Hamburg. Der Fan-Zuspruch ist unverändert hoch. Kritisch sieht es bei den VIP-Kunden aus. Wie HSV-Boss Hoffmann die Lage einschätzt.
Die Anspannung war ihm anzusehen. Als Udo Martins Name aufgerufen wurde, fehlte ihm zunächst etwas die Orientierung auf der Bühne im kleinen Saal der Handwerkskammer. Doch als HSV-Präsident Bernd Hoffmann ihm die Urkunde für seine seit dem 1. Juni wirksame lebenslange Mitgliedschaft überreichte, wich die Nervosität der Freude. „Es ist ein ganz besonderer Tag für mich“, sagt Martin.
Für 1887 Euro – in Anlehnung an das offizielle Gründungsdatum des HSV – können Fans jetzt auf raute-dich.de bis an das Lebensende eine Mitgliedschaft kaufen. Für die ersten Teilnehmer gab es am Montagabend zur Belohnung ein Gruppenfoto mit Uwe Seeler, der ebenfalls eine lebenslange Mitgliedschaft abschloss und seinen Humor trotz des Abstiegs nicht verloren hat: „Ich nehme die Mitgliedschaft nur an, wenn ich aufgestellt werde“, sagte der 81-Jährige und grinste.
HSV-Fan Martin: „Ich will ein Zeichen setzen“
Der 20 Jahre jüngere Martin ist seit 14 Jahren Mitglied beim HSV und zahlte dafür bislang eine Jahresgebühr von 48 Euro. Der Jurist aus dem hessischen Groß Gerau müsste mehr als 100 Jahre alt werden, damit sich die Zahlung für ihn rentiert. Trotzdem musste er nicht lange überlegen, als der HSV vor knapp einem Monat über sein neues Angebot informiert hatte.
„Natürlich stehen Kosten und Ertrag in meinem Fall in keinem Verhältnis. Aber ich will dadurch ein Zeichen setzen und meinen Teil dazu beitragen, dass der Verein nach dem Abstieg wieder in die richtigen Bahnen kommt“, sagte Martin im Gespräch mit dem Abendblatt.
Die Idee der Aktion hat der HSV vom 1. FC Köln übernommen. Auch die Bundesligisten Bremen, Stuttgart, Frankfurt und Dortmund bieten diese Möglichkeit an. „Die Entscheidung fiel mir leicht, weil sich beim HSV zuletzt einiges zum Positiven entwickelt hat“, sagt der gebürtige Frankfurter, der während seiner Grundausbildung bei der Bundeswehr für drei Monate in Hamburg stationiert war und in dieser Zeit HSV-Fan wurde.
Weil er über die Jahre in hessischen Kleinstädten arbeitete, schaffte es Martin nur punktuell in den Volkspark. „Ich wäre oftmals nach dem Spiel nicht mehr nach Hause gekommen. Aber vor dem Fernseher habe ich versucht, jede Partie zu verfolgen.“ Als er Anfang des Jahrtausendwechsels beruflich in Frankfurt tätig war, besaß er für drei Jahre eine Dauerkarte. Alle zwei Wochen saß er im Zug nach Hamburg.
„Hoffmann packt die Dinge an“
Nun entschied sich Martin zur lebenslangen Mitgliedschaft – auch wegen der neuen Personalkonstellation. „Es ist ein beruhigendes Zeichen, dass Herr Hoffmann jetzt auch Vorstandschef geworden ist“, sagte Martin, der mit dem 55-Jährigen die erfolgreichste Zeit der jüngeren Clubgeschichte verbindet, als der HSV unter der Führung Hoffmanns unter die Top 20 in Europa aufgestiegen war. „Er packt die Dinge an und hat, wie ich finde, ein starkes Führungsteam zusammengestellt.“
Damit nennt Martin den zweiten Grund, warum er sich für den Schritt entschloss: Trainer Christian Titz. Dass ein Fan sich ausgerechnet beim Trainer-wechsle-dich-Club HSV aufgrund eines Übungsleiters für eine lebenslange Mitgliedschaft entscheidet, ist erstaunlich. Martin erklärt: „Unter Titz spielen wir endlich wieder offensiven Fußball, sodass es sich lohnt, ins Stadion zu gehen.“
Passend dazu gehört auch Titz selbst zu den neuen lebenslangen Mitgliedern. „Ich bin unglaublich stolz hier zu arbeiten. Ich habe den HSV und sein Umfeld schätzen gelernt“, sagte Titz. Neben dem Trainer und Udo Martin haben bereits 130 Fans eine lebenslange Mitgliedschaft abgeschlossen. Der größte Teil von ihnen ist älter als 40 Jahre. „Ich hoffe, dass wir die magische Marke 1887 knacken können“, sagte Hoffmann und kündigte an, die Einnahmen in die Infrastruktur des e.V. zu investieren.
Hoffmann kämpft um abgewanderte VIP-Kunden
Auch der Zuwachs einfacher Mitglieder hält seit dem Abstieg ungebrochen an. Vor wenigen Tagen verkündete der HSV den Durchbruch der 80.000-Mitgliedermarke. Allerdings bleibt die Lage bei den VIP-Kunden kritisch. 40 Prozent hatten zum 31. März ihre Plätze gekündigt (Abendblatt berichtete).
In der abgelaufenen Saison nahm der Club noch 14 Millionen Euro durch 2900 verkaufte Business-Seats (4500 bis 7500 Euro) und Logen (ab 71.500 Euro) ein. Nun kämpft Hoffmann persönlich darum, die abgewanderten Kunden zurückzugewinnen und zugleich neue Dauerkartenkäufer für den VIP-Bereich zu finden – ein bislang schwieriges Unterfangen. „Wir hoffen, unsere Bilanz bis zum ersten Saison-Heimspiel deutlich verbessert zu haben“, sagte Hoffmann dem Abendblatt.