Pollersbeck hätte allerdings mit Rot vom Platz geschickt werden müssen. Van Drongelen brachte seinen Torhüter in Schwierigkeiten.
Hamburg. Die Pfeife von Schiedsrichter Arne Aarnink war noch gar nicht richtig verstummt, da griff Pierre-Michel Lasogga schon nach dem Ball. Kurz vor Schluss war der Angreifer von Arminia Bielefelds Verteidiger Julina Börner im Sechzehner elfmeterreif zu Fall gebracht worden. Auch ein kurzes Gespräch mit Lewis Holtby brachte Lasogga nicht von seinem Plan ab, den fälligen Strafstoß selber schießen zu wollen. Der bullige Stürmer legte den Ball fokussiert auf den Punkt und verwandelte sicher ins linke Eck zum 3:0-Endstand für den HSV. Es war Lasoggas zweiter Treffer an diesem Abend, nachdem er bereits zwölf Minuten zuvor das 2:0 erzielt hatte. Im internen Duell mit Talent Fiete Arp dürfte Lasogga vorerst die Nase vorn haben. Seine Startelfnominierung rechtfertigte er mit Toren.
3:0 – das hört sich souverän an, könnte man meinen. Doch hinter dem deutlichen Sieg für den HSV steckte ein hartes Stück Arbeit. "Wir sind total zufrieden über unseren ersten Heimsieg", sagte Sportvorstand Ralf Becker, der selbstkritisch zugab: "Es war ein sehr enges Spiel." Auch Mittelfeld-Routinier Aaron Hunt befand: "Der Sieg fällt vielleicht etwas zu hoch aus, doch das nehmen wir gerne mit. Es war ein harter Kampf." Ein gewonnener Kampf, der tabellarisch mit dem Relegationsplatz belohnt wird.
Trainer Christian Titz wusste, bei wem er sich für den Sieg zu bedanken hatte. "Am Ende hat Pierre den Unterschied gemacht, weil er dort gestanden hat, wo er musste. Das sind auch die Qualitäten des Spielers, dass er sich gerade zum Ende des Spiels diese Chancen erarbeitet und nutzt", lobte der Coach.
Holtby denkt an Jairo nach HSV-Tor
Vor 46.934 Zuschauern begann Bielefeld forsch, doch Fabian Klos und Andreas Voglsammer ließen beste Möglichkeiten liegen. Auf der Gegenseite bewiesen die Hamburger weitaus mehr Effektivität und nutzten ihre erste Chance. Lewis Holtby (9.) erzielte die Führung. Und wie schon in Sandhausen half der Torhüter der Gäste beim ersten Treffer kräftig mit. Bielefelds Schlussmann Ortega konnte eine Ito-Ecke nicht festhalten. Die Kugel landete per Zufall bei Holtby, der das Geschenk dankend annahm und per Kopf vollstreckte. Ortega war bei seinem Ballverlust zwar im Fünfmeterraum in Bedrängnis, ein Foul war dabei aber nicht zu erkennen.
Nachdem Holtby beim Torjubel mit seinen Händen ein Herz für die Fans formte, rannte er umgehend zur Ersatzbank. Dort wartete schon ein Trikot des verletzten Jairo auf den Torschützen. Stellvertretend für die gesamte Mannschaft reckte Holtby das Shirt in die Luft. Eine starke Geste für den wegen eines Totalschadens im rechten Knie noch bis Saisonende ausfallenden Jairo. Vor dem Spiel bezeichnete Sportchef Becker bei Sky einen Ersatz für den Spanier als "klares Ziel".
Einzelkritik: Bis zu seinem Doppelpack fiel Lasogga nur durch ein Foul auf
Beim Warmmachen trugen die HSV-Profis symbolisch ein Shirt mit dem Aufdruck "Come back stronger, Hermano!". Da Jairo in Hamburg nur für ein Jahr unterschrieben hat, ist nicht klar, ob er sein mögliches Comeback im Sommer 2019 in der Hansestadt geben wird.
