Hamburg. Der bisherige Interimschef bleibt drei weitere Jahre Vorstandsvorsitzender. Bekommt der Verein jetzt erstmals eine Präsidentin?
Der Dienstagabend hätte für Bernd Hoffmann wahrscheinlich nicht viel besser laufen können. Gemeinsam mit einigen Mitarbeitern schaute sich der HSV-Chef den Auftritt seiner Mannschaft bei Dynamo Dresden aus sicherer Entfernung bei einer Art Geschäftsstellen-Public-Viewing im eigenen Volksparkstadion an. Und als der schmeichelhafte 1:0-Sieg des HSV und die erstmalige Tabellenführung seit neun Jahren um 20.20 Uhr perfekt waren, wusste der interimistische Vorstandsvorsitzende, dass er in den vergangenen Monaten seit dem Abstieg so viel nicht falsch gemacht hatte.
Was zu diesem Zeitpunkt aber nur wenige Eingeweihte wussten, wurde erst am Mittwochabend bekannt gegeben: Aus dem bisherigen Interimschef wurde ein Dauerchef. Nach abschließenden Gesprächen mit dem HSV-Beirat und dem HSV-Ehrenrat hat Bernd Hoffmann einen nigelnagelneuen Dreijahresvertrag als Vorstandsvorsitzender der HSV AG unterschrieben. „Ich freue mich über das Vertrauen des Aufsichtsrates“, sagte der 55-Jährige, der damit ab sofort auch nicht mehr AG-Vorstand und Vereinspräsident in Personalunion ist.
Der beste Zeitpunkt wollte gefunden werden
„Diese strategische Entscheidung wurde von unserem Gremium einstimmig getroffen“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Max-Arnold Köttgen zur Ernennung. „Wir sind überzeugt, dass die bisherige Interimslösung auch auf Dauer sinnvoll und zielführend für den HSV ist. Wir haben weiterhin schwierige Aufgaben vor uns, die es mit einem starken Vorstandsteam anzugehen gilt.“
Wirklich überraschend war der Abschluss nicht. Doch weil Hoffmann ungern Dinge dem Zufall überlässt, musste der richtige Zeitpunkt für die Verkündung gefunden werden. Und welcher Zeitpunkt wäre besser als der Moment, an dem der HSV nach fünf Pflichtspielsiegen in Folge erstmals seit 2009, als Hoffmann ebenfalls Vorstandschef war, die Tabellenspitze übernimmt?
Der HSV e.V. braucht einen neuen Chef
Hoffmann ist seit Mittwoch also da, wo er in den vergangenen Monaten immer hinwollte: an der Spitze der HSV AG. Der HSV e. V. muss sich dagegen nun einen neuen Chef suchen. Seit Mittwochabend kann Hoffmann nicht mehr Präsident angesprochen werden. Die laufenden Geschäfte führen vorerst Hoffmanns Vizepräsidenten Thomas Schulz und Moritz Schaefer weiter, Anfang kommenden Jahres muss auf der nächsten Mitgliederversammlung ein neuer HSV-Präsident gewählt werden.
An dieser Stelle wird die Geschichte kompliziert: Denn Schulz und Schaefer bleiben als Vizepräsidenten weiter im Amt, wodurch – anders als bei der letzten Mitgliederversammlung – nur ein neuer Vereinschef gesucht wird. Nach Abendblatt-Informationen soll die frühere Aufsichtsrätin Katrin E. Sattelmair eine Kandidatin für das Präsidentenamt und den Aufsichtsratsvorsitz sein.
Allerdings: Während Hoffmann auf einen umgänglichen Nachfolger hofft, der seinen Tatendrang nicht unnötig einschränkt, wird genau nach so einem Korrektiv im Verborgenen längst gefahndet. Besonders im HSV-Beirat (Jan Wendt, Patrick Ehlers, Kai Esselsgroth, Frank Mackerodt, Oliver Voigt) soll man alles andere als erfreut über Hoffmanns Zementierung der Macht sein.
Vereinspolitik in House-of-Cards-Manier
Doch Hoffmann wäre nicht Hoffmann, wenn er nicht auch für diese Problematik längst eine Lösung im Kopf hätte. Sein Kalkül: Neben einem neuen Präsidenten muss auf der Mitgliederversammlung auch ein neuer Beirat gewählt werden. Und sollte der bisherige (Hoffmann-kritische) Beirat hinter den Kulissen nun für allzu viel Unruhe sorgen, könnte dieses Vorgehen am Ende dem Beirat selbst schaden.
Das alles: Vereinspolitik in bester House-of-Cards-Manier. Für die einen ist Hoffmann längst der „Hoffmannsträger“ (Abendblatt-Titel im Februar), für die anderen der „Machtmensch aus Leverkusen“ (Abendblatt-Titel 2010). Hoffmann war, ist und bleibt die HSV-Persönlichkeit, die innerhalb des Clubs wie kein anderer polarisiert. Im Februar waren es gerade einmal 13 Mitglieder-Stimmen, mit der sich Hoffmann gegen Jens Meier durchsetzte.
Sportliche und wirtschaftliche Herausforderungen
Doch fernab dieser shakespearehaften Dramen im Hintergrund muss man dem Macher zugutehalten, dass er als Interimsnachfolger des beurlaubten Heribert Bruchhagen nach dem Abstieg seinen Wunschkandidaten Ralf Becker beim Aufsichtsrat als Sportvorstand durchgeboxt und mit dem Ex-Kieler den überteuerten Abstiegskader auf links gedreht und einen bezahlbaren Zweitligakader zusammengestellt hat, der den Wiederaufstieg schaffen soll.
Neben den sportlichen Herausforderungen will der Vorstandschef vor allem die wirtschaftlichen Herausforderungen in Angriff nehmen. Seine größte Schwierigkeit: Auf die Hilfe von Anteilseigner Klaus-Michael Kühne, den er selbst 2010 zum HSV lotste, muss er dabei verzichten. Auch deswegen dreht Hoffmann in diesen Tagen jeden Stein zweimal um, spricht mit Banken und Institutionen und lässt auch auslaufende Kleinstverträge auf der Geschäftsstelle nicht verlängern.
Vorgänger Bruchhagen bleibt trotzdem kritisch: „Bernd Hoffmann hatte einen Masterplan. Er wollte unbedingt zurückkehren und hat das dann sehr geschickt gemacht“, sagte der Ex-Vorstandschef, der noch bis zum Ende dieses Monats vom HSV bezahlt wird. „Er hat sich zum Präsidenten des Vereins wählen lassen und dann den neuen Aufsichtsrat der HSV Fußball AG zusammengestellt. Der hat ihn dann zum Vorstandsvorsitzenden bestimmt. Das war alles vorhersehbar, und es war auch immer klar: Wenn Bernd Hoffmann diesen Job haben will, dann kriegt er ihn auch.“
Und seit Mittwochabend hat er ihn.