Hamburg. Neuer Sportchef soll bald kommen. Verein stellt die Uhr im Volkspark neu. 16 Fans nach Randale in Gewahrsam.
Es ist vollbracht: Der HSV steigt erstmals in 55 Jahren aus der Fußball-Bundesliga ab. Der 2:1-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach reichte der Mannschaft von Trainer Christian Titz nicht zum Sprung auf Relegationsplatz 16. Dort schließt nun der VfL Wolfsburg ab, der zeitgleich mit 4:1 gegen Hamburgs Mitabsteiger 1. FC Köln gewann.
Abendblatt.de hält Sie am Tag nach dem Abstieg in die Zweite Bundesliga über das Geschehen beim HSV auf dem Laufenden.
Rückendeckung für Brych nach HSV-Randalen
WM-Referee Felix Brych hat für sein Handeln bei den Hamburger Bundesliga-Randalen Rückendeckung von Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich erhalten. Der Schiedsrichter müsse die Sicherheitslage in Abstimmung mit Polizei und Sicherheitskräften einschätzen, teilte Fröhlich am Sonntag mit.
„Wenn danach eine Fortführung des Spiels aus Sicherheitsgründen angeraten ist und das auch unter regulären Bedingungen möglich ist, dann sollen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um das Spiel einem ordnungsgemäßen und sportlichem Ende zuzuführen und es eben nicht abzubrechen“, fügte der Vorsitzende der Schiedsrichter-Kommission des Deutschen Fußball-Bundes hinzu.
Hoffmann: "Können uns keine Fehler erlauben"
Der Abstieg des HSV nach 55 Jahren Zugehörigkeit zur Fußball-Bundesliga lässt keinen kalt. Über die Folgen für den Verein, die Stadt und die Perspektiven in der Zweiten Liga hat Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider mit dem Aufsichtsratschef des HSV, Bernd Hoffmann, gesprochen. Sehen Sie das ganze Interview hier im Video.
HSV stellt die Uhr im Volkspark neu
Die legendäre Uhr im Volksparkstadion des Hamburger SV läuft trotz des Abstiegs weiter, sie wurde allerdings umgestellt. Statt der Bundesliga-Zugehörigkeit dokumentiert die digitale Anzeige an der Nordtribüne nun die Zeit seit der Vereinsgründung im Jahr 1887.
Der Schriftzug "In der Bundesliga seit:" wurde durch den Slogan "Tradition seit" ersetzt."130 Jahre und 226 Tage", zeigte die Uhr am Sonntag. Am Vortag war der HSV nach 54 Jahren und 261 Tagen als letztes der 16 Gründungsmitglieder erstmals aus der Bundesliga abgestiegen.
Hoffmann kündigt Sparkurs an
Bernd Hoffmann befindet sich mitten in den Planungen der HSV-Zukunft. In der Zweiten Liga wird der ehemalige Bundesliga-Dino deutlich mehr aufs Geld achten als in der Vergangenheit. "Wir werden nicht weiter Unsinnspreise zahlen wie in der Vergangenheit", kündigte der Aufsichtsratsvorsitzende bei "Wontorra, der Fußballtalk" an. Bei neu abgeschlossenen Verträgen will der HSV künftig "marktgerechte Gehälter" zahlen. Trotz der zarten Euphorie der vergangenen acht Wochen habe man keine "blühende Landschaft", sagte der Aufsichtsratschef. "Der Abstieg hat sich über Jahre angekündigt. Der Tiefpunkt der Depression war in diesem Winter", so Hoffmann und ergänzte: "Wir haben einen weiten Weg vor uns, bevor wir wieder ein ein konkurrenzfähiger Club sind. Wir werden mit viel Engagement die Mission Zweite Liga angehen."
