Hamburg. Noch zwei Heimspiele bis zur Zweiten Liga – oder doch noch ein Wunder? Der HSV steht vor einem richtungweisenden Wochenende.
Es ist bereits einige Wochen her, da wurde vor dem Heimspiel des HSV gegen Mainz 05 von der „letzten Chance“ gesprochen. Zwei Wochen später war es dann die „allerletzte“ Chance, als Hertha BSC in den Volkspark kam. Und obwohl die Hamburger auch dieses Spiel nicht gewannen, sprachen viele vor dem darauffolgenden Heimspiel von der „allerallerletzten“ Chance. Der HSV besiegte Schalke 04 und hat nun, weitere zwei Wochen später, in der Partie gegen den SC Freiburg an diesem Sonnabend (15.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) – Sie ahnen es – die allerallerallerletzte Chance. „Wir wollen mit einem Sieg wieder aktiv in den Abstiegskampf eingreifen“, sagte Trainer Christian Titz. Der HSV könnte mit einem Sieg bis auf fünf Punkte an Freiburg heranrücken. Bei dann noch drei ausstehenden Spielen.
Nach 55 Jahren Ende
Könnte, hätte, wäre. Es wurde viel im Konjunktiv gesprochen rund um den HSV in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass die Hamburger nach 55 Jahren am Ende dieser Saison erstmals aus der Fußball-Bundesliga absteigen. Doch wohin steuert der HSV? Es ist die Frage, die die Anhänger bewegt. Der Club bewegt sich dieser Tage in einem Stimmungsspektrum zwischen Bedrückung, Hoffnung und Erneuerung. Während Trainer Titz die Resthoffnung bemüht, laufen hinter den Kulissen die Vorbereitungen für die Zweite Liga. Und die Fragezeichen häufen sich.
Einerseits planen die verbliebenen Entscheidungsträger des HSV um Alleinvorstand Frank Wettstein, Direktor Sport Bernhard Peters und Trainer Titz die Ausrichtung für die kommende Saison, andererseits wissen die drei selbst noch gar nicht, ob oder in welcher Funktion sie beim Neustart dabei sein werden. Geht es nach ihnen, würde es auch in der Zweiten Liga gemeinsam weitergehen. „Unser Trainer macht seine Sache richtig gut. Die Fans empfinden den neu eingeschlagenen Weg mit ihm und mit vielen jungen Kräften als richtig und können sich damit identifizieren“, ließ Wettstein unter der Woche verlauten.
Die entscheidende Frage wird aber sein, wie Präsident und Aufsichtsratschef Bernd Hoffmann sowie der kommende Sportvorstand in der Trainerfrage planen. Doch auch die Manager-Position ist noch völlig offen. Der seit Wochen gehandelte Jonas Boldt (36) ist bei Bayer Leverkusen seit Freitag zum Sportdirektor aufgestiegen und damit beim HSV kein Thema mehr.
Kredit in Höhe von zwölf Millionen Euro
Die Planungssicherheit hat der Club seit Donnerstag zumindest für die kommende Saison erhalten. Die Deutsche Fußball Liga erteilte dem HSV die Lizenz sowohl für die Erste als auch die Zweite Liga ohne Auflagen und Bedingungen. Laut „Bild“ nahmen die Hamburger dafür einen Kredit in Höhe von zwölf Millionen Euro auf. Der HSV selbst spricht von einer Vielzahl von Maßnahmen. In jedem Fall mussten die Verantwortlichen nicht die Hilfe von Investor Klaus-Michael Kühne in Anspruch nehmen. „Es ist ein Beleg für die Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit des HSV. Dies ist ein wichtiges Signal nach innen und außen“, sagte Kontrollchef Hoffmann.
In einem gemeinsamen Interview mit der Deutschen Presse-Agentur demonstrierten Aufsichtsrat und Vorstand am Freitag Einigkeit. Wettstein und Hoffmann scheinen sich derzeit in den Planungen für den Neustart aufeinander zuzubewegen. „Aufsichtsrat und Vorstand tauschen sich ständig aus, wir gehen nicht blauäugig in die Zukunft“, sagte Hoffmann über das Szenario Zweite Liga. Die Lizenz erleichtere die Planung. So ist der HSV nicht gezwungen, bei einem Abstieg seine Spieler unter Wert zu verkaufen.
Missliche wirtschaftliche Lage
An der misslichen wirtschaftlichen Gesamtlage ändert sich durch die Erteilung der Lizenz aber nichts. Auf den HSV warten in den kommenden Monaten und Jahren große finanzielle Herausforderungen – insbesondere nach einem Abstieg. Wettstein erwartet, dass der HSV in der Zweiten Liga ein Defizit in der Größenordnung von größer als zehn Millionen Euro erwirtschaften würde. Die anstehenden Entscheidungen bei der Besetzung der Vorstandsposten und der Trainerposition müssen sitzen, will der HSV sich mittelfristig aus dem Finanzdilemma befreien.
In der Gesamtbetrachtung erinnert die Situation des Clubs an jene vor vier Jahren. Auch damals stand der HSV nach einer katastrophalen sportlichen Saison mit zwei Trainerwechseln und dem bevorstehenden Abstieg am Scheideweg. Der HSV rettete sich, und die Ausgliederung ermöglichte dem Bundesligisten neue Chancen, sich ganz neu aufzustellen. Doch der Vorstand um Dietmar Beiersdorfer fuhr den Club mit diversen Fehlentscheidungen nur weiter gegen die Wand.
Vier Jahre später hat der HSV die Chance zu zeigen, dass er aus den Fehlern gelernt hat. Dass die Fans bereit sind, einen neuen Weg mitzugehen, haben die letzten Wochen unter Trainer Christian Titz gezeigt. Das Wochenende wird weitere Erkenntnisse bringen. Am Freitag wollte sich der Planer des Neuaufbaus, Bernd Hoffmann, zu diesen Fragen nicht äußern. „Wir sprechen jetzt nicht über Pflichten und Ziele der Zukunft, sondern konzentrieren uns auf die verbliebenen Chancen in dieser Saison.“ Oder anders ausgedrückt: auf die allerallerallerallerletzte Chance.