Hamburg. Nach dem 0:2 gegen Köln löst der frühere HSV-Profi Markus Gisdol ab, unterschreibt bis 2019 und leitet heute sein erstes HSV-Training.
Der HSV hatte die Verpflichtung Bernd Hollerbachs als neuen HSV-Trainer offiziell noch gar nicht vermeldet, da machte in den sozialen Netzen sein Leitspruch von anno dazumal bereits die Runde: „An mir kommt entweder der Ball vorbei oder der Gegner. Aber nie beide zusammen.“
Ho-ho Hollerbach also. Kratzer, Beißer, Krieger. Der Defensivkämpfer von gestern soll von heute an den Abstiegskampf des HSV anführen. „Wir wissen, wer neuer Trainer wird. Aber die Dinge müssen noch formal beendet werden“, sagte HSV-Vorstand Heribert Bruchhagen, der am Sonntagmittag offiziell noch nicht das bestätigen wollte, was inoffiziell längst jeder wusste: Bernd Hollerbach erhält an diesem Montag einen Vertrag bis Mitte 2019, löst damit den beurlaubten Markus Gisdol ab und soll bereits am Nachmittag um 15 Uhr sein erstes Training als HSV-Coach leiten.
„Wir mussten einen Plan B haben. Das musste sehr feinfühlig gemacht werden“, sagte Bruchhagen, nachdem er – mehr oder weniger feinfühlig – Gisdol nach dessen Beurlaubung am Sonntagvormittag noch gebeten hatte, im Stadion auf die offizielle Pressemitteilung des Vereins zu warten.
Bruchhagen kontaktierte Hollerbach vor Köln-Spiel
Letztendlich kam die Entlassung Gisdols nach der 0:2-Niederlage gegen den Tabellenletzten 1. FC Köln nicht wirklich überraschend – die zügige Entscheidung für Nachfolger Hollerbach dagegen schon. „Der neue Trainer hatte die Möglichkeit, sich intensiv mit der Mannschaft auseinanderzusetzen“, sagte Bruchhagen, der gar keinen Hehl daraus machen wollte, dass er und Sportchef Jens Todt sich schon lange Zeit vor dem „Abstiegsfinale“ gegen Köln nach Alternativkandidaten umgeschaut hatten: „Wir haben mehrere Kandidaten abgeklopft, aber unser Ziel war immer ausschließlich, dass wir gegen Köln zu drei Punkten kommen.“
Das Ziel wurde krachend verfehlt – wie so ziemlich alle anderen in dieser Saison auch. Deswegen hatte Manager Todt bereits nach dem schwachen 0:1 in Augsburg zum Rückrundenauftakt den Kontakt zu Hollerbach gesucht und ihn gefragt, ob er im Falle eines erneuten Misserfolgs gegen Köln zur Verfügung stünde.
Der 48 Jahre alte Würzburger signalisierte sofort Bereitschaft, wodurch Todt die üblichen Wir-halten-am-Trainer-fest-Floskeln im Anschluss an die Heimniederlage gegen Köln erspart blieben. „Ich kann einen Trainerwechsel nicht mehr ausschließen“, sagte Todt am Sonnabend, um den ungewöhnlich offensiven Worten am Sonntag Taten folgen zu lassen.
Hollerbach wird 13 Uhr vorgestellt
In einer Telefonkonferenz zwischen Todt, Bruchhagen und dem Aufsichtsrat, den man bereits unter der Woche über das Interesse am Bundesliganeuling Hollerbach unterrichtet hatte, wurden dann am Sonntagvormittag Fakten geschaffen. Doch erst als tatsächlich alle Gremien zugestimmt hatten, machte sich Hollerbach am Nachmittag auf den Weg nach Hamburg, wo er am Abend erste Detailgespräche mit den Verantwortlichen führte. Seine Präsentation ist heute um 13 Uhr terminiert.
