Hamburg/Dresden. Dank eines Geniestreichs seines Neuzugangs gewinnt der HSV das Nachholspiel bei Dynamo Dresden. Das Tor hatte eine Vorgeschichte.
Wer hätte das nach der bitteren 0:3-Auftaktniederlage gegen Holstein Kiel zu hoffen gewagt: Vier Spiele später hat der HSV in der 2. Bundesliga die Tabellenführung übernommen – zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte. Neuzugang Hee-Chan Hwang schoss den Absteiger im Nachholspiel bei Dynamo Dresden zu einem glücklichen 1:0-Sieg (0:0). Es war das fünfte gewonnene Pflichtspiel nacheinander für die Mannschaft von Trainer Christian Titz.
„Es tut gut, ganz oben zu stehen, aber wir dürfen nicht abheben. Es ist nur eine Momentaufnahme“, sagte HSV-Torwart Julian Pollersbeck nach dem Spiel am Sky-Mikrofon: „Dresden hat es uns sehr schwer gemacht, aber wir haben uns gut dagegengestellt und die Kugel reingedrückt.“ Und Christoph Moritz gestand: „Es war ein glücklicher Sieg.“
Die erste Überraschung des Spiels war im Grunde keine mehr. Josha Vagnoman hatte bereits am Montag im HSV-Training in der A-Elf auf Linksaußen wirbeln dürfen. Einen Tag später stand der 17-Jährige tatsächlich erstmals bei den Profis in der Startelf – noch dazu auf der ungewohnten Angriffsposition. Dafür verzichtet Trainer Christian Titz zunächst auf Neuzugang Hee-Chan Hwang. Tatsuya Ito stand krankheitshalber ohnehin nicht zur Verfügung.
Weniger überraschend war, dass Pierre-Michel Lasogga nach seinem famosen Joker-Hattrick am Sonnabend gegen Heidenheim von Beginn an das Vertrauen erhielt. Für ihn rotierte Orel Mangala aus der Startelf. In der Innenverteidigung verdrängte David Bates den anderen Neuzugang Léo Lacroix wieder auf die Bank. Zudem durfte Christoph Moritz anstelle von Matti Steinmann das Mittelfeld besetzen.
Die Statistik
Der neue Dynamo-Trainer Maik Walpurgis hat seine Startelf bei seinem Heimdebüt im Vergleich zum 2:0-Sieg am Freitag in Regensburg auf zwei Positionen verändert. Anstelle von Aias Aosman und Niklas Kreuzer spielen Linus Wahlqvist und Haris Duljevic.
Titz hatte im Hinblick auf das anspruchsvolle Septemberprogramm Wechsel angekündigt. Doch möglicherweise ging die Rotation auf Kosten der Inspiration. Zwar war der HSV von Beginn an um Kontrolle bemüht, doch fehlte es an Ideen fürs Offensivspiel. Stattdessen lief man bald in die erwarteten Dresdner Konter.
Und die waren durchaus gefährlicher als das, was der HSV zunächst anzubieten hatte. In der zehnten Minute musste Hamburgs Torwart Julian Pollersbeck bei einer flachen Hereingabe erstmals eingreifen, kurz darauf ein zweites Mal bei einem Schuss von Moussa Koné. Nach einer halben Stunde war es dann Bates zu verdanken, dass sich Haris Duljevic bei einem viel versprechender Dresdner Konter gegen den schottischen Verteidiger verdribbelte.
Koné trifft aus knapper Abseitsposition
„Wir haben sie das eine oder andere Mal eingeladen und hätten uns über den Rückstand nicht beschweren dürfen“, sagte Moritz.
Ähnlich gute Chancen hatte der HSV nicht zu bieten. Die beste war noch ein direkt aufs Tor gezogener, aber so wohl gar nicht beabsichtigter Eckball von Douglas Santos. Dynamo-Torwart Markus Schubert konnte mit den Fingerspitzen klären. Kurz darauf folgte, was eigentlich folgen musste: Koné schließt einen Konter mit dem Tor zum 1:0 ab – dachten alle. Doch der Senegalese stand beim Pass tatsächlich minimal im Abseits (44. Minute).
