Hamburg. Die Restführung des Vereins muss sich zwischen zwei Optionen entscheiden. Hollerbachs Nachfolger beim HSV steht bereit.
Eine knappe Viertelstunde dauerte das Zehnaugengespräch. Mitten auf dem HSV-Trainingsplatz stand am Sonntagmittag Trainer Bernd Hollerbach, die Hände in den Hüften, und redete. Seine Zuhörer, der Mannschaftsrat um Aaron Hunt, Christian Mathenia, Gotoku Sakai und Kyriakos Papadopoulos, waren im Halbkreis um den Coach versammelt und lauschten. Nur ab und an wurden die Rollen vertauscht, die Spieler redeten und Hollerbach hörte zu.
Dann, nach 14 Minuten, war alles gesagt, was es nach einem desolaten 0:6 in München, dem heute drohenden Absturz auf den letzten Platz und dem immer wahrscheinlicher werdenden Abstieg zu sagen gab.
Oder besser gesagt: fast alles.
Denn geredet wurde beim HSV auch am Nachmittag und am Abend. Diesmal aber nicht mit Bernd Hollerbach. Sondern über Bernd Hollerbach. Nach Abendblatt-Informationen wurde innerhalb der Restführung des Clubs, die nach den Freistellungen am Donnerstag von Vorstandschef Heribert Bruchhagen und Sportchef Jens Todt noch übrig war, am Tag nach dem Debakel vor allem zwei Fragen diskutiert.
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Erstens, ob ein erneuter Trainerwechsel überhaupt noch Sinn machen würde. Und zweitens, ob man U-21-Trainer Christian Titz, den man als möglichen Übergangs-Nachfolger auserkoren hatte, mit diesem Himmelfahrtskommando nicht direkt verbrennen würde. Am frühen Abend wurde schließlich entschieden, dass man sich noch nicht entscheiden konnte. Eine endgültige Entscheidung soll aber noch am heutigen trainingsfreien Montag folgen.
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„Die Verantwortlichen müssen ihre Entscheidung treffen, ich kann mich nur auf meine Arbeit konzentrieren“, hatte Hollerbach bereits am Sonnabend, nur wenige Minuten nachdem die höchste Pleite seiner Trainerlaufbahn besiegelt war, unmissverständlich gefordert. „Die Herren werden irgendwann mit mir reden, ist doch klar.“
"Ich habe das gemacht, weil ich am HSV hänge"
Ähnlich wie am nächsten Morgen auf dem Trainingsplatz stand der Franke auch am Abend zuvor im Presseraum der Allianz-Arena, die Hände in den Hüften, und redete. „Ich schaue nur nach vorne“, sagte der bedauernswerte HSV-Trainer – und schaute zunächst einmal zurück: „Ich bin hier in einer ganz schwierigen Situation hergekommen und habe das nur gemacht, weil ich am HSV hänge. Ich wusste, dass wir einen Neuaufbau im Sommer brauchen – ganz egal, ob wir jetzt drin bleiben oder den bitteren Gang gehen müssen.“
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Dieser „bittere Gang“ in die Zweite Liga, an den Hollerbach noch immer nicht glauben mag, wurde am Sonnabend im wohl vorerst letzten Nord-Süd-Schlager nach sieben Minuten und neun Sekunden eingeleitet: das schnelle 0:1 durch Franck Ribéry und die traurige Gewissheit, dass es kein schöner Nachmittag werden würde. „Ich habe die ganze Zeit gehofft, dass wir uns langsam fangen und noch ein bisschen ins Spiel finden“, gab Hunt nach dem 90-minütigen Debakel zu. „Letztlich haben wir davon profitiert, dass Bayern ein, zwei Gänge zurückgeschaltet hat.“
Doch auch mit angezogener Handbremse reichte es für eine Demütigung erster Klasse: Robert Lewandowski legte zügig mit dem 0:2 (12.) und dem 0:3 (19.) nach. „In dem Moment hofft man auch, dass man nicht all zu viele Tore kassiert“, sagte Papadopoulos, dessen Hoffnung sich allerdings nicht erfüllen sollte. 0:4 Robben (55.), 0:5 wieder Ribéry (81.) und schließlich ein Lewandowski-Strafstoß zum 0:6 (90.). „Das war schlimm“, fasste Papadopoulos das halbe Dutzend in drei Wörtern zusammen.
Kommt Christian Titz sofort?
Schlimmer als das Ergebnis an sich war nur das Zustandekommen. „Die Einstellung und die Leistung von manch einem von uns war viel schlimmer als die Rufe und die Häme der Fans“, sagte Stürmer Sven Schipplock kurz nach dem Schlusspfiff beim NDR. „Keine Ahnung, was da in manchen Köpfen los war. Wenn es jetzt noch keiner kapiert hat, dann weiß ich auch nicht.“ 1:21 Torschüsse zählten die Statistiker nach der Partie, doch einen wirklichen Volltreffer landete Schipplock zumindest in der Selbstkritik: „Nach 20 Minuten war alles vorbei, da ging es nur noch darum, sich nicht abschlachten zu lassen. Und auch das haben wir heute versäumt.“
Wieso, weshalb, warum? Zumindest eine Teil-Antwort hatte Hollerbach direkt nach dem Spiel parat: „In den letzten Wochen gab es schon viel Unruhe“, sagte der 48-Jährige, dem insbesondere der doppelte Rauswurf von Bruchhagen und Todt nur zwei Tage vor der Partie missfiel: „Ich bin eigentlich keiner, der nach Ausreden sucht, aber in dem Fall ist es schon viel, was auf die Spieler einprasselt.“ Für ihn und seine Mannschaft sei es nur schwer möglich gewesen, die Geschehnisse außerhalb des Platzes einfach so auf dem Platz auszublenden.
Hollerbachs erhobener Zeigefinger kam in der verbliebenen Führung des HSV ähnlich gut an wie zuvor das 0:6. Ein endgültiges Machtwort wurde trotzdem auf heute verschoben. Dann sollen die zwei entscheidenden Fragen beantwortet sein: Darf Hollerbach bis zum Sommer weitermachen? Und: Soll Christian Titz das Profitraining für den Dienstag vorbereiten – oder das aktuelle Regionalligaspiel der U21 gegen den VfB Lübeck? Die Antwort gibt es übrigens spätestens an diesem Abend um 20.15 Uhr live im Fernsehen: Dann überträgt Sport1 die Partie der zweiten Mannschaft des HSV in Lübeck – mit oder ohne Christian Titz an der Seitenlinie.