Ende gut, alles gut? Von wegen! Während Todt nach der Hollerbach-Entscheidung keine weiteren Fragen beantworten wollte, ließ Bruchhagen durchblicken, dass innerhalb des HSV nicht nur Trainer Gisdol für Platz 17 und den desaströsen Saisonverlauf verantwortlich gemacht wird: „Wir müssen uns alle die Frage stellen, wo und an welcher Stelle wir hätten besser agieren können“, sagte Bruchhagen. „Jeder hinterfragt sich bei uns. Dieses Szenario hatten wir so nicht erwartet.“
Dies überraschte insofern, als dass das Szenario Trainerrauswurf beim HSV so verlässlich wie das schlechte Wetter in Hamburg ist. Alleine seit Hollerbachs Karriereende 2004 als Spieler beim HSV wechselte der Club 17 (!) Mal den Cheftrainer (inklusive Interimslösungen) und hat zumindest in dieser Kategorie die unangefochtene Tabellenführung der Bundesliga sicher.
HSV braucht das Wunder von Bernd
Von einem tatsächlichen Spitzenrang ist der einst so stolze und seit Jahren taumelnde Bundesliga-Dino längst Welten entfernt – doch selbst der erhoffte Nichtabstiegsplatz 15 ist nach dem 0:2 gegen Köln in weite Ferne gerückt. Vor Hollerbachs HSV-Trainerpremiere in Leipzig ist der Rückstand auf das rettende Ufer auf fünf Zähler angewachsen. Der HSV – da ist man sich mittlerweile in ganz Hamburg einig – braucht in den 15 verbleibenden Spielen der Rückrunde so etwas wie ein kleines Wunder – das Wunder von Bernd.
16 Trainer in 14 Jahren beim HSV:
17 Trainer in elf Jahren beim HSV
So heißt übrigens auch passend das Werk des Münchner Autors Volker Keidel, der in dem Buch „Das Wunder von Bernd – Geschichten von der Ersatzbank“ auf unterhaltsame Art und Weise berichtet, was er mit „Ho-ho-Hollerbach“ (so riefen früher gerne die Fans) erlebte, als sie gemeinsam in der C-Jugend des ASV Rimpar kickten.
Doch die Zeiten, in denen „der Bernd einfach mal den Ball aus 40 Metern reinschoss“ sind dummerweise lange her – genauso wie die Zeiten, in denen der HSV einfach mal überhaupt ein Tor schoss. Gerade mal zwei Törchen konnten die Hamburger in den vergangenen sechs Partien erzielen – und Besserung ist nicht wirklich in Sicht. Immerhin darf Hollerbach in Leipzig auf die Rückkehr des grippekranken Abiturienten Jann-Fiete Arp (18) hoffen.
Hollerbach gilt als Taktiktüftler
Die Partie gegen Köln hat allerdings sehr eindrucksvoll bewiesen, dass Hollerbach einen ganzen Sack mit Aufgaben anzupacken hat. Sturm, Mittelfeld, Abwehr – beim HSV hat es zuletzt in so ziemlich allen Mannschaftsteilen geknirscht.
Mehr als gespannt darf man auch sein, auf welche taktische Formation der Mann mit dem gepflegten Stoppelbart zunächst setzen wird. Denn anders als hier und da behauptet, ist Hollerbach keinesfalls nur notorischer Fitnessfetischist, der nach der klassischen Magath-Schule ausschließlich auf Medizinbälle und Läufe über den Hügel des Leidens setzt. Der ehrliche Franke gilt in Fachkreisen als gewiefter Taktiktüftler, der in seiner Zeit bei den Würzburger Kickers zwischen 4-1-4-1, 4-2-3-1, 4-3-2-1 und 3-4-1-2-System fröhlich hin- und hergesprungen ist.
Doch Würzburg war gestern. Heute ist Hamburg, morgen ist Leipzig. „Ein neuer Trainer soll als Impuls wirken und unserer Mannschaft die Unsicherheit nehmen“, sagte der seit Tagen gesundheitlich angeschlagene Bruchhagen, hustete und verabschiedete sich: „Na dann, bis morgen.“