Hamburg. Brasilianer weigerte sich, in der Abwehr zu spielen, und schwänzte den Stadionbesuch. Papadopoulos zeigt hingegen Reue.

Umgeben von 19 Feldspielern betrat Trainer Christian Titz den Kunstrasenplatz neben dem HSV-Campus. Weil mit Gotoku Sakai, Bobby Wood, Kyriakos Papadopoulos, Filip Kostic, Mergim Mavraj, Rick van Drongelen, Tatsuya Ito und Vasilije Janjicic acht Nationalspieler fehlten, füllte Titz seine Trainingsgruppe mit den Youngstern Maximilian Geissen (19), Sohn von Fernsehmoderator Oliver Geissen, Jonas David (18) und Ogechika Heil (17) auf. Trotz der personellen Armut verzichtete der HSV-Coach auf einen Spieler freiwillig: den Brasilianer Walace.

40 Minuten später verkündete der HSV das, was sich längst angedeutet hatte: Walace ist „bis auf Weiteres“ suspendiert. Weil er sich erst weigerte, am vergangenen Sonnabend gegen Hertha BSC in der Innenverteidigung zu spielen und anschließend auch den für Reservisten verpflichtenden Stadionbesuch schwänzte, darf der Mittelfeldspieler nur noch bei der U21 trainieren. „Der Spieler ist zum wiederholten Male seinen vertraglichen Pflichten nicht nachgekommen“, echauffiert sich Direktor Sport Bernhard Peters, der den Brasilianer am frühen Morgen zum Rapport bat.

Trainer Titz hat sich mit Walace seit dem Hertha-Spiel nicht ausgetauscht, die Maßnahme sei aber mit ihm abgesprochen. „Der Spieler hat sich nicht so verhalten, wie wir das von ihm erwarten“, sagt Titz, der für Walace gegen Hertha eine zentrale Rolle vorsah. Allerdings nicht auf seiner Lieblingsposition im Mittelfeld, sondern im Abwehrzentrum. Das Problem an Titz’ Planspielen: Walace weigerte sich, eine Position tiefer zu spielen, weshalb er aus dem Kader gestrichen wurde. Stattdessen rückte Gideon Jung ins Team.

Peter bei Walace mit Geduld am Ende

Trotz einer klaren Absprache mit dem Verein, die Partie von der Tribüne zu verfolgen, fuhr Walace nach dem Spielersatztraining am Vormittag nach Hause und veröffentlichte während der Partie ein Oben-ohne-Foto von sich mit Victoryzeichen auf Instagram. Auch wenn er das Bild später löschte, wirkte es sich straferschwerend für ihn aus.

„Vom Spiel fernzubleiben und dann auch noch etwas zu posten“, startete Titz einen Satz, den er lieber nicht mit Worten, sondern einem Seufzer endete. Deutliche Kritik überließ er Peters: „Wir dulden nicht, dass er, während seine Kollegen um den Klassenerhalt kämpften, nicht im Stadion anwesend war und das Team nicht unterstützt hat.“

Walace ist Wiederholungstäter

Es ist nicht die erste Verfehlung von Walace in diesem Jahr. Anfang Januar hatte er seinen Urlaub eigenmächtig verlängert, um seinen Wechsel zu erzwingen. Bevor er vier Tage verspätet im spanischen Trainingslager eintraf, postete er noch ein Bild, das ihn in Feierlaune am Strand zeigte. Anschließend hatte der damalige HSV-Coach Markus Gisdol keine Verwendung mehr für den streikenden Profi.

Erst dem neuen und inzwischen schon wieder geschassten Trainer Bernd Hollerbach gelang es, Walace wieder ins Team einzugliedern. Nach der Geburt seines Sohnes Conrado gewährte ihm Hollerbach sogar einen fünftägigen Heimaturlaub vor dem Nordderby in Bremen. Drei Wochen und einen Trainerwechsel später leistete sich Walace nun den nächsten Fehltritt. „Nach den Verfehlungen zu Beginn der Rückrunde war es eine Selbstverständlichkeit, dass er sich teamorientiert verhält und den Ideen des Trainers nachkommt“, sagt Peters.

