Hamburg. Sportvorstand Ralf Becker vermeidet auch nach dem 2:1-Sieg bei Darmstadt 98 ein klares Bekenntnis zu Trainer Christian Titz.
Um elf Uhr machte sich der Tross des HSV am Sonnabend auf den Heimweg. 45 Minuten dauerte der Flug von Frankfurt nach Hamburg, um kurz nach 13 Uhr kamen die Profis am Volksparkstadion an. Im Gepäck: ein 2:1-Sieg bei Darmstadt 98 und die Gewissheit, dass die Reaktion auf die enttäuschende englische Woche mit drei Partien ohne Sieg und eigenen Treffer erfolgt war. "Nach den vergangenen Spielen haben wir gestern die richtige Balance gefunden. Es ist manchmal so, wenn man etwas an einem Bereich ändert, dass es zulasten eines anderen Bereichs geht", analysierte Trainer Christian Titz, der zufrieden mit seiner Mannschaft war. Das Team ist 124 Kilometer gelaufen, so viel wie noch nie in dieser Saison.
Die Spieler, die nicht für ihre Nationalmannschaften auflaufen müssen, können in der zweiwöchigen Länderspielpause nun ein wenig durchatmen. Beim Bundesliga-Absteiger sehnt man sich nach einer Woche voller Diskussionen - intern und extern - nach Normalität. Wohlwissend, dass das beim HSV immer so eine Sache ist, Dinge nüchtern und sachlich zu betrachten. „Wir sind erstmal froh, dass wir mit einem Sieg in die Länderspielpause gehen. Eine gewisse Erleichterung ist natürlich da bei unserer Mannschaft“, erklärte Kapitän Aaron Hunt und ergänzt: „Man muss nicht immer alles gleich kritisieren und schlechtmachen, wenn man mal zwei, drei schlechte Wochen hat. Solche Phasen hat jede Mannschaft.“
Personaldiskussion beim HSV ist hausgemacht
Der HSV ist aber nicht „jede Mannschaft“. Der Club polarisiert auch im Bundesliga-Unterhaus. Jedes Spiel ohne Sieg gleicht einem Drama, wenn im Herbst die Bäume ihre Blätter verlieren, ist eine Trainerdiskussion fast schon eine ungewollte Routine rund um das Volksparkstadion. Nach der Durststrecke mit der 0:5-Blamage gegen Regensburg, sowie den beiden biederen 0:0-Partien gegen Greuther Fürth und St. Pauli geriet Christian Titz in den Fokus der Kritik. Boulevardmedien sprachen gar von einem Endspiel für den HSV-Trainer in Darmstadt. Dass es überhaupt solche Diskussionen gibt, daran haben die handelnden Personen einen großen Anteil.
Sportvorstand Becker: "Ein ganz toller Tag, vor allem für den Trainer"
Weder der Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann noch Sportvorstand Ralf Becker positionierten sich in der jüngeren Vergangenheit in der Causa Titz. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass das verantwortliche Duo Zweifel daran hegt, ob der 47-Jährige der Mann ist, der den HSV zurück in die Bundesliga führt. „Wir waren alle gemeinsam mit der Runde, die wir bisher gespielt haben, nicht zufrieden. Ich nicht, die Mannschaft nicht, der Trainer nicht. Das haben wir klar angesprochen“, sagte Becker und formulierte noch einmal die Saisonziele: „Wir haben eine gute Truppe und wollen in dieser Saison sehr erfolgreich sein“, sagte Becker nach dem Spiel in Darmstadt dem „NDR Fernsehen“: „Es war ein ganz toller Tag, vor allem für den Trainer, für die Mannschaft und die Fans.“
Mannschaft will mit dem Trainer unbedingt weiterarbeiten
Uneingeschränktes Vertrauen für Titz, der seit seinem Amtsantritt im März ligaübergreifend zehn Siege, drei Remis und fünf Niederlagen verbuchen konnte, klingt irgendwie anders. Auch der Mannschaft ist das Theater um ihren Chef nicht verborgen geblieben. In Darmstadt betonten die Spieler mit Worten und Gesten, dass sie unbedingt mit dem Coach weiterarbeiten wollen. Lewis Holtby lief nach seinem Tor in die Arme von Titz, und nach der Partie machten die Profis in der Mixed Zone Werbung für ihren Trainer. „Ich hoffe, dass das alles nun endlich vorbei ist. Christian Titz ist ein Top-Trainer. Er verbessert jeden und ist genau der richtige Mann für uns“, erklärte Rick van Drongelen und fügte an: „Ich weiß, dass alle Spieler sehr zufrieden mit ihm sind. Er bringt immer wieder neue Impulse, und motiviert uns einfach super.“
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Der Abwehrspieler macht keinen Hehl daraus, dass die Mannschaft die öffentlichen Diskussionen um die Zukunft von Titz sehr wohl diskutiert hatte.“Natürlich ist das so“, erklärte der Juniorennationalspieler, der klarstellte: „Alle Spieler stehen hinter dem Trainer. Das bleibt auch so, wenn wir mal verlieren. Wir glauben an unseren Trainer“, so van Drongelen. Auch die Fans stehen hinter ihrem Hoffnungsträger. In Darmstadt wurde er nach dem Spiel mit Sprechchören gefeiert. "Ich fand es bemerkenswert, wie sich die Fans in den letzten Wochen hinter die Mannschaft gestellt haben. Daran sieht man, dass hier alle gemeinsam den Erfolg wollen: Mannschaft, Fans und Trainerteam", sagte Titz.
HSV hat leistungstechnisch noch viel Luft nach oben
Zumindest für die kommenden beiden Wochen scheint es so zu sein, als würde die langersehnte Ruhe beim HSV einkehren. 17 Punkte aus neun Spielen, zumindest für eine Nacht Platz zwei, tabellarisch vor dem FC St. Pauli positioniert.. Alles im grünen Bereich, könnte man meinen. Nach der Länderspielpause kommt der VfL Bochum zum Topspiel in den Volkspark.
Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass die Hamburger leistungstechnisch noch reichlich Luft nach oben haben. Außer beim 3:0-Sieg am zweiten Spieltag in Sandhausen, konnte der HSV noch nicht jene Souveränität an den Tag legen, die von einem Aufstiegsfavoriten erwartet wird. Gerade die deutlichen Heimniederlagen gegen Kiel (0:3) und Regensburg (0:5) waren Wirkungstreffer. „Man merkt, wie schnell hier ein Baum angezündet wird. Natürlich hatten wir uns die drei Spiele vorher anders vorgestellt. Die Unruhe war innerhalb der Mannschaft aber gar nicht da. Wir wussten, dass wir hinter dem stehen, was wir spielen. Alles wieder in Frage zu stellen, war völlig überzogen“, kritisierte Toptalent Fiete Arp.
Viele Misserfolge wird sich TItz nicht mehr leisten können
Trainer Titz verweist darauf, dass seine junge Mannschaft noch Zeit braucht. Doch Geduld gibt es im Fußballgeschäft und vor allem beim HSV nicht. „Es wird in dieser Saison noch das eine oder andere Spiel kommen, in dem wir uns schwertun werden. Wir haben einen Riesenumbruch, aber auch eine sehr talentierte Mannschaft. Da gehört es auch dazu, dass man die eine oder andere Krise gemeinsam übersteht“, sagte Hunt.
Viele Krisen darf sich Trainer Titz aber nicht mehr erlauben. Auch nach dem 2:1-Sieg in Darmstadt wirkt es so, als wäre er weiter ein Trainer unter Beobachtung.