Clubboss Bruchhagen stützt sieglosen Trainer Hollerbach – und entschuldigt sich für die Wortwahl seiner Schiedsrichter-Schelte.
HSV plant Trainingslager vor Mainz
Spätestens nach der 0:1-Derbyniederlage in Bremen taumelt der HSV schier unaufhaltsam dem Abstieg entgegen. Um das Horrorszenario doch noch zu verhindern, wollen die Hamburger vor dem Schlüsselspiel gegen Mainz 05 ein Trainingslager beziehen. „Wir arbeiten daran. Es ist nicht ganz einfach, weil viele Plätze im Norden vereist sind. Wir suchen einen guten Platz mit Rasenheizung“, berichtete Trainer Bernd Hollerbach am Sonntag im Volksparkstadion.
Doch Hollerbach, der seinen Kader „spätestens ab Donnerstag in Niedersachsen oder Schleswig-Holstein“ zusammenziehen will, gibt noch längst nicht auf. „Wenn wir am Sonnabend die Mainzer besiegen, sieht die Sache schon wieder ganz anders aus“, betonte der frühere HSV-Linksverteidiger. In der Vorsaison waren die Hanseaten zweimal zu Gast in Rotenburg und einmal in Barsinghausen.
Unmittelbar nach der Pleite in Bremen hatte Sportchef Jens Todt sich noch verhalten über die Option eines Trainingslagers geäußert. „Darüber haben wir noch nicht gesprochen. Das ist jetzt alles noch sehr frisch. Das werden wir im Laufe der Woche entscheiden, wie wir weiter vorgehen“, sagte er.
Bruchhagen stützt Hollerbach
Von den Club-Verantwortlichen erhielt der Gisdol-Nachfolger trotz des fünften sieglosen Spiels in Serie unter seiner Regie Rückendeckung. Die Frage, ob ein erneuter Trainerwechsel vorstellbar sei, verneinte der HSV-Vorstandsvorsitzende Heribert Bruchhagen beim TV-Sender Sky eindeutig: „Nein, diesen Gedanken haben wir nicht im Ansatz“, sagte er. „Wir sind uns sicher und selbstkritisch genug, dass unser Tabellenplatz das Resultat vieler Entscheidungen ist. Damit hat Bernd Hollerbach nichts zu tun. Er arbeitet hervorragend mit der Mannschaft, er arbeitet authentisch und glaubwürdig.“
Pyro, Pech und Pannen: das 108. Nordderby in Bildern:
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Bruchhagen bedauert Schiri-Kritik
Einmal in Erklärungsnot nutzte Bruchhagen gleich die Möglichkeit, sich für die Wortwahl seiner harschen Kritik am Videoassistenten in Köln zu entschuldigen. „Ich bleibe dabei, dass es sich beim Bremer Tor um eine Abseitsstellung handelte“, ließ der 69-Jährige mitteilen: „Ich bedaure allerdings, was ich in der ersten Emotion über die Videoschiedsrichter in Köln gesagt habe. Das war nicht richtig.“
Bruchhagen hatte vor dem umstrittenen Eigentor von Rick van Drongelen (86.) eine Abseitsstellung von Werder-Angreifer Ishak Belfodil erkannt. „Was sind das für Leute, die da in Köln sitzen?“, hatte er bei Sky gesagt und damit seinem großen Unmut Luft gemacht.
Für Hahn wäre Punkt überlebenswichtig gewesen
Ganz Fußball-Deutschland diskutiert über den Siegtreffer von Werder Bremen, ob es Abseits war oder nicht. Doch hätte dieser eine mögliche Punkt dem HSV im Kampf um den Klassenerhalt bei nunmehr bereits sieben Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz (Mainz) überhaupt weitergeholfen. „Da muss ich widersprechen“, entgegnete André Hahn auf eine entsprechende Nachfrage.