Kommentar: Suspendierung ist alternativlos, aber teuer

Ähnlich wie bei den zahlreichen Suspendierungen in der jüngeren Clubgeschichte hält sich der HSV auch diesmal die Option offen, Walace noch im Laufe der Saison zu begnadigen. „Wenn er sein Fehlverhalten reflektiert hat, kann er wieder auf den Trainer zugehen“, sagt Peters. Doch ob Titz überhaupt noch einmal eine Rolle für den launischen Brasilianer vorsehen wird, darf bezweifelt werden. „Wir schauen uns an, wie er sich in der U21 präsentiert. Wenn er das Gespräch sucht und sich einsichtig zeigt, ist die Tür für ihn nicht verschlossen“, sagt der Trainer.

Walace soll verkauft werden, aber was ist er jetzt noch wert?

Über die zweite Mannschaft des HSV kann sich Walace allerdings nur im Trainingsbetrieb für die Profis anbieten. Denn als Nicht-Eu-Ausländer ist er für den Tabellenführer der Regionalliga Nord, der am heutigen Mittwoch um 19 Uhr bei Eutin 08 antritt, nicht spielberechtigt. Eine Fifa-Regel, die für den HSV noch weitreichende finanzielle Folgen haben könnte. „Wenn ein Profi monatelang keine Spielpraxis erhält, wirkt sich das negativ auf den Marktwert aus“, sagt Matthias Seidel, Geschäftsführer des zur Orientierung vielseitig genutzten Portals „transfermarkt.de“.

Im Falle des kaum noch abzuwendenden Abstiegs steht Walace ganz oben auf der Verkaufsliste des HSV. Wie berichtet, muss der Club rund 30 Millionen Euro an Transfereinnahmen generieren, um die Lizenz für die Zweite Liga zu sichern. Knapp ein Drittel dieser Summe sollte durch den Verkauf von Walace eingenommen werden. Eine nach seinem Rauswurf wohl utopische Summe. „Wir können die Mannschaft nicht danach aufstellen, welche Spieler wir bestmöglich verkaufen können“, schildert Finanzvorstand Frank Wettstein das Dilemma des Clubs.

Der HSV hofft nun, dass sich im Sommer mehrere Vereine für Walace interessieren. Denn nicht nur eine Suspendierung, sondern auch eine höhere Nachfrage bestimmt das Angebot. „Durch gegenseitiges Wettbieten kann der HSV noch eine hohe Kaufsumme generieren“, sagt Seidel.

Papa-Berater: „Es tut ihm leid“

Ein weiterer Spieler, dessen Verkauf im Sommer Millionen einbringen soll, ist Kyriakos Papadopoulos, das zweite Sorgenkind beim HSV. Nach einem Telefonat, in dem Peters dem Griechen deutlich machte, was er von seiner Schelte an Trainer Titz („Ich bin nicht der Schlechteste, der nicht spielen sollte. Der Trainer hat nicht mit mir gesprochen.“) hält, will der Club ein persönliches Gespräch nach seiner Rückkehr von der Nationalelf in der kommenden Woche abwarten, bevor Papadopoulos sanktioniert wird.

„Entscheidend ist, wie einsichtig er sich zeigt“, sagt Titz. Zumindest der Berater des Abwehrkolosses verspricht Reue. „Es tut ihm leid. Seine Aussagen sind aus den Emotionen heraus gefallen“, sagte Paul Koutsoliakos dem Abendblatt.

Selbst wenn Papadopoulos sich beim HSV entschuldigen sollte, könnte er aus dem Profikader verbannt werden. Es gilt als sicher, dass der Verteidiger unter Titz kein Spiel mehr bestreiten wird, wodurch ihm sportlich, und dem Verein wirtschaftlich, das gleiche Schicksal wie bei Walace droht.