Hochdotierte Verträge, wie die von Pierre-Michel Lasogga, der knapp vier Millionen Euro pro Jahr verdient, werde man respektieren, aber Hoffmann deutete an, dass man an einer Lösung arbeiten wird. Neu-Verträge werden künftig zu "realistischen Preisen" ausgehandelt. "Wir haben Verträge, die mit einem Gehaltsgefüge in der Zweiten Liga oder in den Regionen, in denen wir uns zuletzt bewegt haben, nichts zu tun haben."
Darüber hinaus erklärte der 55-Jährige, der "zeitnah" einen neuen Sportvorstand präsentieren will. Dabei will Hoffmann nicht ausschließen, einen Kandidaten zu verpflichten, der noch bei einem anderen Club unter Vertrag steht. "Wir machen unsere Hausaufgaben und befinden uns in Gesprächen. Wir werden einen guten Kandidaten präsentieren, können aber erst Vollzug vermelden, wenn der mögliche Kandidat mit seinem Job durch ist." Beim HSV soll in Zukunft auch auf Vorstandsebene wieder mehr über Sport gesprochen werden. "In den letzten Jahren wurde zu oft über Anleihen, Kühne und Einsparungen bei Blumensträußen gesprochen. Das muss sich ändern", forderte Hoffmann.
Deutliche Position bezog Hoffmann auch in der Causa Klaus-Michael Kühne, den er weiterhin als "wichtigen Partner" bezeichnet, wenngleich er hofft, dass sich der HSV-Investor künftig öffentlich mit Äußerungen zurückhält. "Für das diplomatische Corps ist Herr Kühne sicher nicht geeignet, aber ich kann es ihm nicht verübeln, dass er sich aufregt, wenn man über 100 Millionen Euro investiert und dann absteigt".
Klare Kante will der HSV-Aufsichtsratschef auch gegen die knapp 150 Randalierer, die beim Spiel gegen Mönchengladbach für beschämende Bilder gesorgt hatten."Es besteht der Eindruck, dass man denen ausgeliefert ist, aber das darf nicht sein. Ich will mich nicht damit abfinden, dass eine Minderheit sich unbemerkt vermummt und hochexplosive Dinge durch die Gegend wirft. Der Abstieg, der in Würde und mit Stil stattfand, wurde von den Chaoten überlagert", sagte Hoffmann, der eine Strafe seitens des DFB erwartet.
Am Sonntagabend wird sich Hoffmann auch beim Hamburger Abendblatt äußern. Ab 18.30 Uhr steht der starke Mann des HSV in einem Live-Interview auf abendblatt.de Chefredakteur Lars Haider Rede und Antwort.
Sportchef-Kandidat Schmadtke unterschreibt in Wolfsburg
In der Vergangenheit war Jörg Schmadtke immer mal wieder Kandidat beim HSV, wenn es um die Besetzung des Sportchef-Postens ging. Nun ist der 54-Jährige, der zuletzt vom Radar der Hamburger verschwunden war, vom Markt. Der ehemalige sportliche Leiter des 1. FC Köln hat einen Vertrag beim VfL Wolfsburg als Geschäftsführer Sport unterschrieben. Der Deal soll in den kommenden Tagen offiziell bestätigt werden.
Polizei nimmt 16 HSV-Fans auf dem Kiez fest
Die Hamburger Polizei hat am Sonnabend 16 HSV-Fans auf dem Kiez kurzfristig in Gewahrsam genommen."Hier ging es um eine Verhinderung von möglichen Straftaten", sagte ein Polizeisprecher. Dem Vernehmen nach sind die Anhänger mit Fans des FC St. Pauli aneinander geraten. Darüber hinaus sei es in der Stadt aber ruhig geblieben, verkündete die Hamburger Polizei.
Sky-Experte Hamann warnt vor zu großer Euphorie
Der HSV ist erstmals abgestiegen. Sky-Experte Dietmar Hamann glaubt nicht, dass die Rückkehr in die Bundesliga ein Selbstgänger wird. Darüber darf auch nicht hinwegtäuschen, dass in der Ära Christian Titz eine passable Entwicklung zu erkennen war. "Das ist die Gefahr, wenn man denkt: So schlecht sind wir ja gar nicht. Einfach wird die Zweite Liga nicht", sagte der TV-Experte, der aber durchaus Hoffnungen in den HSV-Coach setzt. "Wäre Titz früher gekommen, hätte man vielleicht die Punkte geholt, die am Ende gefehlt haben.
