Hamburg. Mustafa Kucukovic debütierte wie Fiete Arp als 17-Jähriger beim HSV. Heute spielt er bei Hamm United in der Bezirksliga.

Sein erstes Mal vergisst man nicht. „Ich erinnere mich, als ob es gestern gewesen wäre“, sagt Mustafa Kucukovic. 17 Jahre alt war er gewesen. „Genau so alt wie der Fiete Arp.“ Der VfB Stuttgart führte seinerzeit 1:0, als der damalige HSV-Trainer Klaus Toppmöller nach einer Stunde zu ihm gekommen sei und sagte: „Mucki, du spielst.“ Eine Minute später war es so weit: David Jarolim musste raus, Kucukovic durfte rein. „Für mich war es ja schon eine große Überraschung, dass ich im Kader dabei war“, sagt der gebürtige Bosnier. „In meiner späteren Karriere ist nicht alles so gelaufen, wie ich es mir erträumt habe. Aber diesen einen Moment werde ich nie vergessen.“

13 Jahre ist „dieser eine Moment“ her. Der HSV verlor 0:2, doch die „Mopo“ schrieb: „Super-Talent Mucki“. Heute heißt es in großen Buchstaben: „Hamburg im Fiete-Fieber“. Kucukovic muss lachen. „Klar ist der Hype um den Jungen groß. Das war bei mir ähnlich.“

Verblüffende Parallelen in der Frühphase

Die Parallelen zwischen Arp und Kucukovic sind tatsächlich verblüffend. In der Saison 2003/04 schoss Kucukovic 29 Tore in 29 A-Jugendspielen. Arp traf im vergangenen Jahr 26-mal in 21 B-Jugendpartien, seit Sommer erzielte er sieben Tore in nur drei U-19-Spielen – und wird dem Vernehmen nach von Clubs wie Real Madrid, Chelsea London und Bayern München umworben. Auch Kucukovic hätte zu den Bayern oder zu Schalke wechseln können – entschied sich aber für den HSV. „Ich wollte da spielen, wo ich eine realistische Chance auf möglichst viel Spielpraxis hatte.“

Arpropos Fiete: Furiose Wortspiele mit dem HSV-Juwel

Der Start für den 1,93-Meter-Schlaks in Hamburg war verheißungsvoll. Neunmal durfte Kucukovic in seiner ersten Saison spielen, im zweiten Jahr noch fünfmal. Insgesamt gelang ihm aber nur ein einziges Tor: Dezember 2005, Nordderby gegen Werder Bremen. „Das war der schönste Moment meiner Karriere“, sagt Kucukovic, der beim Stand von 0:1 nach 65 Minuten für Benny Lauth eingewechselt wurde und nur zwei Minuten später für den 1:1-Endstand sorgte. „Das Trikot von damals habe ich heute noch.“

17 Wortspiele mit HSV-Juwel Fiete Arp

”Guten Arppetit!”

Seinen Heißhunger auf Tore wird Fiete Arp hoffentlich lange beibehalten.

”Arpgefahren”

Die ”Hamburger Morgenpost” nach dem 3:1-Sieg gegen Stuttgart.

”Uns Fiete”

In Anlehnung an den Spitznamen für HSV-Ikone ”Uns Uwe” Seeler.

”Fiete, Freude, Eierkuchen”

Zumindest nach seinen ersten drei Profi-Einsätzen herrscht rund um den Hoffnungsträger Friede, Freude, Eierkuchen.

”Jann-Fiete van der Aarp”

Eine Reminiszenz an Rafael van der Vaart, einen der größten 10er der HSV-Geschichte.

”Und es geht Arp, Arp, Arp – Fiete ist fast perfekt”

Eine Abwandlung des Bibi&Tina-Hits ”Up, up, up (Nobody is perfect)”

”17 Jahr, blondes Haar”

In Erinnerung an einen der ganz großen Hits von Udo Jürgens.

”Komm mit mir ins Arpenteuerland”

Auch Hartmut Engler und Pur dachten schon früh an den HSV-Youngster.

”Arpplaus, Arpplaus”

Und noch ein Schlager aus der Musikwelt, diesmal von den Fußball-affinen Sportfreunden Stiller.

