Potsdam. Nach seiner Entlassung spricht der Ex-Sportchef beim Thema HSV weiter von “wir“. In Hamburg hat er einen interessanten neuen Nachbarn.
Erleichtert? Jens Todt schüttelt energisch mit dem Kopf. „Ich war überhaupt nicht erleichtert über die Beurlaubung“, sagt der vor gut zwei Wochen beim HSV freigestellte Ex-Sportchef. „Ich war enttäuscht, weil wir es nicht geschafft haben, den HSV in dieser Saison sportlich zu stabilisieren. Das hat mich sehr geärgert. Und es ärgert mich noch immer.“
Sonntagmittag in Potsdam. Blauer Himmel, die Sonne scheint. Jens Todt sitzt vor seinem Haus direkt am Wannsee, trinkt einen Kaffee und schaut Sohn Matti und dessen Freund beim Fußballspielen im Garten zu. Seit seiner Entlassung beim HSV hat sich der beurlaubte Manager zunächst einmal in seine Wahlheimat nahe Berlin zurückgezogen. Todt wirkt auf den ersten Blick aufgeräumt, doch schnell wird auch klar, dass er noch etwas Zeit benötigen wird, um das Ende in Hamburg zu verarbeiten.
Ihm tat es leid und er fuhr nach Potsdam
Gerade einmal 18 Tage ist es her, dass ziemlich genau um 9 Uhr morgens sein Telefon klingelte und sich Vorstand Frank Wettstein meldete. Todt hatte gerade seine Tasche gepackt und wollte von seiner Wahlheimat Potsdam zurück nach Hamburg zur Arbeit fahren. Doch Wettstein redete nicht lange um den heißen Brei herum. Gerade sei Heribert Bruchhagen vom Aufsichtsrat beurlaubt worden und damit sei er letztverbliebenes Vorstandsmitglied beim HSV, sagte der Rheinländer. Und als dieser müsse er Todt leider mitteilen, dass er auch ihn beurlaube. Rums.
Nach Hamburg ist Todt trotzdem an jenem Tag gefahren. Der freigestellte Sportchef traf sich wenige Stunden später mit dem damaligen Trainer Bernd Hollerbach, den er gerade erst als Nachfolger für Markus Gisdol verpflichtet hatte. Todt verabschiedete sich, auch von Mitarbeitern auf der Geschäftsstelle, sagte, dass es ihm leid täte und fuhr zurück nach Potsdam.
Er zittert weiter mit der Mannschaft
Gut zwei Wochen später hat Todt zumindest den ersten Schock verdaut. „Das ist am Ende alles sehr sauber gelaufen“, sagt der Manager und schenkt sich ein Glas Wasser ein. „Schön ist so eine Beurlaubung aber natürlich nicht – aber das gilt sicher für alle Beteiligten.“ Beteiligt waren in Todts Fall nur zwei Personen: Vorstand Frank Wettstein, mit dem sich Todt vergangene Woche noch einmal zur Aussprache in Hamburg getroffen hat, und der gerade zum Präsidenten gewählte Bernd Hoffmann. Dieser hatte Todt nur wenige Tage nach der Wahl in dessen Büro aufgesucht und ihm mitgeteilt, dass spätestens im Sommer für ihn Schluss sei. Am Ende reichte es nicht einmal bis zum Frühlingsanfang.
Dass das ganz große Chaos erst nach seiner Beurlaubung beginnen sollte, konnte Todt zum Zeitpunkt seiner Entlassung noch nicht ahnen: Erst das 0:6 gegen Bayern München, dann die Entlassung Hollerbachs. Nachfolger Christian Titz überwarf sich nach nur wenigen Trainingseinheiten mit den Führungsspielern Kyriakos Papadopoulos und Walace. Auch den Wirbel um Interimsnachfolger Thomas von Heesen und die Abendblatt-Berichte über dessen Geschäfte hat Todt im fernen Potsdam natürlich mitbekommen. Kommentieren will er all das nicht. Er sagt nur: „Ich wünsche Christian Titz sehr, dass er das Wunder noch schafft.“
Titz’ Debüt gegen Hertha hat sich Todt mit der ganzen Familie angeschaut und die Daumen gedrückt: „Wir haben das Spiel im Fernsehen gesehen und mit der Mannschaft gezittert. Und in der ersten Halbzeit sah es ja auch wirklich gut gegen Hertha aus.“
In Hamburg lebt Todt Tür an Tür mit Kauczinski
Der Rest der Geschichte ist bekannt. Der HSV verlor 1:2, rutschte auf den letzten Platz der Tabelle ab und hat sieben Spiele vor dem Saisonende kaum noch eine realistische Chance auf den Klassenerhalt.
Todt macht eine Pause und fragt, ob man noch einen zweiten Kaffee wolle. In der Küche hängt ein Foto von ihm im Werder-Bremen-Trikot an der Pinnwand im Zweikampf mit dem damaligen Hamburger Hasan Salihamidzic.
Wenn der 48-Jährige über seinen Arbeitgeber spricht, redet er noch immer von „wir“. Sein Vertrag, der auch in der Zweiten Liga seine Gültigkeit behalten würde, läuft zunächst einmal bis zum Ende des Jahres weiter. Zwar wird Todt am Dienstag seinen Dienstwagen, sein Handy und ein Arbeits-iPad nach Hamburg zurückbringen. Doch seine Wohnung in der Hansestadt will Todt zumindest noch bis zum Sommer behalten.
Todt muss lachen. Seit Kurzem habe er einen neuen Nachbarn in Hamburg, erzählt er. St. Paulis Trainer Markus Kauczinski. Todt grinst und holt sein Handy raus. Auf einem Foto ist ein Hauseingang zu sehen mit zwei Fußmatten: auf der einen Seite Kauczinskis St.-Pauli-Fußmatte. Und auf der anderen Seite seine HSV-Fußmatte.
Die Fußmatte bleibt. Genauso wie seine Sympathie für den HSV.