Hamburg. Drei Spieler entsendet der Club, einen mehr als vor vier Jahren. Zwölf weitere Akteure haben eine Hamburg-Vergangenheit.
16 Spieler entsendet Manchester City zur Fußball-WM nach Russland (14. Juni bis 15. Juli). Weltweit ist kein Club im Turnier stärker vertreten als der englische Meister. Der deutsche, Bayern München, kommt auf elf WM-Teilnehmer. Immerhin: Auch drei HSV-Profis haben trotz des Abstiegs ihres Clubs aus der Bundesliga den Sprung in den 23er-Kader ihrer Nationalmannschaft geschafft – einer mehr sogar als 2014 in Brasilien, als nur Johan Djourou und in letzter Minute auch Milan Badelj nominiert wurden.
Die beiden sind zwar nicht mehr in Hamburg aktiv, aber auch in Russland wieder dabei. Insgesamt sind 15 aktuelle oder ehemalige HSVer bei der WM vertreten. Ein Überblick.
Filip Kostic (25): Der HSV-Linksaußen darf sich Hoffnungen auf einen WM-Einsatz für Serbien machen. Bei der 0:1-Niederlage im Testspiel gegen Chile am Montagabend in Graz (Österreich) wurde er nach 64 Minuten eingewechselt; es war sein 22. Länderspiel (zwei Tore). Der Abstieg des HSV ist allerdings auch Kostics persönlicher: Vor zwei Jahren für 14 Millionen Euro vom VfB Stuttgart gekommen, wird sein aktueller Marktwert vom Portal „Transfermarkt“ auf sechs Millionen Euro geschätzt. Der HSV will Kostic trotzdem im Sommer verkaufen.
Über die WM sagt Kostic: "Ich denke, wir können eine Überraschung sein." Die ist bei seinen schwankenden Leistungen in der Tat immer drin.
Albin Ekdal (28): Letzteres gilt auch für den defensiven Mittelfeldspieler des deutschen Vorrundengegners Schweden. Ekdal war in der entscheidenden Phase der abgelaufenen HSV-Saison verletzt und unter dem neuen Trainer Christian Titz, der meist nur mit einem „Sechser“ spielen lässt, zum Edelreservisten degradiert.
In seiner Nationalmannschaft ist Ekdal jedoch unumstritten. Trainer Janne Andersson sieht ihn nach 33 Länderspielen als seinen Strategen an: „Albin verfügt über eine Ganzheitlichkeit, die im Vergleich zu anderen Spielern eine Extra-Dimension beinhaltet. Das will ich gerne auf dem Platz sehen“, sagte er dem „Kicker“. Jetzt muss Ekdal nur noch gesund bleiben.
Gotoku Sakai (27): Trotz seiner 39 Länderspiele: Der HSV-Kapitän ist in der japanischen Nationalmannschaft auf der Position des rechten Verteidigers wohl eher als Backup für seinen Namensvetter Hiroki Sakai (Olympique Marseille) vorgesehen. Es wird eine schwierige Mission: Die Nationalmannschaft steckt in der Krise und ist in der Weltrangliste auf Platz 60 abgerutscht.
Marcus Berg (31): In die HSV-Geschichte ging der Stürmer als teurer Flop ein: 2009 für zehn Millionen Euro vom FC Groningen geholt, wurde er vier Jahre, fünf Bundesligatore und ein Leihgeschäft später wieder abgegeben – ablösefrei. Allzu selten zeigte er Aktionen wie diese:
In der schwedischen Nationalmannschaft war auf Berg, der inzwischen bei Al-Ain in den Vereinigten Arabischen Emiraten spielt, meist Verlass: In 55 Länderspielen gelangen ihm immerhin 19 Tore. Und da Zlatan Ibrahimovic nicht dabei ist, führt für Trainer Andersson an Berg kaum ein Weg vorbei.
Johan Djourou (31): Vom HSV vor einem Jahr im Streit mit dem damaligen Trainer Markus Gisdol geschieden, hat der frühere Hamburger Kapitän sein sportliches Glück bei Antalyaspor wiedergefunden. Seinen Stammplatz in der Schweizer Innenverteidigung (73 Länderspiele, zwei Tore) droht er allerdings an Manuel Akanji (22) zu verlieren. Der Dortmunder stand zuletzt beim 1:1 in Spanien in der Startformation.
