es nicht so für ihn läuft. Aber die beiden sind sehr wichtige Spieler für uns, die uns auch weiterbringen.“
Am Montag reichte es zu einem prestigeträchtigen 4:1 gegen Team Jung, für das lediglich Noten-Schlusslicht Ito traf. Der Lohn: Team Jung musste die Tore abbauen und die Bälle zusammensuchen, Team Alt durfte Schluss machen. Fußballeralltag – in der Zweiten Liga genauso wie in der Kreisliga.