Hamburg. Warum der Trainer des FC Augsburg mit einer ähnlichen Spielidee mehr Erfolg hat als HSV-Coach Markus Gisdol.

Am Dienstag blieb der Trainingsplatz am Volksparkstadion leer. HSV-Trainer Markus Gisdol hatte seinen Profis nach dem kräftezehrenden Trainingslager in Jerez de la Frontera einen Tag freigegeben, ehe er am Mittwoch den Endspurt der Vorbereitung auf den Rückrundenauftakt beim FC Augsburg (Sonnabend, 15.30 Uhr/Sky und im Abendblatt-Liveticker) einläuten will.

Während die Spieler einen Tag abschalten sollen, ist Gisdol in Gedanken schon beim kommenden Gegner. Für den HSV-Coach ist die aktuelle Form der Augsburger schwierig einzuschätzen. Denn im Gegensatz zum HSV, der gegen Malaga (2:1) und den FC Freiburg (1:1) allen Profis eine Bewährungschance ermöglichte, verzichteten die bayrischen Schwaben auf ein Testspiel in der Winterpause.

Warum Augsburg mehr Erfolg hat als der HSV

Trotzdem dürfte dem HSV-Coach die obligatorische Spielvorbereitung auf den Bundesliga-Neunten nicht sonderlich schwerfallen. Denn Augsburg spielt wie der HSV – nur mit größerem Erfolg. FCA-Trainer Manuel Baum lässt einen ähnlichen Pressing-Fußball wie Gisdol praktizieren. Beide Mannschaften zeichnen sich durch ein hohes Maß an Kompaktheit aus.

Bei Ballbesitz des Gegners wird der zentrale Raum im Mittelfeld besetzt. Die Gegenspieler sollen möglichst weit weg vom eigenen Tor gehalten werden. Um den Spielaufbau zu stören, läuft die Offensivreihe die Abwehrspieler mit hohem Tempo an. Ziel ist es, Abspielfehler durch lange Bälle zu erzwingen. Sowohl Gisdol als auch Baum fordern von ihren Spielern, sich nicht zu weit zurückzuziehen und den Gegner früh unter Druck zu setzen. „In der Defensive zeichnet uns eine sehr aggressive Spielweise aus, wir wollen nicht verteidigen, sondern den Ball erobern und schnell umschalten“, beschrieb Baum bereits vor einiger Zeit seine Spielidee.

Spielerische Defizite kaschieren

Dieser Satz hätte auch von Gisdol stammen können. Erfunden haben beide Trainer diese Taktik allerdings nicht. Ungefähr zwei Drittel aller Bundesligisten versuchen mit unterschiedlichem Erfolg so zu spielen, um ihre spielerische Defizite zu kaschieren. Doch warum kann Augsburg diesen Plan besser umsetzen als der HSV? Um durch eine kompakte Spielweise zum Erfolg zu kommen, ist Genauigkeit im letzten Spieldrittel gepaart mit einer effektiven Chancenverwertung gefragt.

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Doch genau in diesen Bereichen offenbarte der HSV die größten Defizite in der Hinrunde. „Wir müssen deutlich effektiver werden“, weiß auch Gisdol, der beklagt, dass vor allem der letzte Pass häufig nicht beim Mitspieler landet. „Es fehlt Entschlossenheit“, räumte er schon zu Beginn der Hinserie ein. Tatsächlich ist jedoch nicht nur der letzte Pass das Problem. Mit 72 Prozent bietet der HSV ligaweit sogar das schlechteste Passspiel an. Fast jeder dritte Ball landet beim Gegner.

Gregoritschs Effektivität fehlt dem HSV

Dennoch betonte Gisdol nach Niederlagen immer wieder, dass seine Mannschaft gut gespielt habe. Ein häufig zitierter Satz: „Wir müssen uns nur selbst belohnen.“ Gerade mal jeder zehnte Abschluss seiner Spieler fand den Weg ins Tor. Nur der VfB Stuttgart und Werder Bremen (jeweils 9,1 Prozent) sowie Schlusslicht 1. FC Köln (6,6) gehen noch fahrlässiger mit ihren Torchancen um. Während Köln mit sechs Punkten den Abstieg bereits vor Augen hat, sind Bremen (20 Gegentore) und Stuttgart (21) dank ihrer stabileren Defensive tabellarisch besser platziert als der HSV.

27 Tore – und damit zwölf Treffer mehr als die Hamburger – erzielte Augsburg in der Hinrunde. Was aber hat dieser Gegner, was der HSV nicht hat? Topscorer. Und zwar gleich mehrere. Linksverteidiger Philipp Max ist mit zehn Assists bester Vorlagengeber der europäischen Top-fünf-Ligen. Torjäger Alfred Finnbogason brachte im Schnitt mehr als jeden vierten seiner 40 Schüsse im Tor unter.

Gelungene Einkaufspolitik der Augsburger

Gegen den HSV droht der mit elf Toren treffsicherste Augsburger allerdings wegen Achillessehnenproblemen auszufallen. Sollte der Isländer nicht rechtzeitig fit werden, würde voraussichtlich Michael Gregoritsch auf seiner Lieblingsposition im Sturmzen­trum einspringen. Einen Platz dahinter im offensiven Mittelfeld stellte der Acht-Tore-Mann in der Vorrunde bereits seine Effizienz unter Beweis.

Der Transfer des Österreichers ist ein Paradebeispiel für die gelungene Einkaufspolitik der Augsburger in der jüngeren Vergangenheit. Für 5,5 Millionen Euro verpflichteten die Schwaben Gregoritsch im Sommer vom HSV, wo dem Angreifer nicht der erhoffte Stammplatz garantiert wurde.

Laufintensives System

Stattdessen holten die Hamburger Gisdols Wunschspieler André Hahn für sechs Millionen Euro von Borussia Mönchengladbach und verdoppelten die Bezüge von US-Stürmer Bobby Wood nach großem Druck von Investor Klaus-Michael Kühne. Beide Profis etablierten sich nicht in der ersten Elf. Auch Torhüter Julian Pollersbeck (3,5 Millionen Euro Ablöse) und Verteidiger Rick van Drongelen (3) schmorten in der Hinrunde zumeist nur auf der Bank. Mit Kyriakos Papadopoulos, nach einer Leihe im Sommer für 6,5 Millionen Euro verpflichtet, setzte sich nur ein Neu­zugang dauerhaft durch.

Bei Augsburg avancierten die Neuverpflichtungen Gregoritsch, Marcel Heller (kam aus Darmstadt) und Rani Khedira (Leipzig) hingegen auf Anhieb zu Leistungsträgern. Vor allem aber kommen alle drei Spieler mit den taktischen Zwängen im laufintensiven System von Trainer Baum gut zurecht, wodurch Augsburg so spielen kann, wie der HSV gerne spielen würde.

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