So hatte der HSV Glück, dass es beim Stand von 0:0 in die Pause ging. „Die Konter sahen im Ansatz gut aus, wurden aber nicht zu Ende gespielt. Die Führung war durchaus drin“, sagte der frühere Dynamo-Stürmer und DDR-Nationalspieler Jürgen Kreische (71) am Sky-Mikrofon. Kreische war von 2004 bis 2010 als regionaler Scout für den HSV tätig.
Einen anderen HSV bekamen die 3000 mitgereisten Fans zunächst nur personell zu sehen. Titz brachte Last-Minute-Einkauf Hwang für den unauffälligen Vagnoman. Doch spielerisch veränderte sich zunächst wenig. Wenn, dann war der HSV bei Standardsituationen wie dem Freistoß von Santos gefährlich (50.). Nach 57 Minuten verließ der glücklose Kapitän Aaron Hunt den Platz, für ihn kam Mangala.
Hwangs Geniestreich – mit Vorgeschichte
Die nächste Großchance aber hatte Dresden: Konés Abschluss ging nur Zentimeter am Hamburger Tor vorbei (59.). Wenig später hatte auch der HSV seine erste richtig gute Gelegenheit, als Hwang erst an Schubert scheiterte und den Nachschuss ans Außennetz setzte (61.).
Der Südkoreaner spielte sich nun immer mehr ins Blickfeld. Und es war irgendwie folgerichtig, dass er für den Führungstreffer sorgte. Als die Dresdner den Ball nicht aus dem 16-Meter-Raum bekamen, fiel ihm der Ball vor die Füße – und Hwang zirkelte diesen aus zwölf Metern wunderbar ins Dresdner Tor (68.).
Ein Tor mit Vorgeschichte. "Ich wollte es genau so machen", erzählte Hwang später. Zu Hause in Südkorea habe er diesen Schuss oft mit einem Techniktrainer geübt. "Ich bin froh, dass es geklappt hat."
Titz erneut im Joker-Glück
Für Hwang war es im zweiten HSV-Spiel das erste Tor – und wie schon gegen Heidenheim mit Lasogga hatte Titz mit seiner Einwechslung alles richtig gemacht.
"Ich bin froh, dass ich solche guten Spieler im Kader habe, die solche Impulse geben können", sagte der Trainer. Das Spiel wurde nun richtig unterhaltsam. Erst vergab Dario Dumic per Kopf die Ausgleichschance, weil Pollersbeck richtig stand (71.). Dann traf auf der Gegenseite Khaled Narey statt zum 2:0 nur den Außenpfosten (74.).
Lasogga verschießt Elfmeter
Es blieb der letzte nennenswerte Hamburger Vorstoß. Der HSV überließ Dynamo nun die Kontrolle über das Spiel – und hatte Glück, dass Bates Brian Hamalainen im letzten Moment am Torschuss hinderte.
„Es war fahrlässig, wie wir nach der Führung agiert haben“, kritisierte Titz. Lasogga hätte dann alles klarmachen können, als Schiedsrichter Felix Zwayer dem HSV in der Nachspielzeit einen Elfmeter zusprach – Aosman hatte Narey allerdings deutlich außerhalb des Strafraums gefoult. Doch Lasogga scheiterte erst an Schubert und zielte beim Nachschuss daneben – es wäre sein sechstes Saisontor in der Liga gewesen.
Trotzdem reichte letztlich Hwangs Geniestreich zur Tabellenführung. Der HSV ist jetzt nur noch einen Sieg von seiner Serie von 2009 unter Trainer Bruno Labbadia entfernt. Dieser sollte am Sonntag (13.30 Uhr, Volksparkstadion/Sky) gegen Regensburg zu schaffen sein.