Hamburg. Aufsichtsrat stellt Vorstandschef Bruchhagen und Manager Todt frei. Hoffmann ist nun Vorsitzender, Wettstein temporärer Sportchef.
Der Aufsichtsrat des HSV hat im Zuge der geplanten Neuausrichtung schneller als erwartet die Reißleine gezogen und sowohl den Vorstandsvorsitzenden Heribert Bruchhagen als auch Sportdirektor Jens Todt mit sofortiger Wirkung freigestellt. Dies teilte der akut abstiegsbedrohte Fußball-Bundesligist am Donnerstag mit. Der bisherige Finanzvorstand Frank Wettstein übernimmt die operative Führung der HSV Fußball AG, der erst am 18. Februar gewählte Präsident des Gesamtvereins, Bernd Hoffmann, ist neuer Aufsichtsratschef der AG.
"Wir haben uns nach eingehender Analyse der Gesamtsituation zu diesem Schritt entschieden und widmen uns nun der Neuausrichtung“, sagte Hoffmann nach einer Aufsichtsratssitzung am Mittwochabend. Noch in der ersten Sitzung nach seiner Wahl zum Präsidenten des e.V. hatte sich Hoffmann hinter dem erst kurz zuvor gewählten Vorsitzenden Michael Krall eingereiht. Dieser rückt ab sofort ins zweite Glied, Hoffmanns Stellvertreter heißt nun Max-Arnold Köttgen.
"In Anbetracht meiner Erfahrung im Profifußball hat der Aufsichtsrat mich – ebenfalls einstimmig – gebeten, die Neuausrichtung des HSV maßgeblich mit voranzutreiben", sagte Hoffmann.
Wettstein: "Wir sind voll handlungsfähig"
Bruchhagen hatte das Amt als Nachfolger von Dietmar Beiersdorfer erst Ende 2016 übernommen. Dass er bis zuletzt seine schützende Hand über Sportchef Todt, mit dem er gemeinsam den Kader zu verantworten hat, hielt, wurde ihm nun zum Verhängnis. Denn Hoffmann kann als Aufsichtsratschef nur den Vorstand beurlauben, den Sportchef muss wiederum der Vorstand entlassen. Deshalb musste Hoffmann erst Bruchhagen freistellen, bevor Wettstein Todt beurlauben konnte.
"Heribert Bruchhagen hat sich stets schützend vor unseren Club gestellt. Ihm war und ist sehr daran gelegen, dass der HSV die aktuelle sportliche Talsohle überwindet", sagte Hoffmann über den scheidenden 69-Jährigen. "Es ist keine Trennung im Streit."
HSV-Präsidenten und Vorstandschefs seit 2000
Die Führung der HSV Fußball-AG liege nun allein in den Händen von Frank Wettstein, hieß es weiter. Wettstein habe sich als ersten Beschluss für die Beurlaubung von Todt entschieden. Todt war seit Januar 2017 im Amt. "Wir wollen uns für die Zukunft neu aufstellen“, sagte Wettstein.
Kommentar: Hoffmann in der Pflicht
Todts Aufgaben, zu denen auch die Vertragsverhandlungen mit Spielern für den möglichen Abstiegsfall gehören, werden demnach intern aufgeteilt, so dass keine Lücke entstehen werde. „Wir sind voll handlungsfähig“, versicherte der neue Alleinvorstand Wettstein, dem ohnehin ein schlechtes Verhältnis zu Bruchhagen und Todt nachgesagt wurde. Die Mannschaft sei über die Schritte bereits informiert worden, sagte Wettstein in einer Medienrunde am Donnerstagvormittag.
Todt bietet seine weitere Hilfe an
Der Grund für die Beurlaubung von Vorstandschef und Sportdirektor sei die Erkenntnis, dass der „HSV jetzt unmittelbar“ mit dem Umbruch beginnen müsse. Die Trennung von Bruchhagen und Todt war erst zum Saisonende erwartet worden. Bruchhagens Vertrag war erst im Dezember bis Sommer 2019 verlängert worden, Todts Vertrag war bis zum Ende dieses Jahres datiert.
Die telefonisch überbrachte Entscheidung, die ohne Rücksprache mit Investor Klaus-Michael Kühne getroffen worden sei, habe der Sportchef mit Fassung getragen, sagte Wettstein: "Er schien mir nicht überrascht zu sein." Todt habe sogar weiter seine Hilfe angeboten, berichtete Wettstein, der zunächst aber "die alleinige Verantwortung als Vorstand" tragen werde. Ein dauerhafter Anspruch auf den Managerposten leite sich daraus allerdings nicht ab.
HSV-Kader im Umbruch: Wer bleibt, wer geht?
* Rot: Spieler, die den HSV wohl verlassen. Grün: Profis, die eher bleiben. Schwarz: Zukunft offen. Marktwert-Quelle: transfermarkt.de
Hoffmann erstellt konkretes Anforderungsprofil
Bei einem Abstieg in die 2. Bundesliga will der Verein schon in den nächsten Wochen die Weichen stellen und dabei Personal für die Führung sowie Spieler für einen Neubeginn rekrutieren. „Wir erstellen ein konkretes Anforderungsprofil und werden einen geordneten Prozess angehen, mit dem wir den besten Kandidaten für den HSV finden wollen“, sagte Hoffmann, in dessen Amtszeit als Vorstandsvorsitzender von 2003 bis 2011 die bisher letzten Auftritte des Clubs in der Champions League und in der Europa League fallen.
Eile sei dabei allerdings nicht geboten, konkretisierte Hoffmann in der Presserunde am Vormittag. "Es gibt keinen Grund, hektisch zu werden. Wir sind im Moment gut aufgestellt", sagte Hoffmann: "Wir werden nicht den Fehler der letzten Jahre begehen, sofort eine neue Lösung auf einer Position zu präsentieren." Der Sportchef solle künftig auch einen Sitz im Vorstand erhalten. Am Ende werde der Verein für die neue Saison einen "wettbewerbsfähigen Kader" haben, versicherte der neue Aufsichtsratschef.
HSV-Manager und Sportdirektoren seit 2000
Auch Hollerbach bleibt angezählt
Bereits bei seiner Wahl am 18. Februar hatte Hoffmann unter dem Beifall vieler Mitglieder erklärt: "Ein 'Weiter so' kann es nicht geben. Wir brauchen dringend eine Trendumkehr. Wir haben ein anderes Verständnis von Präsidiumsarbeit. Die Herzkammer des e.V. schlägt am Ende in der Fußball AG." Er könne "nicht durch Handauflegen dafür sorgen, auf Platz acht zu landen" und habe auch "keinen saudischen Scheich in der Tasche. Erfolg resultiert aus knallharter Arbeit."
Neun Spieltage vor dem Saisonende ist der HSV Tabellenvorletzter und hat bereits sieben Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz. Damit droht dem Club erstmals seit Gründung der Bundesliga im Jahr 1963 der Gang in die Zweitklassigkeit. An diesem Sonnabend (15.30 Uhr, im Liveticker auf abendblatt.de) gastiert die Mannschaft des ebenfalls angezählten Trainers Bernd Hollerbach beim deutschen Rekordmeister Bayern München. Für Hollerbach gab es am Donnerstag noch einmal mehr oder weniger starke Rückendeckung. "Stand heute halte ich einen Trainerwechsel für nicht möglich", sagte Wettstein.