Hamburg. Nach dem 2:1 in Darmstadt soll nun Schluss sein mit der Diskussion um HSV-Trainer Titz. Oder auch nicht.
Am trainingsfreien Sonntag wollte Christian Titz eigentlich nur eines machen: nichts machen. Und zumindest in Bezug auf den HSV konnte der Trainer seinen Plan gestern auch ziemlich konsequent in die Tat umsetzen: Morgens ging der Fußballlehrer mit Chihuahua-Hund Sammy joggen, es folgte ein ausführliches Familienfrühstück und am Nachmittag ging es noch an die Elbe. „Manchmal braucht man auch mal eine kurze Pause vom Fußball“, sagte der HSV-Trainer, der an diesem Montag mit zwei Einheiten wieder voll durchstarten will.
Dass aus der freiwilligen, kurzen keine unfreiwillige, lange Pause wurde, hatte Titz in erster Linie dem befreienden 2:1-Sieg am Freitagabend in Darmstadt zu verdanken. „Natürlich ist man als Trainer sehr erfreut, wenn man endlich wieder drei Punkte holt. Es war ein sehr freudiges Erlebnis“, gab der Coach am Tag nach der Erleichterung und am Tag vor der Erholung offen zu.
Direkt nach der Rückkehr aus Darmstadt stand Titz am Sonnabend gegen 13 Uhr im Bauch des Volksparkstadions und musste immer wieder die Frage beantwortet, wie er und seine Mannschaft diesen immensen Druck des Unbedingt-gewinnen-müssens ausgehalten hätten: „Die Mannschaft hat die Antwort auf dem Platz gegeben“, sagte Titz. „Aber natürlich kann man so eine Drucksituation als junger Mensch nicht gänzlich ausblenden. Das ist auch klar. Wir haben versucht, den Fokus ganz klar auf uns zu richten.“
Van Drongelen stellt sich vor Titz
Dabei war dem 47-Jährigen bewusst, dass es vor allem er war, auf den nach drei Spielen ohne Sieg der Fokus gerichtet war. „Ich habe vor dem Spiel auch gesagt: Lasst uns den Trainer für seine Arbeit belohnen. Das Vertrauen, das uns der Trainer schenkt, das haben wir heute zurückgegeben“, hatte Rick van Drongelen nach dem Sieg am Freitag gesagt und damit beteuert, dass er und seine Kollegen auch ein wenig für den intern und extern stark kritisierten Trainer gespielt hätten. „Ich weiß, dass alle Spieler hinter dem Trainer stehen. Christian ist genau der richtige Mann für uns.“
Doch besonders im Vorstand hatten HSV-Chef Bernd Hoffmann und Sportchef Ralf Becker zuvor so ihre Zweifel, ob Titz tatsächlich dieser richtige Mann sei. Fast zwei Wochen lang hatten die beiden ein klares Bekenntnis zum Trainer gescheut – und wollten dieses selbst nach dem Sieg in Darmstadt nicht nachholen.
„Wir waren alle zusammen nicht zufrieden mit der englischen Woche und mit der Runde, die wir bislang gespielt haben. Es ist auch wichtig, die Dinge klar zu benennen“, sagte Becker nach dem Sieg gegen Darmstadt im NDR, und wollte sich aber auch auf zweifache Nachfrage keineswegs so klar zum Trainer bekennen.
Hunt und Co. sprachen sich für Verbleib von Titz aus
Sei’s drum. „Ich kann ja nicht für andere sprechen. Aber es ist ja ein Statement abgegeben worden“, beantwortete Titz am Sonnabend die Frage nach der fehlenden Rückendeckung aus der Chefetage. „Und ich stehe ja noch hier.“ Der Rückendeckung aus der Mannschaft (Hunt: „Wir arbeiten sehr gerne mit dem Trainer zusammen“) und von den Fans durfte sich der Coach dagegen sehr gewiss sein. „Ich fand es bemerkenswert, wie sich die Menschen drumherum hinter einen gestellt haben. Das hat mir auch gezeigt, wie alle an einem Strang ziehen: Mannschaft, Fans und auch Trainer.“
HSV siegt in Darmstadt: Die besten Bilder
Entscheidend für den weiteren Verlauf dieser Trainer-Telenovela dürfte allerdings sein, inwiefern auch die Entscheider an diesem Strang ziehen. Nach der Länderspielpause empfängt der HSV den VfL Bochum, dann müssen die Hamburger nach Magdeburg, zum Pokalspiel nach Wehen-Wiesbaden und schließlich gastiert Tabellenführer Köln im Volkspark. „Die Erwartungshaltung wird sich hier ja nicht ändern“, sagte Titz, der weiß, dass er und seine Mannschaft auch weiterhin zum Siegen verdammt sind. „Wir müssen Woche für Woche da raus gehen und die Spiele gewinnen. Das ist ein außergewöhnlicher Druck, an den man sich erst einmal gewöhnen muss. Diesem Druck müssen wir aber standhalten.“
Arp macht sich für Titz stark
Wie anspruchsvoll dieses Vorhaben ist, machte am Freitagabend ausgerechnet der Jüngste deutlich. „Man merkt, wie schnell hier ein Baum angezündet wird“, sagte der erst 18 Jahre alte Stürmer Fiete Arp, der in Darmstadt ein Plädoyer für die Rückkehr zur Normalität hielt: „Alles wieder infrage zu stellen, war völlig überzogen.“
Ob die von Arp so herbeigesehnte Normalität tatsächlich auch in dieser Spielzeit beim HSV möglich ist, wird man wohl erst nach der nächsten Niederlage überprüfen können. „Ich habe immer gesagt, dass man in einer Saison Höhen und Tiefen hat. Aber hier waren die Ausschläge schon ein bisschen heftiger“, sagte Titz, ehe er diese Ausschläge für einen Tag vergessen wollte.
Nur eines wollte der Trainer unbedingt vor seiner Joggingrunde am Sonntag noch loswerden: „Ich fühle mich sehr wohl in meiner Haut.“ Ob das auch für Chihuahua-Hündchen Sammy nach der Joggingrunde galt, wurde allerdings nicht bekannt.