Hamburg. Der HSV läuft Gefahr, den mit Abstand teuersten Sturm der 2. Liga unterhalten zu müssen. 20 Prozent des Gehaltsetats wären abgedeckt.
Ziemlich genau ein Jahr ist es her, dass der 1. FC Köln Kontakt zum HSV aufnahm. Anlass des Anrufs vom damaligen FC-Sportdirektor Jörg Schmadtke beim damaligen HSV-Sportchef Jens Todt war Hamburgs Stürmer Bobby Wood. Die Kölner waren auf der Suche nach einem Ersatz für Anthony Modeste. Und Wood, so der Plan des FC, sollte die Lücke schließen, die 25-Tore-Stürmer Modeste durch seinen Wechsel nach China hinterließ.
Es kam anders. Wood nutzte gemeinsam mit seinem Berater Volker Struth das Kölner Interesse, um sich einen besser dotierten Vertrag beim HSV zu erpokern. Die Hamburger verlängerten den Vertrag des US-Stürmers vorzeitig bis 2021 und verdoppelten Woods Gehalt nach nur fünf Toren in 28 Bundesligaspielen (Platz 44 in der Torjägerliste). Köln holte sich stattdessen den Mainzer Jhon Cordoba (ebenfalls nur fünf Treffer) für die stolze Summe von 17 Millionen Euro aus Mainz. Für beide Clubs sollte es eine verhängnisvolle Entscheidung werden.
Keine Offerten für Wood
Ziemlich genau ein Jahr später sind sowohl der HSV als auch der 1. FC Köln in die Zweite Liga abgestiegen. Und beide Clubs vereint ein Problem. Keiner will ihre teuren Stürmer haben. Kölns Cordoba konnte in 18 Bundesligaspielen kein einziges Tor erzielen, Wood traf in 24 Spielen nur zweimal. Der HSV-Angreifer würde den Club gerne verlassen. Doch nach Abendblatt-Informationen gibt es für Wood – Stand jetzt – keine Offerten. Lose Anfragen erübrigen sich meist dann, wenn es um Woods Gehalt geht. Selbst sein reduziertes Zweitliga-Jahressalär (rund zwei Millionen Euro) ist für viele Clubs zu hoch, um ein ernsthaftes Angebot in Betracht zu ziehen.
Am Wochenende konnte der 25-Jährige mal wieder sein zweites Gesicht zeigen. Im Trikot des US-Teams trifft Wood regelmäßig. Seine Mannschaft verlor zwar das Freundschaftsspiel in Irland mit 1:2, doch Wood überzeugte mit seinem Treffer zur zwischenzeitlichen Führung kurz vor der Halbzeit. Ein Tor im Stile eines Vollstreckers. Für Wood der zwölfte Treffer im 38. Länderspiel. Sein viertes Tor in sechs Partien für das Nationalteam im vergangenen Fußballjahr.
Torlosigkeit gepaart mit Motivationsproblemen
Dass Wood in dieser Saison einen tiefen Fall erlebte, hat auch damit zu tun, dass er im alles entscheidenden Länderspiel torlos blieb. Durch das 1:2 gegen Trinidad und Tobago Anfang Oktober verpasste Wood mit den USA die Qualifikation zur WM, und für den Stürmer platzte ein großer Traum. Fortan verschärfte sich seine persönliche Krise beim HSV. Woods Torlosigkeit gepaart mit Motivationsproblemen machten vor allem seinem Club zu schaffen. Als der Stürmer kurz vor Saisonende seine Form wiederfand, war es zu spät. Auch Trainer Christian Titz hatte Schwierigkeiten, Wood zu packen. „Es ist schade, weil Bobby viele Qualitäten wie Geschwindigkeit, Ballbehauptung auf engem Raum oder Tiefenlaufwege mitbringt“, sagte Titz.
Am Sonnabend hat Wood beim Länderspiel in Lyon gegen Frankreich noch eine Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen. Die große Bühne der Weltmeisterschaft bleibt ihm in diesem Sommer aber verwehrt. Und so gehen beim HSV aktuell alle davon aus, dass Wood nach seinem Urlaub zum Trainingsauftakt am 21. Juni in Hamburg dabei ist. Für den Club eine schwierige Situation. Mit Pierre-Michel Lasogga und Bobby Wood würde sich der HSV den teuersten Sturm der Liga leisten müssen. Auch für Lasogga, der noch bis Sommer 2019 selbst in Liga zwei ein Jahresgehalt von rund 3,5 Millionen Euro bezieht, gibt es aktuell keinen potenziellen Abnehmer.
HSV hat den gleichen Etat wie Köln
Der HSV plant für die kommende Zweitligasaison mit einem Spieleretat von rund 30 Millionen Euro. Dieselbe Summe, die auch Kölns Geschäftsführer Sport Armin Veh für seine Mannschaft anpeilt. Zum Vergleich: Beim Ligakonkurrenten FC St. Pauli liegt der Etat bei rund elf Millionen Euro – inklusive Trainerteam. Die Topspieler verdienen etwa 400.000 bis 500.000 Euro pro Jahr.
Der neue HSV-Sportvorstand Ralf Becker hat das Ziel ausgegeben, den Gehaltsetat zu drücken und wieder vernünftiger zu wirtschaften. Verträge wie die von Lasogga oder von Wood soll es in Zukunft nicht mehr geben. „Wir haben wirtschaftlich gesehen eine schwierige Situation. Es muss das Ziel sein, bescheiden und vernünftig mit unseren Mitteln umzugehen“, sagte Becker im Abendblatt-Interview.
Problemfälle Wood und Lasogga
Die ungewisse Lage im Fall Wood, aber auch im Fall Lasogga stellt sich für Becker in diesem Vorhaben als Problem dar. Zum einen besetzen die beiden zwei Kaderstellen im Angriff, obwohl Titz mit beiden nicht zwingend plant. Zum anderen vereinnahmen die beiden zusammen schon fast 20 Prozent des Gehaltsetats. Gut möglich, dass der HSV die Marke von 30 Millionen Euro für die Kosten der Mannschaft überschreiten wird, sollten Wood und Lasogga beim HSV bleiben.
Mit den Verkäufen von Luca Waldschmidt an den SC Freiburg (fünf Millionen Euro) und André Hahn an den FC Augsburg (drei Millionen Euro) hat der HSV zumindest schon einmal ein paar Millionen Euro eingenommen, wenngleich die beiden nicht zu den Topverdienern zählten und den Gehaltsetat nur geringfügig entlasten.
Hahn stand indes vor ziemlich genau einem Jahr auch auf dem Zettel des 1. FC Köln. Doch Schmadtke scheute einen Kauf des damaligen Mönchengladbachers, weil er durch die Fanrivalität zur Borussia Probleme fürchtete. Der weitere Verlauf ist bekannt. Trainer Markus Gisdol und Sportchef Jens Todt holten Hahn zum HSV – und der entwickelte sich in Hamburg zu einer ähnlichen „Erfolgsgeschichte“ wie Wood.