Hamburger Abendblatt installiert Aufstiegsuhr
Vor der direkt nach Abpfiff gestarteten Aufstiegsuhr des Hamburger Abendblattes an der Geschäftsstelle am Großen Burstah versammelten sich am Sonnabendnachmittag Dutzende Passanten und Besucher des Hafengeburtstages. Die meisten lachten amüsiert oder waren verwundert. „Der HSV ist abgestiegen?“ „Das gibt’s doch nicht.“
„So optimistisch ist man in Hamburg!“ waren die ersten Kommentare. Mit der Uhr wird die Zeit gezählt, die der HSV nach 55 Jahren Bundesligazugehörigkeit und dem Abstieg wieder braucht, um erstklassig zu werden – in Jahren, Monaten, Tagen...
Wettstein gibt Ziel Wiederaufstieg aus
Nach dem ersten Schock über den Abstieg aus der Fußball-Bundesliga nach 55 Jahren richtete sich der Blick der Verantwortlichen nach vorn. „Wir sind voll handlungsfähig und arbeiten ab jetzt intensiv an dem klaren Ziel, bestmöglich vorbereitet in die nächste Saison zu gehen und den direkten Wiederaufstieg zu realisieren“, sagte Vorstand Frank Wettstein. In der kommenden Woche werden die Personalplanungen vorangetrieben. Auch der mündlich vereinbarte Vertrag mit Trainer Christian Titz soll finalisiert werden. Die Vorbereitung auf die erste Zweitliga-Saison in der Clubgeschichte wird voraussichtlich Ende Juni beginnen.
Bilder des ersten HSV-Abstiegs:
HSV nach dem ersten Abstieg im Gefühlschaos
Innensenator: "Hässliche Szenen kranker Köpfe"
Ein Hauch von G20 im Volkspark: Nach dem Spiel hat sich Hamburgs Sport- und Innensenator Andy Grote (SPD) bei den Polizisten für ihren Einsatz im Volksparkstadion bedankt. "Das war eine sehr ordentliche Leistung der Polizei heute", sagte Grote. So hätten ein Platzsturm und Zusammenstöße gegnerischer Fangruppen verhindert werden können. "Es war ehrlicherweise noch Schlimmeres befürchtet worden", sagte er.
Dennoch zeigte sich auch Grote entsetzt über die Ausschreitungen "einiger kranker Köpfe" gegen Spielende. "Wir haben hässliche Szenen gesehen", sagte der Politiker. Zum Glück hätten Unbeteiligte keinen Schaden genommen. Es habe nicht verhindert werden können, dass Pyrotechnik in den Block geschmuggelt und dort gezündet werden konnte. "Das ist bitter", sagte Grote.
Gleichwohl will Grote etwaige Kritk an dem Polizeieinsatz im Stadion nicht gelten lassen: "Das Abfackeln der Pyrotechnik hätte nicht verhindert werden können." Durch ein Einschreiten innerhalb des Block hätten "sehr schnell" unübersichtliche Situationen entstehen können. Auch so müssten die Täter nun mit Strafverfolgung rechnen. "Ich gehe davon aus, dass wir eine Menge Bildmaterial haben, um einen Teil der verantwortlichen Personen identifizieren zu können", sagte Grote.
Als Fan habe er sich eigentlich zunächst gefreut, wie die Zuschauer selbst beim praktisch feststehenden Abstieg noch gefeiert hätten. "Es war eigentlich eine Gänsehautatmosphäre, das ganze Stadion stand hinter der Mannschaft. Dass jetzt andere Bilder in den Nachrichten transportiert werden, macht mich schon wütend."