Hahn weiter: „Wenn wir mit einem 0:0 aus dem Derby nach Hause fahren, dann tut uns das einfach gut. Ein Sieg natürlich noch viel mehr. Aber wenn man mit einem 0:0 nach Hause fährt, dann ist dies das kleine Erfolgserlebnis, dieser eine Punkt, der am Ende vielleicht doch reicht. Wer weiß das schon? Deswegen ist die Niederlage doppelt bitter.“
Todt: „Niederlage war unglücklich“
Fehlt dem HSV in der Offensive eine klare Spielidee und auch ein Stück weit Entschlossenheit, den Sieg zu erzwingen? Todt: „Das will ich nicht sagen. Das war ein typisches Derby. Wenn man dasteht, wo wir stehen, dann verliert man das Spiel 0:1 in der 86. Minute. Das ist wahnsinnig bitter. Ich mache der Mannschaft aber null Vorwurf. Dass das spielerisch kein Glanzstück war, ist so. Aber das ist in Kellerduellen fast immer so. Wenn die Mannschaften aus dem unteren Tabellendrittel gegeneinander spielen, dann geht es um Kleinigkeiten. Und da waren wir heute der unglückliche Verlierer.“
Erschütternde HSV-Passquote
Die Auftritte des HSV sind längst nicht mehr bundesligatauglich. Ein Beweis: Die Passquote der Hamburger im Nordderby lag bei erschütternden 63,1 Prozent. Zum Vergleich: Werder, das ebenfalls keinen guten Tag erwischte, brachte immerhin noch 80,6 Prozent seiner Abspiele an den Mann. Ist dieser Verfassung ist der HSV wohl nicht mehr zu retten.
Polizei berichtet von aggressiver Grundstimmung
Der Bahnbetreiber Metronom registrierte der HSV-Anhänger keine größeren Zwischenfälle. „Die An- und Abreise verlief glücklicherweise ruhig“, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Die Bundespolizei Bremen war mit 300 Beamten im Einsatz, zusätzlich begleiteten erneut etwa 50 Sicherheitsleute des HSV-Sicherheitsdienstes die Fans in den Zügen nach Bremen. „Dort gibt es ein Vertrauensverhältnis, dass sich dann auch deeskalierend auswirkt“, so der Metronom-Sprecher. Zuletzt hatte es im Jahr 2015 im Zuge des Nordderbys großflächige Zerstörungen in den Zügen gegeben.
Polizeibilanz: Eine Festnahme, ein Verletzter
Die Bundespolizei musste am Sonnabend nur in Einzelfällen einschreiten. Ein HSV-Anhänger zündete kurz nach der Ankunft im Bremer Hauptbahnhof an Gleis 7 einen blauen Rauchtopf – der Mann konnte jedoch mit Unterstützung der Videozentrale des Bahnhofs schnell identifiziert werden. Er und seine Freundin mussten die Heimreise nach Hamburg antreten, es wurde eine Anzeige wegen der Ordnungswidrigkeit erstattet.
Insgesamt sei es außerdem zu fünf „kleineren Sachbeschädigungen“ gekommen, sagte Holger Jureczko, Sprecher der Bundespolizei. „Darunter war etwa eine Beschädigung an einer Deckenverkleidung im Zug nach Bremen“. Auch wenn es zu keinen schweren Vorfällen im Bereich der Bahn kam, war die Stimmung laut Augenzeugen teils sehr aggressiv. „Wenn diese sogenannten Fans ohne Anlass direkt auf Polizisten zustürmen, und ihnen Beleidigungen ins Gesicht brüllen, ist das nicht mehr zu verstehen“, sagt ein Beamter. „Leider scheint das in diesen Kreisen dazuzugehören“.
Jatta sammelt Pluspunkte
Es war die Überraschung im Vorfeld des 108. Nordderbys: Bakery Jatta rückte zum zweiten Mal in dieser Saison in die Startelf – und der Flüchtling aus Gambia wusste sogar in Ansätzen zu überzeugen. Zur Belohnung gab es im Anschluss ein Sonderlob von Trainer Bernd Hollerbach. „Er hat die ganze Woche gut trainiert und hat viel Tempo. Er hat ein sehr gutes Spiel gemacht und war an allen gefährlichen Situationen von uns vorne beteiligt. Er hat seine Sache sehr, sehr gut gemacht.“