Rote Karte? Pollersbeck im Glück
Mit der Führung im Rücken kontrollierten die Hamburger das Spiel. Defensiv waren sie jedoch hin und wieder anfällig. Und so stand unmittelbar vor der Pause gleich zweimal Torhüter Julian Pollersbeck im Mittelpunkt. Zunächst lenkte der U21-Europameister einen Freistoß von Bielefelds Linksverteidiger Florian Hartherz (40.) in Weltklasse-Manier aus dem Torwinkel. Dann hätte er vom Platz fliegen müssen. Innenverteidiger Rick van Drongelen war in Gedanken wohl schon in der Kabine und brachte seinen Schlussmann mit einem Rückpass vor erhebliche Schwierigkeiten. Unerreichbar für Pollersbeck nahm Arminias Stürmer Andreas Voglsammer den Ball auf, lief alleine aufs Tor zu und versuchte es mit einem Lupfer gegen den gerade in seinen Strafraum zurückgeeilten HSV-Keeper.
Pollersbeck wehrte den Ball mit der Hand ab – womöglich knapp außerhalb des Sechszehners. Da er hiermit eine klare Torchance verhinderte, hätte Pollersbeck vom Platz gestellt werden müssen. Doch der Torwart hatte Glück bei seiner Klärungsaktion, denn Schiedsrichter Aarnink entschied fälschlicherweise auf eine Parade innerhalb des Strafraums. Statt Freistoß für Bielefeld und Rot für Pollersbeck lief die Partie weiter. Einen dieser Tage so viel diskutierten Videobeweis gibt es in der Zweiten Liga nicht.
HSV nach der Pause im Tiefschlaf
Trotz der Gnade von Schiedsrichter Aarnink wirkte es zu Beginn des zweiten Durchgangs so, als würde der HSV in Unterzahl spielen. Die Hanseaten bettelten um den Ausgleich, doch Bielefeld erfüllte diesen Wunsch nicht – und wechselte Sven Schipplock, der in drei Jahren beim HSV kein einziges Tor erzielte, ein.
Die Hamburger wussten in dieser Phase, dass sie wieder mehr für den ersten Zweitliga-Heimsieg der Clubhistorie tun müssen. Der Erste, der den Schongang ablegte, war Khaled Narey. Gleich viermal (48., 63., 64., 86.) versuchte es der Neuzugang aus Fürth mit gefährlichen Abschlüssen. Das erlösende 2:0 erzielte aber schließlich ein anderer: Lasogga (76., 88) erhöhte den Vorsprung nach einer sehenswerten Einzelaktion – und einem Elfmeter. "Es ist ein super schönes Gefühl. Lange Zeit sah es nicht danach aus, dass ich mit zwei Toren vom Platz gehen werde", sagte der Doppeltorschütze. "Es war ein richtiges Arbeitsspiel."
Lasoggas Tore waren die Entscheidung in einer unterhaltsamen Partie, in der der HSV verdient als Sieger vom Platz ging – auch wenn die Elf von Trainer Titz noch viel Arbeit vor sich.
Die Statistik
HSV: Pollersbeck – Sakai (79. David), Bates, van Drongelen, Santos – Mangala – Narey, Hunt (83. Moritz), Holtby, Ito (46. Janjicic) – Lasogga. – Trainer: Titz
Bielefeld: Ortega - Schütz (73. Clauss), Behrendt, Börner, Hartherz - Prietl, Seufert (86. Christiansen) - Edmundsson, Staude - Voglsammer (59. Schipplock), Klos. - Trainer: Saibene
Schiedsrichter: Arne Aarnink (Nordhorn)
Tore: 1:0 Holtby (9.), 2:0 Lasogga (75.), 3:0 Lasogga (88., Foulelfmeter)
Zuschauer: 46.934