Hamburg/Dresden. Der HSV ist Tabellenführer nach dem 1:0-Sieg in Dresden. Der Torschütze Hwang verriet nach dem Spiel Erstaunliches.
Als Schiedsrichter Felix Zwayer nach der vierten Minute der Nachspielzeit die mehr als 3000 mitgereisten Hamburger am Dienstagabend durch seinen Schlusspfiff erlöst hatte, schien der Mann des Tages zunächst noch ein paar Sekunden zu brauchen. Während der Hamburger Block den glücklichen 1:0-Sieg im Nachholspiel bei Dynamo Dresden – die für 1. September angesetzte Partie hatte wegen der Demonstrationen in Chemnitz abgesagt werden müssen – mit lautstarken „Spitzenreiter, Spitzenreiter, hey, hey!“-Sprechchören feierte, vergrub Matchwinner Hee-Chan Hwang sein Gesicht in seinen Händen.
Ein kurzer Blick zur Anzeigetafel und ein plötzlich heranfliegender Gotoku Sakai als erster Gratulant reichten aber, damit der Südkoreaner verstand. „Ich freue mich wahnsinnig. Irgendwie hatte ich schon vor dem Spiel ein gutes Gefühl“, sagte der Angreifer, der für Hamburgs erste Tabellenführung seit einer gefühlten Ewigkeit gesorgt hatte.
Erinnerung an einen Sieg über Bayern
Fast auf den Tag vor neun Jahren war es, als der HSV zuletzt nach einem kompletten Spieltag von Platz eins gegrüßt hatte. Ebenfalls 1:0 hatten die Rothosen seinerzeit gegen Rekordmeister Bayern München gewonnen. Der Torschütze hieß Mladen Petric, der Vorlagengeber Zé Roberto. Der entscheidende Unterschied von damals zu heute: die Liga. „Wir müssen diese Zweite Liga so annehmen, wie sie ist“, hatte Trainer Christian Titz deswegen auch vor der Partie in Dresden gewarnt – und seine Mannschaft im Vergleich zum 3:2-Heimsieg gegen Heidenheim ordentlich rotieren lassen.
Die am meisten diskutierten Wechsel: „Hattrickser“ Pierre-Michel Lasogga durfte von Anfang an spielen – genauso wie der erst 17 Jahre alte Youngster Josha Vagnoman.
Erste Halbzeit zusammengefasst in einem Wort
Doch auffällig im zunächst ziemlich gruseligen Spiel der Hamburger waren weder Lasogga noch Vagnoman auf dem Platz, sondern Hwang abseits des Platzes. Dem Neuzugang hatte Titz nach dessen Blitzstart am Sonnabend eine Verschnaufpause gönnen wollen. Doch obwohl der 22-Jährige erst seit knapp einer Woche beim HSV ist, wurde in den ersten 45 Minuten seine Wichtigkeit für das Spiel der Hamburger bereits deutlich. Deswegen kann an dieser Stelle die erste Halbzeit auch mit nur einem Wort zusammengefasst werden: schwach.
Das schien auch Trainer Titz schnell erkannt zu haben. „Ich war nicht zufrieden“, sagte er höflich. Doch ähnlich wie vier Tage zuvor, als er beim Sieg gegen Heidenheim mit Lasogga den Matchwinner zur Halbzeit eingewechselt hatte, durfte sich der Coach auch an diesem Abend in Sachsen auf sein glückliches Händchen verlassen. Diesmal hieß Lasogga allerdings Hwang.
Diesen Torschuss mit Privattrainer geübt
Der aus Salzburg geliehene Stürmer, der für Vagnoman kam, brauchte nicht lang, um auf Betriebstemperatur zu kommen – und dem zuvor statischen Spiel des HSV das gewisse Etwas zu verleihen. Eine Doppelchance nach gut einer Stunde war Warnschuss Nummer eins und zwei, ehe die Explosion nach 68 Minuten folgte. Auf Zuspiel des für den erneut schwachen Aaron Hunt eingewechselten Orel Mangala drosch der Koreaner den Ball unhaltbar und wunderschön in den rechten Winkel. „Diesen Schuss habe ich im Sommer immer wieder mit einem Privattrainer in Korea trainiert“, verriet er später.
Zur ganzen Geschichte des Hwang-Erfolgs gehörte aber auch, dass der HSV zu diesem Zeitpunkt längst hätte zurückliegen müssen. „Wir hätten uns wirklich nicht zu beschweren brauchen, wenn wir mindestens ein Gegentor kassiert hätten“, gab Trainer Titz vor dem Rückflug nach Hamburg ehrlich zu. Doch weil Dresdens Hamalainen (41.) und vor allem Koné (44. und 59.) beste Chancen ausgelassen hatten, lag plötzlich nicht nur die historische HSV-Tabellenführung in der Luft. Sondern auch Hamburgs fünfter Pflichtspielsieg in Folge – ein Kunststück, das den Hanseaten seit 13 Jahren nicht gelungen war.
Die Statistik
Ganz ohne Spannung geht es beim HSV aber nicht. Bereits in der Nachspielzeit durfte Lasogga nach einem Foul an Khaled Narey vom Elfmeterpunkt seine Vollstreckerqualitäten beweisen – und scheiterte. Rund zwei Minuten lang mussten Hwang und Co. noch zittern – dann waren Auswärtssieg und Tabellenführung perfekt. Das Schlusswort von Sportchef Ralf Becker: „Hee-Chan ist ein richtig guter Typ. Er wird heute glücklich ins Bett gehen.“