Vielleicht hat er dafür umso mehr Gelegenheit, seine frisch erlernten Russischkenntnisse einzubringen.
Valon Behrami (33): In der Schweiz sind für den ehemaligen HSV-Sechser (22 Bundesligaspiele in der Saison 2014/15) schon dank seiner frischen Beziehung mit Skistar Lara Gut derzeit die Schlagzeilen reserviert.
Aber auch sportlich schreibt Behrami (78 Länderspiele, zwei Tore) Geschichte(n): Russland wird sein sechstes großes Turnier – das hat noch kein Landsmann geschafft. Seine WM-Bilanz ist allerdings eher tragisch. 2006 kam der Mann von Udinese Calcio auf ganze zwei Spielminuten. Vier Jahre später sah er bei seinem ersten Einsatz nach 30 Minuten die Rote Karte. Und 2014 verlor er im Achtelfinale unglücklich in der Verlängerung gegen Argentinien.
Josip Drmic (25): Der dritte Ex-HSVer im Schweizer Bunde. Das halbjährige Hamburg-Gastspiel des Mönchengladbacher Stürmers endete 2016 nach sechs Spielen und einem Tor mit einem Knorpelschaden. Auch in der Nationalmannschaft verhinderten Verletzungen, dass es nicht mehr als 28 Länderspiele und neun Tore wurden. In der WM-Qualifikation war Drmic nur in einem Spiel dabei, sein letzter Startelfeinsatz liegt fast drei Jahre zurück. Bei der Nominierung profitierte er auch davon, dass der Wolfsburger Admir Mehmedi nach seiner Mittelfußverletzung nicht rechtzeitig fit geworden ist.
Drmic ist übrigens nicht nur am Ball durchaus virtuos, sondern auch an der Tastatur.
Vincent Kompany (32): Einer aus der Zeit, als beim HSV noch echte Stars spielten. 29 Bundesligaspiele (ein Tor) bestritt der Innenverteidiger, bevor er 2008 an Manchester City verkauft wurde. Jetzt hofft Fußball-Belgien inständig, seinen angeschlagenen Abwehrchef (77 Länderspiele, vier Tore) einsetzen zu können. Beim 0:0 im Test gegen Portugal vergangene Woche erlitt Kompany eine Leistenverletzung. Sollte bis 24 Stunden vor dem Auftaktspiel gegen Panama keine Besserung eintreten, könnte Kompany noch aus dem Kader rutschen.
Für Furore sorgte er gegen Ende seiner HSV-Zeit, als er nach einem Disput mit dem scheidenden Trainer Huub Stevens für ein Spiel suspendiert wurde. Die Begründung lieferte Kompany in einem Abendblatt-Interview nach: „Ich bin ein Rebell.“
Jérôme Boateng (29): Apropos: Auch der deutsche Weltmeister (70 Länderspiele, ein Tor) schaffte beim HSV in 75 Bundesliga- und 29 Europapokalspielen seinen Durchbruch, bevor er 2010 Kompany in die Innenverteidigung von Manchester City folgte. Weitere Parallele: Boateng ging angeschlagen in die WM-Vorbereitung. Seine Oberschenkelverletzung scheint aber rechtzeitig abzuklingen.
Dass er auch im fernen München noch eine Verbundenheit zum HSV verspürt, davon zeugt eine Nachricht, die Boateng vor dem Bundesliga-Finale in den sozialen Netzwerken absetzte.
Heung-Min Son (25): Der Südkoreaner ist ein Beleg dafür, dass schon vor Bernhard Peters nicht alles schlecht war in der Jugendarbeit des HSV. 2008 kam Son ans HSV-Internat. Fünf Jahre, 73 Bundesligaspiele und 20 Tore später war er nicht mehr in Hamburg zu halten. Im Sturm der Tottenham Hotspurs muss sich Son den Star-Status mit Harry Kane teilen. In der Nationalmannschaft ist Asiens Fußballer des Jahres nach 64 Länderspielen und 21 Toren unangefochten.
Son könnte sich in Russland eine besondere WM-Prämie erspielen: Sollte er Südkorea zu einem Vorrundensieg gegen Weltmeister Deutschland oder gar ins Achtelfinale schießen, würde ihm wohl der Militärdienst erlassen.
