Hamburg/Alhaurín El Grande . Gisdols Entscheidung, Pollersbeck das Vertrauen zu schenken, reifte schon viel früher. Die Hintergründe des Torwart-Wechsels beim HSV.
Markus Gisdol blieb seiner Linie zunächst treu. Auch beim Abschlusstraining am Freitag ließ sich der HSV-Trainer nicht in die Karten blicken und rotierte seine vermeintliche A-Elf munter durch. Die entscheidende Frage, ob Christian Mathenia oder Julian Pollersbeck das Tor an diesem Sonnabend zum Rückrundenauftakt beim FC Augsburg (15.30 Uhr/Sky und im Abendblatt-Liveticker) hüten wird, blieb auf dem Trainingsplatz noch ungeklärt. Für Klarheit sorgte Gisdol erst nach der knapp 45-minütigen Einheit. In einem persönlichen Gespräch teilte der Coach den beiden Kontrahenten mit, dass Pollersbeck als Nummer eins in die Rückrunde starten wird.
Für Gisdol ist der Torwartwechsel fast schon so etwas wie die letzte Patrone im Abstiegskampf. Auch wenn er sich mit der Verkündung bis einen Tag vor dem Rückrundenstart Zeit ließ, deutete sich seine Entscheidung bereits zum Ende der Hinrunde an. Nachdem Mathenia, der in allen bisherigen Saisonspielen im HSV-Tor stand, zum Vorrundenabschluss in Mönchengladbach (1:3) bei einem Gegentreffer zum wiederholten Mal nicht gut aussah, zog Gisdol erstmals einen Tausch zwischen den Pfosten in Erwägung.
Der Trainer wusste zu diesem Zeitpunkt, dass der Klassenerhalt nur gelingen kann, wenn die Schlüsselposition mit einem Torhüter besetzt ist, der Spiele gewinnen kann. Mathenia kostete den HSV in der Hinrunde allerdings zu viele Punkte bei den Partien in Hannover (0:2), Mainz (2:3) und gegen Frankfurt (1:2).
Einen Tag nach der Gladbach-Pleite, am letzten Trainingstag im Jahr 2017, nahm Torwarttrainer Stefan Wächter Herausforderer Pollersbeck beiseite und sprach ihm für die Rückrunde Mut zu. Der Tenor: Wenn der zu Saisonbeginn so gescholtene U-21-Europameister den endlich eingeschlagenen Weg weitergehe, dann hätte er gute Chancen auf eine Beförderung. Und auch im Trainingslager war es auffällig, wie oft und wie viel Pollersbeck vom gesamten Trainerteam gelobt wurde.
Entscheidung schon vor dem Freiburg-Spiel
Die Wechselstimmung fiel nicht nur Pollersbeck, sondern auch Mathenia auf. Während Pollersbeck die gesamte Woche über ein gutes Gefühl hatte, in Augsburg spielen zu dürfen, äußerte Mathenia innerhalb der Mannschaft bereits Bedenken über seine Zukunft als Nummer eins.
Wie die Entscheidung ausfallen würde, deutete sich dann vor einer Woche im Trainingslager an. Der bei den Fans beliebtere Pollersbeck (Leiste) drohte für das Testspiel gegen Freiburg (1:1) auszufallen, aber das Trainerteam nominierte die Nummer drei, Tom Mickel, und eben nicht Mathenia als Ersatzmann für diese Begegnung. Pollersbeck konnte schließlich doch 90 Minuten lang das Tor hüten.
Bereits vor einem Jahr, als Mathenia den verletzten René Adler vertreten hatte und dieser dann wieder fit war, ließ sich Gisdol bis zum Morgen des Spieltags (damals gegen Leverkusen) Zeit, ehe er den beiden Kontrahenten seine Entscheidung für Adler und gegen Mathenia mitteilte.
Pollersbeck hat Vertrauen sicher
Innerhalb der Bundesliga ist dieser bis Freitag noch offene Zweikampf um die Nummer eins eine echte Rarität. Aus Verletzungsgründen müssen derzeit lediglich der FC Bayern München (Sven Ulreich statt Manuel Neuer) und Mainz 05 (Robin Zentner statt René Adler) auf ihre etatmäßigen Stammtorhüter verzichten. Bei allen anderen Clubs ist die Hierarchie im Tor zementiert.
Auch Gisdol ist kein Freund des ständigen Wechsels auf der Torwart-Position. Das bewies er auch in der Hinrunde, indem er Mathenia trotz mehrerer Patzer den Rücken stärkte. Und so dürfte Pollersbeck die komplette Rückrunde im Tor stehen, sollte er verletzungsfrei bleiben.