Hamburg. Ein Mega-Talent, ein gnadenloser Investor, ein Schwerverletzter beim Jubeln. So buchstabiert der HSV sein Jahr 2017.
Wer A sagt, muss auch Arp sagen. Oder Aufsichtsrat. Abstiegskrimi vielleicht auch. Beim HSV weiß man das ja nie so genau. Fakt ist: Auch in diesem Kalenderjahr war rund um den Bundesliga-Dino wieder genug los, um noch mehr als 26 kleine und große Geschichten zu finden. Die Online-Redaktion des Hamburger Abendblatts hat sich diesmal aber dennoch auf die Buchstaben des Alphabets beschränkt als Ausgangslage für launige Rückblicke auf bewegende zwölf Hamburger Fußballmonate. Und hier sind sie – wie gewohnt mit einem Schuss Ironie:
A
...wie Aufsichtsrat: Rund um die Besetzung des neuen Aufsichtsrats hagelte es für e.V.-Präsident Jens Meier, der eine entsprechende Kandidatenliste erstellen musste, immer wieder Absagen. Dadurch entschieden sich die Räte sogar dazu, die Hauptversammlung, auf der das Kontrollgremium gewählt wird, vom 18. Dezember in den Januar zu verschieben. Immerhin komplettierte Meier am 8. Dezember die fünfköpfige Liste, der KPMG-Vorstand Michael Krall, Max-Arnold Köttgen (Vorstandsmitglied beim Recycling-Unternehmen Remondis), Ex-Profi Marcell Jansen sowie die bisherigen Räte Andreas C. Peters und Felix Goedhart angehören. Meier sitzt als e.V.-Präsident automatisch im Aufsichtsrat.
B
...wie Belastungssteuerung: Das Wort genießt bereits Kultstatus im Volkspark, selbst als Hashtag wird es regelmäßig bei Twitter gesetzt. Die größten Experten beim HSV für das Stichwort sind Kyriakos Papadopoulos und Albin Ekdal, die in den Trainingseinheiten immer wieder kürzer treten müssen, um Verletzungen vorzubeugen.
C
...wie Currywurst und Dosenbier: Als Julian Pollersbeck nach dem Gewinn der U-21-Europameisterschaft diesen Mallorca-Hit aufdrehte, frohlockten die HSV-Fans bereits ob der neuen Stimmungskanone. In Hamburg sank die Laune des Torhüters allerdings sukzessive in den Keller. Mit der Degradierung zur Nummer drei und heftiger Schelte seines Ex-Trainers Gerry Ehrmann als Nullpunkt.
D
...wie Diekmeier, Dennis: Tausendmal gespielt, tausendmal ist nichts passiert. Ganz so oft lief der dienstälteste HSV-Profi in der Bundesliga zwar noch nicht auf, die 198 Einsätze ohne eigenen Torerfolg bedeuten mittlerweile dennoch alleinigen Negativrekord. Sollte der Knoten doch einmal platzen, haben sowohl der Tattoo-Fan selbst als auch HSV-Koch Mario Mosa ein neues Körperbild angekündigt.
E
...wie Eurosport: Sportlich begann die Saisonauftakt verheißungsvoll, Ärger machte sich unter den HSV-Fans anfangs dennoch breit. Vor allem bei den Daheimgebliebenen, die die Freitagsspiele über den neuen Anbieter Eurosport verfolgen wollten. Der Player ruckelte und zuckelte, mitunter gab es überhaupt kein Bild. Nach Entschädigungszahlungen hat Discovery die Probleme inzwischen in den Griff bekommen.
F
...wie Fans: Nach einem Minusrekord von 45.226 Zuschauern (beim 0:0 gegen Wolfsburg) würde sich eben jener Gegner die Finger lecken. Nach der Stimmgewalt des Anhangs sowieso. Mit einem Schnitt von 51.366 liegt der HSV zwar noch leicht unter dem Niveau der Vorsaison (52.320), in der Bundesliga reicht das dennoch für Platz sechs. Und europaweit sogar für Platz 17 – noch vor Frankreich-Gigant PSG oder dem italienischen Meister Juventus Turin.
G
...wie Gregoritsch, Michael: Der Neu-Augsburger ist ein Sinnbild für die unter Fans beliebte These, dass Spieler nach ihrer HSV-Zeit stets besser werden. Mit acht Toren spielt er jetzt schon seine erfolgreichste Bundesligasaison. Gregoritsch reiht sich damit in die prominente Liste um Hakan Calhanoglu, Heung-Min Son, Jonathan Tah, Tomás Rincón und Vincent Kompany ein, um nur einige ehemalige Hamburger zu nennen.
