Hamburg. Bei seiner Präsentation betonte der auserkorene HSV-Retter Grundtugenden: Ärmel hoch, fleißig sein, arbeiten – und Klasse halten.
Draußen war es bereits dunkel, als drinnen das Scheinwerferlicht anging. Tür auf, Spot an, Kamera läuft. Um 17.13 Uhr am späten Montagnachmittag betrat Bernd Hollerbach mit Sportchef Jens Todt und Vorstandschef Heribert Bruchhagen den Presseraum im ersten Stock des Volksparkstadions, um diesen dann nur 19 Minuten und 24 Sekunden später schon wieder zu verlassen. Trainervorstellungsalltag beim HSV.
Wahrscheinlich hatte es in der Geschichte des HSV noch nie eine so späte Vorstellung – Begründung der Presseabteilung: erst arbeiten, dann reden – und eine so kurze Vorstellung – Begründung Hollerbachs: erst arbeiten, dann reden – gegeben. „Hallo an alle“, sagte der Franke zur Begrüßung, „groß vorstellen muss ich mich ja nicht.“
Hollerbach zieht den Trainingsanzug vor
Natürlich nicht. Den „Holler“ kennt man hier. 222 Bundesligapartien als Spieler, 93 Gelbe Karten. Wo Hollerbrach draufsteht, ist auch Hollerbach drin. Auch bei seiner Präsentation als Nachfolger des am Tag zuvor entlassenen Markus Gisdols. „Ich glaube mehr an Chancen als ans Scheitern“, sagte der personifizierte Ärmel-hochkrempel-Trainer. „Ich bringe alles rein, was geht“, „Wir müssen hart arbeiten“ und natürlich: „Ich lege Wert auf Disziplin“. Hollerbach pur – und ganz zum Schluss noch ein echter Ho-ho-Hollerbach: „Wir müssen die Ärmel hochkrempeln.“
Rechts auf dem Podium saß Sportchef Todt, weißes Hemd, dunkelblaues Sakko, links saß Bruchhagen, weißes Hemd, graues Sakko, und in der Mitte eben dieser Hollerbach, kein Hemd, kein Sakko. Stilecht im Trainingsanzug ging der gebürtige Würzburger ähnlich kompromisslos wie einst auf dem Rasen zu Werke: keine unnötigen Schlenker, kein Tamtam, kein Schuschu. „Ich will agieren, nicht reagieren“, antwortete Hollerbach auf die Frage nach seiner Trainerphilosophie und erlaubte sich noch einen zweiten Satz: „Wir wollen erst einmal kompakt stehen.“
Hollerbach sprach von der Champions League
Relativ kompakt war auch das Frage-und-Antwort-Spielchen mit der Journaille. Viele Einzelgespräche wolle er führen. Alles sei wieder offen – selbst das gerade erst beendete Torhüterduell. Er müsse nun erst einmal trainieren. Auf Nachfrage präzisierte Felix Magath, Pardon: Bernd Hollerbach: 8.30 Uhr Dienstbeginn, gemeinsames Frühstück, Training, gemeinsames Mittag, wieder Training und Feierabend. „Hollerbach führt Acht-Stunden-Tag für HSV-Profis ein“, vermeldete wenig später „mopo.de“.
Den hatten zwar auch schon Markus Gisdol und Bruno Labbadia einst verkündet, Vorvorvorgänger Joe Zinnbauer hatte sogar den Zehn-Stunden-Tag proklamiert, doch diese Trainer sind Geschichte. Die Zukunft des HSV hat Viertagebart, Wuschelfrisur und nur ein einziges Ziel: „Ich bin mir sicher, dass wir die Klasse halten.“
Er habe mal davon gesprochen, dass dieser HSV in die Champions League gehöre, sagte ein Journalist. Hollerbach grinste. „Hab ich das wirklich gesagt?“ Auf die typischen Vorstellungssätze „Der HSV ist ein Brett“ (Gisdol), „Der HSV ist ein Verein mit Visionen“ (Slomka) oder „Der HSV gehört unter die Top sechs“ (van Marwijk) verzichtete Hollerbach. Auch die Standardfrage nach Investor Klaus-Michael Kühne umschiffte er geschickt. In Würzburg hätte er sich einen wie Kühne gewünscht, sagte Hollerbach. Und in Hamburg? „Wir hatten keinen Kontakt.“
Hollerbachs erster Arbeitstag:
Bernd Hollerbachs erster Arbeitstag als HSV-Trainer
Vertrag gilt für die Zweite Liga
Erst am Vorabend war der Hoffnungsträger mit dem Auto aus der Heimat gekommen, hatte sich direkt zu Gesprächen über den aktuellen Kader mit Todt getroffen. Um halb eins war sein erster HSV-Tag beendet, obwohl er zu diesem Zeitpunkt offiziell noch gar kein HSV-Trainer war. Das war der frühere Linksverteidiger erst ab Montagmittag, als er seinen Vertrag bis 2019 unterschrieben hatte, den er, Todt, Bruchhagen, Vorstandskollege Frank Wettstein und Berater Reza Fazeli am Vormittag ausgehandelt hatten. Gültig für Liga eins und Liga zwei.
Unterschrift um 13.30 Uhr, erste Mannschaftssitzung um 13.45 Uhr. Hollerbach wollte keine Zeit verlieren. „Wir brauchen wieder eine Ordnung auf dem Platz“, sagte er. Seine erste Ansprache dauerte gerade einmal fünf Minuten. „Die Mannschaft wirkt ein wenig verunsichert.“
Kommentar: Alle beim HSV haben versagt
Diese Verunsicherung will er nun lösen. Nicht alleine, sondern im Team. Als Co-Trainer verpflichtete Todt noch in der Nacht Steffen Rau (47), der zuletzt die Bundesliga-Damen von Werder Bremen trainiert hat. Und komplettiert wird das neue Trainerteam durch Matthias Kreutzer (35), dem bisherigen Technischen Leiter des HSV-Nachwuchsleistungszentrums.
"Ich bin stolz, wieder hier zu sein"
Hollersbachs erste HSV-Pressekonferenz war fast beendet, als sich der 48-Jährige dann doch einen kurzen Ausflug in die Gefühlswelt erlaubte. Ob sich knapp 5000 Tage nach seinem Karriereende in Hamburg nun ein Lebenstraum erfülle, fragte ein extra aus seiner Heimat Würzburg angereister Reporter. Ein kurzes Schlucken, dann: „Ich bin stolz, wieder hier zu sein“, antwortete Hollerbach.
Dann war es geschafft. „Nur noch ein Hinweis“, sagte Pressesprecher Till Müller. Es gebe bis zur Spieltagskonferenz am Donnerstag keine weiteren Interviews. „Ich glaube, dass der Trainer deutlich gemacht hat, dass er nun erst einmal arbeiten will.“
In der Tat. Das hat er.
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