Hamburg/Buenos Aires. Der Argentinier gründete den ersten Fanclub in Südamerika – noch bevor er erstmals im Volksparkstadion ein Spiel sah.

Der Moment, als sich Luciano Altman endgültig in den HSV verliebte, war der 1. Juni 2015. Altman saß in seinem Büro in Palermo, einem Stadtteil der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. Es war Mittagszeit in Südamerika, als sich Marcelo Díaz in der 90. Minute des Relegationsspiels zwischen Karlsruhe und dem HSV den Freistoß zurechtlegte. Altman saß in seiner Ecke des Großraumbüros und schaute sich das Spiel auf einem Internet-Livestream an. Díaz traf – und Altmann schrie.

„Der Schrei war so laut, dass meine Kollegen sich erschrocken haben. Ich musste ihnen dann erst einmal erklären, was los ist“, sagt Altman, als ihn das Abendblatt an seinem Arbeitsplatz in Buenos Aires besucht.

Am Tag nach dem legendären Relegationssieg des HSV meldete sich Altman bei der Fanbetreuung im Volkspark. Er wolle einen Fanclub gründen. Gesagt, getan. Wenig später war der erste offizielle HSV-Fanclub Südamerikas gegründet: Der Name: „Nur der HSV Argentina – OFC Bernardo Romeo 9“. Mitglieder: Luciano Altman.

Es begann mit Bernardo Romeo

Die Liebesgeschichte zwischen Altman und dem HSV begann bereits vor 16 Jahren. Der Argentinier aus Castelar, einem Vorort von Buenos Aires, war schon immer Fan von San Lorenzo. 2002 wechselte Stürmer Bernardo Romeo für 5,62 Millionen Euro von dort zum HSV. Altman begann, seinen damaligen Lieblingsspieler über das Internet zu verfolgen. Insbesondere die Statistiken schaute sich der damals 20 Jahre alte Fan an. „Dabei habe ich mich in das Wappen des HSV verliebt“, erzählt Altman. In der Torschützenliste der Saison 2002/03 fand er die HSV-Raute immer weit oben. Romeo erzielte 14 Treffer in 26 Spielen. Der HSV wurde Vierter.

Mit dem Wechsel des argentinischen Stürmers nach Osasuna im Jahr 2005 verlor aber auch Altman seine Bindung nach Hamburg. „Für mehrere Jahre hatte ich den HSV vergessen“, sagt Altman. Er sitzt an seinem Schreibtisch mit vielen Büchern. Der heute 35-Jährige arbeitet für den Buchverlag Lu Reads. Altman schreibt Texte und Übersetzungen für englische Schulbücher. Und er verbringt viel Zeit mit seinen Kindern Mathilda (10) und Manuel (7). Gemeinsam gehen sie gerne in das Estadio Pedro Bidegain, die Heimspielstätte von San Lorenzo in Buenos Aires. Der HSV spielte in Altmans Leben seit der Geburt seiner Kinder keine Rolle mehr.

Doch eines Abends im Jahr 2013 spielte er zu Hause an der PlayStation 3 das beliebte Fußballcomputerspiel „Fifa“. Bei der Suche nach einem Verein entdeckte er zufällig die Raute des HSV. „Mir wurde wieder klar, wie sehr ich das Wappen mochte.“ Altman startete an der Konsole, mit dem HSV zu spielen. Als Spieler wählte er Artjoms Rudnevs aus – und schoss mit ihm viele Tore.

Die erste Fahrt nach Hamburg

Und auch sein Interesse am echten HSV wurde wieder größer. Altman begann die Bundesligaspiele im Internet zu verfolgen. Meistens zu Hause, hin und wieder auch heimlich während der Arbeit. So wie an dem besagten Montag, als der HSV in Karlsruhe gewann. In Buenos Aires war es noch Mittagszeit, als Díaz im Wildpark traf und Altman in Palermo jubelte. Seitdem weiß in seinem Großraumbüro jeder über seine Hamburger Leidenschaft Bescheid.

Nachdem Altman den ersten HSV-Fanclubs Südamerikas gegründet hatte, entschied er sich für eine Reise nach Hamburg. Im Februar 2017 war es schließlich so weit. 11.800 Kilometer legte Altman mit dem Flugzeug zurück, um den HSV spielen zu sehen. Ein kalter Winterabend in Hamburg. Der HSV traf als Tabellenvorletzter auf Bayer Leverkusen – und gewann durch ein spätes Kopfballtor von Kyriakos Papadopoulos mit 1:0. Luciano Altman erlebte einen seiner schönsten Fußballmomente. „Ich habe das Stadion und die Stadt geliebt. Ich vermisse die Alster. Und sogar die Kälte“, sagt Altman rund ein Jahr später über seine fünf Tage in Hamburg.

Als der HSV im Mai das erste Mal in der Geschichte in die Zweite Liga abstieg, war Altman richtig traurig. „Ich habe total mitgefiebert, als es am Ende der Saison noch einmal spannend wurde“, sagt er. „Ich bin ein Fan, der mit seinem Verein leidet. Das ist mit San Lorenzo so. Und das ist jetzt auch mit Hamburg so.“

Bei Altman hat Schipplock getroffen

Der Abstieg hat Altmans HSV-Leidenschaft aber nicht gelindert. Im Gegenteil. Spiele wie gegen Sandhausen an einem Sonntagmittag schaut er sich in Argentinien zum Frühstück an. Er wusste, dass auch die Spiele in Liga zwei gezeigt werden. „St. Pauli ist wegen seiner politischen Einstellung in Buenos Aires beliebt. Hier leben auch viele Linke. Daher wusste ich, dass auch die Zweite Liga im Internet zu sehen ist.“

Das Spiel gegen Bielefeld wird Altman mit doppeltem Interesse verfolgen. Als Rudnevs den HSV 2016 verließ, wechselte er an der Playstation zu Sven Schipplock. „Bei ,Fifa‘ habe ich mit ihm viele Tore geschossen“, sagt Altman und lacht. Er hat mitbekommen, dass der echte Schipplock für den HSV nie getroffen hat. „Ich werde ihn trotzdem vermissen.“ Am Montag spielt Schipp­lock mit Bielefeld in Hamburg.

Altman hofft, dass der HSV schnell wieder aufsteigt. Eines Tages will er nach Hamburg zurückkehren und mit seinen Kindern in den Volkspark gehen. „Sie sind auch schon HSV-Fans. Es wäre ein Traum, wenn wir ein Europapokalspiel des HSV sehen könnten.“ Warten will Altman darauf aber nicht. Gerade erst war er für viel Geld beim WM-Finale in Russland. „Ich bin wohl ein bisschen verrückt“, sagt er und lacht. Man glaubt ihm, wenn er sagt, dass er schon bald wieder nach Hamburg reisen wird.