H
...wie Hund: Dös is a Hund, würden sie jenseits der Alpen möglicherweise über den drittältesten Hamburger Feldspieler sagen. Womit sie wiederum Aaron Hunts Aktionen wie den Freistoß gegen Stuttgart meinen könnten, der VfB-Torhüter Ron-Robert Zieler folgenschwer düpierte. Ob jedoch dieser Gedanke hinter der kleinen Twitter-Panne steckte, mit dem der HSV seinen eigenen Spieler in ein bissiges Tier verwandelte?
I
...wie Investor: Kein HSV-Jahresrückblick kommt an Klaus-Michael Kühne vorbei. Noch vor dem ersten Spieltag vernichtete er Pierre-Michel Lasogga als "Flop des Jahrhunderts" und beklagte, dass die "Luschen" immer in Hamburg bleiben. Im selben Sky-Interview gab der streitbare Investor auch preis, den Transfer von André Hahn (kam für 6 Millionen Euro aus Gladbach) nur ermöglicht zu haben, weil der Vertrag mit Bobby Wood verlängert wurde. Die DFL ermittelte daraufhin gegen den HSV wegen des Verdachts, Kühne hätte sich in das operative Geschäft eingemischt. Beweisen ließ sich dieser Vorwurf allerdings nicht.
Historischer Stoff: HSV-Trikots von 1963 bis heute:
Historischer Stoff: HSV-Trikots von 1963 bis heute
J
...wie Jann-Fiete Arp: Besser bekannt als Fiete – oder auf Neu-Hamburgisch "Uns Fiete". "Jann-Fiete sagt Mama höchstens zu mir, wenn sie böse ist“, sagt der 17-Jährige, dem dieses Schicksal im Volkspark bislang erspart blieb. Zu Recht: Mit seinem Treffer in Berlin löste der Abiturient jetzt Heung-Min Son als jüngsten Torschützen der HSV-Geschichte ab. Arp steht längst auf dem Zettel der großen Clubs.
K
...wie Kreuzbandriss:
Für Nicolai Müller begann die Saison so spektakulär wie unglücklich. Über seinen frühen Treffer zum späteren Sieg am ersten Spieltag gegen Augsburg jubelte der Topscorer der beiden vorangegangenen Spielzeiten derart, dass er sich das Kreuzband riss. Die Häme darüber hat er verwunden, derzeit arbeitet der 30-Jährige an seinem Comeback und einem neuen Vertrag.
L
...wie Leeds: Die neue Wahlheimat Pierre-Michel Lasoggas, in der der von Markus Gisdol aussortierte Stürmer zu Anfang so richtig aufdrehte. Fünf Treffer und vier Vorlagen nach zehn Spielen ließen manchen HSV-Fans wehmütig Richtung Insel blicken. Fünf weitere Spiele und eine Vaterschaft später fand sich der Leihspieler jedoch nicht einmal mehr im Kader von United wieder. "Zu unbeweglich", urteilten die Fans.
M
...wie Maximalausbeute: "Wo ist eigentlich das Champions-League-Finale 18/19?", fragte Edelfan Moritz Fürste – und nicht nur der Hockey-Olympiasieger drehte am Abend des 25. August in den sozialen Medien am Rad. Die Anhänger hatten auch allen Grund: Durch den 3:1-Sieg in Köln thronte der HSV erstmals seit dem 3. Oktober 2009 wieder an der Spitze der Bundesligatabelle. Einen halben Tag später war die Herrlichkeit schon wieder vorbei. Dennoch bleiben die Rothosen mit insgesamt 102 Tabellenführungen vorerst an fünfter Stelle dieses Rankings – einen Platz hinter Werder Bremen (130).
N
...wie Neuzugänge: 19 Millionen Euro investierte der HSV im Sommer in neues Personal. Wirklich einschlagen konnte nur Kyriakos Papadopoulos, der aber streng genommen nach seiner Leihzeit in Hamburg nur ein "halber Neuzugang" ist. Sechs-Millionen-Mann André Hahn hatte seinen anfänglichen Stammplatz aufgrund seiner ineffektiven Spielweise inzwischen verloren. Der 18-jährige Rick van Drongelen (kam für drei Millionen aus Rotterdam) versauerte als dritter Innenverteidiger oft auf der Bank und Julian Pollersbecks Schicksal ist bekannt. Die Bilanz der Neuen ist somit mehr als ausbaufähig.
O
...wie Otto, Alexander:
Ohne die gütliche Mithilfe des Unternehmers wäre der Campus nicht möglich gewesen. Nachdem der HSV die ursprünglich für das Internat vorgesehenen Fananleihen anderweitig verwendete, sprang der Mäzen bei der Finanzierung des 20 Millionen Euro teuren Schmuckstücks ein, das Hoffnungsträger wie Fiete Arp oder Tobias Knost beherbergt. Im Juni wurde die Alexander-Otto-Akademie ihrer Bestimmung übergeben.