Paolo Guerrero (34): Auf Twitter gehörte der frühere HSV-Stürmer (134 Bundesligaspiele zwischen 2006 und 2012) im Mai zu den zehn meistdiskutierten Fußballern der Welt – sein juristischer Kampf gegen seine Dopingsperre hatte bei den Fans offenbar großes Erregungspotenzial. Jetzt erfüllt sich für den peruanischen Kapitän nach 87 Länderspielen und 33 Toren der WM-Traum. Zuvor steht am Sonnabend noch das finale Testspiel gegen Deutschlands Gruppengegner Schweden an.
In Hamburg ist Guerrero, der inzwischen für Flamengo Rio de Janeiro spielt, weniger wegen seiner 37 Tore als vielmehr durch zwei unrühmliche Aktionen nachhaltig in Erinnerung geblieben: ein brutales Foul an Sven Ulreich und einen Flaschenwurf gegen einen pöbelnden Fan.
Milan Badelj (29): 2014 wurde der defensive Mittelfeldspieler kurz vor dem WM-Eröffnungsspiel gegen Brasilien vom damaligen kroatischen Trainer Niko Kovac nachnominiert – zum Einsatz kam er letztlich nicht. Nach inzwischen 37 Länderspielen könnte es für ihn diesmal zum WM-Debüt reichen.
62 Spiele bestritt Badelj für den HSV, bevor er nach zwei Jahren 2014 zum AC Florenz wechselte. Zur neuen Saison könnte er wieder beim HSV landen – dem Hannoverschen von 1896. Der Bundesligist will den defensiven Mittelfeldspieler angeblich verpflichten.
Bert van Marwijk (66): Als Nationaltrainer war der Niederländer deutlich erfolgreicher als 2013/14 mit dem HSV (0,88 Punkte im Schnitt). Vor acht Jahren führte er sein Heimatland in Südafrika bis ins WM-Finale (0:1 n. V. gegen Spanien). Diesmal hat er mit Saudi-Arabien die Qualifikation für die Endrunde geschafft. Doch nachdem sich van Marwijk bei den Vertragsverhandlungen mit dem Verband überworfen hatte, musste er gehen.
In Russland ist er trotzdem dabei: als Trainer von Australien. Einen Teil seines Gehalts von 650.000 Euro gibt van Marwijk direkt an seinen niederländischen Trainerstab weiter. Australiens Verband hatte van Marwijks Antrag auf eine Kurzanstellung seiner Landsleute aus Kostengründen abgelehnt. Nach der WM wird Graham Arnold die Nachfolge übernehmen.
Roel Coumans (47): Der Niederländer hatte als Assistent von van Marwijk ein fünfmonatiges Gastspiel beim HSV. Seit August 2015 ist er Co-Trainer von Saudi-Arabien – und blieb es auch nach dem Abgang seines Mentors. Der Wüstenstaat ist zum fünften Mal bei einer Endrunde dabei und darf gegen Gastgeber Russland als erstes asiatisches Team ein WM-Auftaktspiel bestreiten. Weitere Gruppengegner sind Ägypten und Uruguay.
Beim HSV sollte Coumans einst nicht nur das tägliche Training mitgestalten, sondern auch anhand von Fragebogen Psycho-Tests mit allen Profis durchführen. Doch bevor es zur Erstellung der sogenannten „Reiss-Profile“ kam, zog der HSV die Reißleine. Zuvor aber erklärte Coumans mit van Marwijk den HSV-Fans noch, wie man in ihrer Heimat Weihnachten feiert.
Ivica Olic (38): 2014 war der ehemalige HSV-Stürmer (103 Bundesligaspiele, 31 Tore) noch als Spieler für Kroatien in Brasilien dabei. Ein Jahr nach seinem Karriereende erlebt er als Co-Trainer seine vierte WM. Er sagt: „Unsere Jungs spielen bei großen Clubs und haben dort eine wichtige Rolle. Deshalb sind wir optimistisch.“
In Russland hat Kroatien aber eine schwere Gruppe mit Argentinien, Island und Nigeria erwischt. Aber wer den Kung-Fu-Tritt eines späteren Wrestlers überlebt hat, den wird das nicht schrecken.