HSV-Fans stehen Kopf. Auch Trainer Titz versteht nicht, warum der Videoassistent eingriff. Dabei war die Entscheidung korrekt.
Hamburg. Auch am Tag nach der deutlichen 0:3-Niederlage bei Eintracht Frankfurt ging es beim HSV und seinen Fans vor allem um ein Thema: Das nachträglich aberkannte Abseitstor von Tatsuya Ito. Der kleine HSV-Tsunami brachte die Hamburger nach einem sensationellen Anspiel von Aaron Hunt vermeintlich in Führung, doch Schiedsrichter Deniz Aytekin pfiff den Treffer nach Rücksprache mit dem Videoassistenten aus Köln zurück.
„Der Videoschiedsrichter war sich sicher, und es handelte sich um eine faktische, korrekte Entscheidung. Diese Szene ist ein Beweis dafür, dass uns die technischen Hilfsmittel weiterhelfen – auch wenn es knapp war. Die Fakten waren nun mal: Abseits. Wenn man sich die Bilder jetzt noch einmal im Fernsehen mit der Linie anschaut, dann sieht man auch, dass es Abseits war“, rechtfertigte Aytekin seine Entscheidung, die vor allem bei den HSV-Fans in den sozialen Netzwerken für reichlich Zündstoff sorgte. Schnell wurde der DFB zum Buhmann erklärt. Worte wie „Fußballmafia DFB“ zählten noch zu den harmloseren Beschimpfungen.
Dabei war die Abseitsentscheidung korrekt. Nach monatelangem Ärger um den Assistenten aus Köln, der fälschlicherweise oftmals gar nicht eingriff, wurde nun richtig entschieden – doch die Diskussion ist deshalb nicht geringer geworden.
Titz übt Kritik am Eingreifen aus Köln
Auch HSV-Trainer Christian Titz will den korrekten Pfiff noch nicht wahrhaben. Seine Erklärung dafür erscheint jedoch plausibel. „Der Videoassistent soll eingreifen, wenn Klarheit herrscht. Mit bloßem Auge konnte man es aber nicht sehen“, moniert der Kurpfälzer. Zur Erinnerung: Die kalibrierte Linie aus dem TV steht dem Videoschiedsrichter nicht zur Verfügung.
„Ich habe verschiedene Einstellungen mit verschiedenen Linien gesehen. Das heißt, wir können gar nicht sagen, ob es Abseits war oder nicht. Von daher hätte man das Tor eher geben müssen“, sagt Titz. Auch Sky-Experte Dietmar Hamann pflichtet dem HSV-Coach bei und spricht in der Sendung „Wontorra“ von einer „skandalösen Entscheidung“. Und weiter: „Wie der Videoschiedsrichter das ohne Linie gesehen haben will, ist mir ein Rätsel.“
Dabei wurde vor der Saison mit allen Bundesligisten kommuniziert, dass die Schiedsrichter bei zweifelhaften Entscheidungen dazu angehalten sind, erstmal weiterspielen zu lassen, bevor fälschlicherweise auf Abseits entschieden und die Spielsituation dadurch beendet wird.
HSV muss auf Labbadia und Köln hoffen
Titz will den Abseitsfrust allerdings nicht als Hauptgrund für die deutliche Niederlage bei der bis vor dem Spiel formschwachen Eintracht gelten lassen. „Wir sind dafür verantwortlich, die Gegentore besser zu verteidigen. In diesen Situationen hatten wir Überzahl, waren aber zu nachlässig“, kritisiert der 47-Jährige das Defensivverhalten seiner Spieler.
HSV verliert Schicksalsspiel in Frankfurt
„Bis vorhin war ich noch verärgert über unser Spiel“, sagt Titz, der nun aber den Blick nach vorne auf das „Finale“ gegen Borussia Mönchengladbach richten will. Die Ausgangslage könnte kaum klarer sein. Der HSV muss sein Heimspiel gewinnen und gleichzeitig auf eine Niederlage des VfL Wolfsburg gegen den bereits abgestiegenen 1. FC Köln hoffen. „Im Fußball ist unglaublich viel möglich. Wir müssen unser Spiel gewinnen und dann schauen wir mal“, sagt Titz.
Die Hoffnung der Hamburger ruht also mal wieder in Bruno Labbadia, dessen Negativserie von drei deutlichen Niederlagen in Folge anhalten muss, damit der HSV noch eine Chance hat, auf den Relegationsplatz zu springen. Während Labbadia, der den HSV 2015 in die Relegation geführt hatte, gegen Köln „ein Nervenspiel“ ankündigte, sicherte FC-Coach Stefan Ruthenbeck dem HSV vollen Einsatz zu. „Fußball-Deutschland schaut auf uns. Ich kann kein Ergebnis versprechen, aber wir werden noch einmal alles raushauen.“
Titz: Hamburger werden Köln-Fans sein
Dass der HSV diese Chance im Saisonfinale noch immer besitzt, grenzt schon an ein Wunder. Die Aufholjagd der vergangenen Wochen hat der Mannschaft neuen Mut eingehaucht, auch die Pleite in Frankfurt soll daran nichts ändern. „Uns war klar, dass wir in dieser Phase auch mal ein Spiel verlieren könnten“, sagt Titz: „Wir haben zumindest das Glück, dass weiterhin noch etwas drin ist.“
Einzelkritik: Hunt trotz Geniestreich beleidigt
Doch dem HSV alleine die Daumen zu drücken, reicht am kommenden Sonnabend nicht. „Viele in Hamburg werden am Wochenende Köln-Fans sein“, sagt Titz daher schmunzelnd. „So oder so müssen wir aber erstmal unsere eigene Hausaufgabe erledigen.“
Als Hoffnungsträger für den harmlosen Angriff der Hamburger steht Nicolai Müller. Der Rechtsaußen gab nach achteinhalbmonatiger Verletzungspause sein Comeback. „Es war sehr emotional für mich“, gestand der HSV-Topscorer der vergangenen Saison. Gegen Gladbach wird er wohl wieder von der Bank kommen – und im Idealfall an einem Treffer beteiligt sein, der nicht aus einer Abseitsposition erzielt wird.