P
...wie Privatleben: Wurde in der Vergangenheit auch über die Spieler selbst häufig über die Maßen nach außen getragen. Inzwischen halten sich die Profis mit Einblicken in ihren privaten Raum merklich zurück. Der einstige Social-Media-Leader Lewis Holtby ist ohnehin auch sportlich außen vor, Diven wie Rafael van der Vaart sind längst woanders untergekommen. Letzter Instagram-Hero: Siehe D wie Diekmeier.
S
...wie Storks, Sören:
Er kam, sah – und zückte Gelb-Rot. Eigentlich als Vierter Offizieller eingeteilt, musste der 29-Jährige in der 59. Minute des Spiels beim 1. FC Köln für den verletzten Schiedsrichter Felix Brych einspringen. Mit seiner ersten Amtshandlung stellte Storks Mergim Mavraj vom Platz. Dem HSV war's egal, er überstand das Auswärtsspiel am zweiten Spieltag sogar mit einem 3:1-Sieg.
T
...wie Trainingslager: Im Abstiegskampf beschwor Markus Gisdol den Geist von Rotenburg mit dem etablierten Trip an die Wümme. Die Rettung folgte wie zwei Jahre zuvor unter Bruno Labbadia auf dem Fuße. Weiteres Trainingslager-Kuriosum im Jahr 2017: Für die Sommervorbereitung musste der HSV kurzerhand innerhalb Österreichs auf Längenfeld umbuchen. Schuld waren kickende Ärzte, die durch ihre WM die Plätze in Leogang unbespielbar gemacht hatten.
U
...wie U21:
Ein für den HSV in zweierlei Hinsicht guter Jahrgang. Zum einen brachten Gideon Jung und Neuzugang Pollersbeck in dieser Altersklasse Europameister-Ehren nach Hamburg, zum anderen blühte die vereinseigene Zwote richtig auf. Die souveräne Tabellenführung nach der Hinrunde der Regionalliga Nord war nach dem Trainerübergang von Dirk Kunert zu Christian Titz (im Bild) so nicht unbedingt zu erwarten.
V
...wie Videobeweis:
Die Debatte um den Video-Assistenten wird leidenschaftlich geführt. Den HSV tangierte die technische Errungenschaft jedoch nur einmal so richtig, allerdings nicht entscheidend. Bei der 2:3-Pleite in Mainz durfte Sejad Salihovic nach Rücksprache von Schiedsrichter Felix Brych mit den Kölner Bildschirm-Wächtern vom Elfmeterpunkt aus Ergebniskosmetik betreiben. Da nützten auch die Proteste des ehemaligen HSV-Keepers René Adler nichts mehr.
W
... wie Waldschmidt, Luca:
Er hatte sich seinen bislang einzigen großen Auftritt für ein anderes "W" und vor allem einen überaus wichtigen Zeitpunkt aufgehoben. Am 20. Mai köpfte sich der Stürmer mit seinem Klassenerhaltstreffer gegen Wolfsburg in die HSV-Annalen. Es sollte sein vorerst einziger Torerfolg bleiben. "Wir hätten alle den Wunsch gehabt, dass es nahtlos so weitergeht", sagte Gisdol zuletzt über Waldschmidt, nachdem er das mitunter schlampige Talent zwischendurch sogar aussortiert hatte.
X
...wie XY ungelöst: Der Fall des vermissten Marketingleiters Timo Kraus bewegte nicht nur die HSV-Familie. Auch die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" suchte nach dem Vater zweier Söhne. Ende März wurde die Leiche des 44-Jährigen in der Elbe gefunden. Im Juli bestritt der HSV ein Benefizspiel in Buchholz, bei dem rund 30.000 Euro für die Hinterbliebenen zusammenkamen.
Y
...wie Young Talents: So nennt der HSV seinen Twitterkanal über den eigenen Nachwuchs. Und der hatte in der Hinrunde meistens positive Kurznachrichten zu verkünden. Die Jugendmannschaften des Dinos haben sich ihren Ligen fast ausnahmslos an der Tabellenspitze eingenistet. Talente wie Törles Knöll, Tobias Knost, Patric Pfeiffer dürfen regelmäßig bei den Profis trainieren, Knöll sogar in der Bundesliga debütieren. Und Fiete Arp (17) und Tatsuya Ito (20)? Der eroberten die Fanherzen in Rekordzeit. Juwel Arp ist sogar gar nicht mehr aus der ersten Elf zu denken. Dem HSV blüht eine glorreiche Zukunft, wenn weiterhin auf die Nachwuchskräfte gebaut wird.
Z
...wie Zadach, Miroslav:
Kennen Sie nicht? Der Zeugwart (im Bild) war einer von zahlreichen Männern und Frauen im Hintergrund, die dem HSV in der Außendarstellung ein verhältnismäßig ruhiges Jahr garantierten. "Eigentlich läuft das Tagesgeschäft reibungslos, auch dank der Mitarbeiter", fasste Heribert Bruchhagen das Kalenderjahr zusammen, das gleichzeitig sein erstes als Vorstandsvorsitzender bei seinem neuen, alten Verein war.