Den Abstieg nannte Grote als "ganz, ganz bitter für den Verein und die Stadt. Hamburg ist jetzt im Erstligafußball ein Jahr lang nicht vertreten. Das hätten wir uns alle so nicht gewünscht.
Ex-Stürmer Petric spricht "seinem" HSV Mut zu
Der ehemalige HSV-Stürmer Mladen Petric hat sich in einem emotionalen Facebook-Post zum Abstieg des HSV geäußert. Der Kroate hat bis zum Schluss mit seinem ehemaligen Club, für den er noch immer große Sympathien hegt, mitgefiebert. Der 37-Jährige glaubt, dass der HSV schon bald wieder in der Bundesliga spielen wird.
Tschentscher: "Das sind Anti-Fans"
"Das sind Anti-Fans“, schimpfte Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher über die Übeltäter und lobte die Polizei: „Die Sicherheitskräfte haben besonnen und richtig reagiert.“
Bislang stehen zwei Neuzugänge für die neue Saison fest
Wie der Kader für die kommende Spielzeit aussehen wird, ist noch unklar. Fest stehen bisher die Transfer von Abwehrspieler David Bates (Glasgow Rangers) und Manuel Wintzheimer (FC Bayern München II). Beide Profis kommen ablösefrei. Vorerst zum HSV zurückkehren müssen die zuletzt verliehenen Alen Halilovic (Las Palmas) und Pierre-Michel Lasogga (Leeds United). Beide Spieler werden beim HSV aber keine sportliche Zukunft haben.
Promis trösten den HSV
Titz: Leute aussperren und verhaften
Christian Titz hat die Ausschreitungen im HSV-Fanblock gegen Spielende scharf verurteilt. "Solche Leute gehören aus dem Stadion ausgesperrt und verhaftet", sagte Hamburgs Trainer bei Sky.
Die Mannschaft und der Großteil der Fans hätte sich hingegen würdevoll verabschiedet. "Wir hätten lieber das Spiel vernünftig zu Ende gespielt und gemeinsam getrauert", sagte Titz über die chaotischen Szenen, die zur Spielunterbrechung kurz vor Abpfiff geführt hatten.
Er selbst habe erstmals nach 80 Minuten gespürt, dass dem HSV tatsächlich der Abstieg drohe. "Ich war bis zuletzt davon überzeugt, dass es reichen könnte", sagte Titz. Nun spüre er "große Enttäuschung".
Bevor er den Vertrag für die kommende Zweitligasaison aushandeln wird, wolle er das Geschehen verarbeiten. "Ich muss das erstmal sacken lassen und mit den Spielern reden", sagte Titz.
Er wisse zwar, dass der Verein und die Mannschaft viele Fehler gemacht hätten. Dennoch empfinde er für seine Spieler auch Stolz. "Zur Niederlage gehört auch Größe, und das haben die Spieler gezeigt", sagte Titz über die Reaktionen nach Spielende.
Die Statistik
Matthäus fehlt der HSV jetzt schon
Lothar Matthäus mag sich eine Bundesliga ohne den HSV eigentlich gar nicht vorstellen. Am Spiel gegen Gladbach fand der deutsche Rekordnationalspieler jedenfalls noch einmal richtig Gefallen. "So wird der HSV der Bundesliga fehlen", sagte der "Sky"-Experte zur sportlichen Leistung, bei der er vor allem einen hervorhob. "Tatsuyo Ito muss mit Japan zur WM", sagte Matthäus.
Den HSV-Fans könne er nur den schnellen Wiederauftsieg wünschen. "Schade, dass der HSV so spät angefangen hat, Fußball zu spielen", sagte der 57-Jährige. "Sie sind die Topfavoriten für den Wiederaufstieg. Aber sie müssen sich erst einmal auf die zweite Liga einstellen. Es wird kein einfaches Unternehmen, aber ich sehe mit Köln und Hamburg die Topfavoriten für den Aufstieg.“