Hamburg. Der Direktor Sport und Nachwuchschef strebt einen Posten im neuen Vorstand an und kritisiert im Interview die HSV-Struktur.
Bernhard Peters (58) steht am Fenster einer Stadionloge und blickt nachdenklich auf das Spielfeld. Am Sonnabend steht bei Eintracht Frankfurt das richtungsweisende Spiel für die Zukunft des HSV an (15.30 Uhr, Sky und Abendblatt-Liveticker). Doch auch die anstehenden Entscheidungen auf der Vorstandsebene beschäftigen ihn. Der Direktor Sport hat eine klare Vision, auch zu seiner eigenen Zukunft.
Hamburger Abendblatt: Herr Peters, Sie sprechen vor dem Spiel in Frankfurt von einem „Halbfinale“. Mögen Sie K.o.-Spiele?
Bernhard Peters: Ja, sie begleiten mich seit 30 Jahren. Wenn ich diese Spiele nicht hätte, würde mir etwas fehlen. Es ist immer eine Gefühlslage zwischen Angst und Respekt. Man hat immer auch Angst vor dem Spiel. Wer das nicht zugibt, ist nicht ehrlich. Aber Angst und Druck sind etwas Gutes, weil sie die Konzentration erhöhen. Das gehört zum Leistungssport dazu. Wer das nicht aushalten kann, der ist am falschen Ort.
Der HSV war vor Wochen abgeschrieben, hatte nicht mehr viel zu verlieren. Kommen jetzt Druck und Angst zurück?
Peters: Psychologisch gesehen haben wir jetzt eine andere Situation. Das Viertelfinale haben wir gewonnen, jetzt kommt das Halbfinale. Die Jungs wollen unbedingt liefern, aber du darfst auch nicht überziehen. Wenn du zu verspannt bist, gewinnst du nichts.
Wie kommt die Mannschaft mit dieser Alles-oder-Nichts-Metapher zurecht?
Peters: Es ist viel mehr positive Gruppendynamik drin. Die Gruppe agiert miteinander. Die Körpersprache hat sich verändert, es wird mehr kommuniziert, weil der Trainer viel kommuniziert und die Assistenten sehr präsent sind. Die Atmosphäre hat sich gedreht, auch durch dieses Trainerteam.
Hätten sich der HSV den Weg mit diesem Trainerteam früher zutrauen müssen?
Peters: Das Wichtigste im Leistungssport ist Mut. Der HSV war ein Club ohne Mut. Das haben viele Personalentscheidungen gezeigt. Mut, Kreativität und innovative Kraft – das ist erfolgreicher Leistungssport.
Wann haben Sie gemerkt, das Christian Titz in der Bundesliga funktionieren kann?
Peters: Das war ein fortlaufender Prozess, in dem sich alle als Team im Nachwuchs entwickelt haben. Auch Christian Titz hat sich massiv weiterentwickelt. In der U21 habe ich gesehen, dass er mit seinem Trainerteam eine neue Ebene erreicht hat. Er hat den jungen Spielern sehr schnell ein agiles Spielsystem mit einem kreativen und komplexen Plan verinnerlicht.
Wäre Titz schon beim Wechsel von Markus Gisdol zu Bernd Hollerbach die bessere Wahl gewesen?
Peters: In diese Entscheidung war ich nicht involviert. Ich habe Christian Titz hier schon häufiger als Cheftrainer ins Gespräch gebracht, weil ich von seinen Kompetenzen und seinem Stab als Gesamtpaket überzeugt bin.
Warum haben Sie sich nicht durchgesetzt?
Peters: Es waren andere, die die Entscheidungen getroffen haben. Das hatte ich zu respektieren.
Sehen Sie den HSV jetzt gut aufgestellt?
Peters: Wir sind mitten auf dem Weg. Wir haben begonnen, einige sehr gute inhaltliche Wiedererkennungsmerkmale aufzubauen, weil wir in vielen Bereichen eine uneitle Teamarbeit machen in den verschiedenen Expertengruppen. Das geht in die Richtung, wie ich es mir vorstelle. Weil wir jetzt über die Grenzen des Nachwuchses hinweg eine Teamorientierung haben, in der jeder seine klare Rolle hat, in klaren Leitplanken. Der HSV, den wir gerade sehen, ist keine zufällige Erscheinung, sondern gewachsen. Was wir jetzt brauchen, ist Vertrauen und Kontinuität in diese Prozesse.
Also sollte der HSV in der aktuellen Konstellation so weiterarbeiten?
Peters: Wir sind total handlungsfähig. Was wir sicher brauchen ist ein Manager für die Bundesligamannschaft, der absolut durchsetzungsstark und anerkannt im Spielermarkt ist. Der diese ganzen Kaderdispositionen, die unser Kaderplaner Johannes Spors vorbereitet, entsprechend abschließt und der autark und selbständig arbeitet – und zwar in meinen Augen unterhalb des Vorstandes.
Wie meinen Sie das?
Peters: Dass man einen anerkannten Fachmann als Manager braucht, ist keine Frage. Aber die Identifikation und Wiedererkennungsmerkmale eines Clubs müssen darüber hinaus gehen, das müssen wir, das muss der gesamte HSV endlich verstehen. Wir müssen uns in unserer Struktur unabhängig machen von Trainern und Managern. Wir müssen Wiedererkennungsmerkmale als DNA des HSV implementieren. Das kannst du nur mit einer übergeordneten Struktur. Das muss ligaunabhängig von den Entscheidern verstanden werden.
Aufsichtsratschef Bernd Hoffmann sucht einen Sportvorstand. Fürchten Sie, dass dieser Manager wieder neue und eigene Vorstellungen mitbringt?
Peters: Ich glaube der Aufsichtsrat wird die Idee, die ich dazu beigetragen habe, anerkennen. Herr Hoffmann ist ein sehr erfahrener Mann im Sport. Es ist gut, dass er wieder beim HSV Verantwortung übernimmt. Ich bin mit ihm im Austausch, er kennt meine Ansichten.
Das heißt sie plädieren für einen Sportvorstand, der übergeordnet arbeitet? Und der Bernhard Peters heißt?
Peters: Wenn es gewünscht ist, bin ich bereit, diese Verantwortung zu übernehmen. Ich glaube, dass es in dieser Konstellation Sinn ergeben kann. Ein Manager, der für ein Bundesligateam zuständig ist, ist im Tagesgeschäft total ausgelastet durch Transferarbeit, Medienarbeit, er muss nah an der Mannschaft und am Trainerstab sein. Dieser Mitarbeiter hat keine Ressourcen mehr, auch noch die Gesamtausrichtung zu entwickeln. Dieses strategisch-mittelfristige Denken ist auf Vorstandsebene notwendig, wenn sich der Sport im HSV entwickeln soll.
Sieht Herr Hoffmann das ähnlich?
Peters: Ich bin von dieser Vorgehensweise überzeugt. Es ist nicht schwer, dass der Aufsichtsrat diese Idee als stabile Argumentationsgrundlage sieht.
Sieht Ihre Strategie auch vor, gesünder zu wirtschaften?
Peters: Das ist ohne Alternative. Dass wir da eine Umkehrbewegung machen wollen, eine andere Alters- und Gehaltsstruktur in die Mannschaft bekommen, das ist klar. Trotzdem brauchen wir auch starke Führungsspieler in den entsprechenden Achsen, aber da sind wir im fortgeschrittenen Prozess.
Wie stehen die Chancen, Fiete Arp zu halten?
Peters: Ich kann zum laufenden Prozess nichts sagen. Ich weiß nur, dass er sich total wohl fühlt. Dass er zu den Spielern zählt, für die Titz wirklich ein Mentor ist. Ich weiß von diesen Spielern, dass sie sehr gerne mit ihm weiterarbeiten wollen. Weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass er sie besser macht.
Beim HSV wurden Spieler in den vergangenen Jahren eher schlechter...
Peters: Sie brauchen in allen Bereichen kompetente Trainer, die diese Spieler in ihren Positionen fußballerisch besser machen, im athletischen Bereich, im mentalen Bereich. Das sind verschiedene Bausteine. Die Einstellung eines Spielers muss zu dieser Arbeits- und Lernweise passen. Die Bereitschaft, Zusatzschichten zu machen, muss vom Spieler kommen. Er muss gierig sein, es auf die nächste Stufe schaffen zu wollen. Solche Spieler brauchen wir.
Künftig also keine Spieler mehr, die zum HSV kommen und glauben, Sie hätten es geschafft?
Peters: Dort, wo der HSV jetzt angekommen ist, muss es genau umgekehrt sein. Das versuchen wir auch diesen jungen Spielern aufzuzeigen, wie wir sie intensiv und mit einem klaren Plan trainieren wollen. Wir müssen jetzt die nächsten Schritte machen und noch agiler werden, sehr früh Hochtalentierte zu uns zu kriegen. Das ist der richtige Weg. Es wäre fatal, wenn man diese Idee nicht erkennt.