”Arpgewichst”

... wenn der Fußballjargon vor dem Tor mal etwas derber ausfallen soll.

”Arprakadabra”

Zlatan Ibrahimovic nennt sich selbst ”Ibrakadabra”, wir hätten da einen Hamburger Konter ...

”Lieber würzig mit vierzig als ranzig mit zwanzig”

Beim HSV trägt Fiete Arp die Rückennummer 40. Anspielungen auf die an Albin Ekdal vergebene 20 sind in diesem Fall allerdings ungewollt.

”Arp und wie er die Welt sah”

”Spiegel Online” in Anspielung auf das literarische Werk ”Garp und wie er die Welt sah” von John Irving (1978), das mit Robin Williams in der Hauptrolle später tragikomisch verfilmt wurde.

”Die Arpitrarität des Zeichens”

Für Anhänger des Sprachwissenschaftlers Ferdinand de Saussure. Welche Bedeutung wohl das Zeichen hatte, das Arp durch das Klopfen auf die Raute nach seinem Treffer gegen Stuttgart haben wird?

”Mich laust der Arp!”

Ausruf der Verwunderung, bevorzugt benutzt von HSV-Fans.

”Hamburg im Fiete-Fieber”

Auch die ”Mopo” liebt Alliterationen.

”Arpgezockt”

... so darf sich Jann-Fiete im Strafraum künftig gerne weiterhin zeigen.

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Auch Kucukovic war von Topclubs umworben

Selbstverständlich hat sich auch Arp das HSV-Trikot gesichert, als er vor einer Woche erstmals in der Bundesliga (bei Hertha BSC) getroffen hatte. „Fiete scheint mir ein guter Junge zu sein. Natürlich ist der Wirbel gerade groß. Aber ich bin mir sicher, dass er seinen Weg machen wird“, sagt Kucukovic.

Kucukovic’ Weg ging in eine andere Richtung. Der Wahlhamburger, der noch immer nahe dem Michel in der Neustadt wohnt, ließ sich nach Fürth verleihen, er wechselte zu 1860 München, Grenoble Foot, Sønderjysk, Energie Cottbus und Olympiakos Nikosia. „Beim HSV hatte ich eine tolle Zeit, die ich nicht missen will. Der Verein hat alles dafür getan, dass ich mich in Ruhe entwickeln konnte“, erinnert sich Kucukovic. „Die Probleme fingen an, als ich Hamburg verließ. Ich war 19 Jahre alt – und plötzlich war ich kein Talent mehr. In Fürth und München wurden irgendwelche Wunderdinge von mir erwartet, weil ich doch dieses Super-Super-Talent gewesen sein soll“, sagt „Mucki“.

Für das Super-Super-Talent lief es fortan gar nicht mehr super. Ein letzter Versuch bei Hansa Rostock, ein allerletzter Versuch beim Lüneburger SK und schließlich der Wechsel zu Hamm United in die Landesliga und damit das endgültige Ende vom Profifußball. „Ich hatte viele Verletzungen, und nicht alle Entscheidungen in meiner Karriere waren richtig“, sagt Kucukovic. „Trotzdem habe ich jeden Moment genossen. Ich würde nichts anders machen.“

Die Liste der jüngsten Bundesliga-Torschützen

1. Nuri Sahin/Borussia Dortmund

17 Jahre, 2 Monate und 21 Tage

2. Julian Draxler/Schalke 04

17 Jahre, 6 Monate und 12 Tage

3. Timo Werner/VfB Stuttgart

17 Jahre, 6 Monate und 16 Tage

4. Christian Pulisic/Borussia Dortmund

17 Jahre, 6 Monate und 30 Tage

5. Lars Ricken/Borussia Dortmund

17 Jahre, 8 Monate und 1 Tag

6. Ibrahim Tanko/Borussia Dortmund

17 Jahre, 8 Monate und 7 Tage

7. Jann-Fiete Arp/Hamburger SV

17 Jahre, 9 Monate und 22 Tage

8. Kai Havertz/Bayer Leverkusen

17 Jahre, 9 Monate und 25 Tage

9. Mark-Andre Kruska/Borussia Dortmund

17 Jahre, 10 Monate und 22 Tage

10. Rüdiger Abramczik/Schalke 04

17 Jahre, 10 Monate und 25 Tage

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Bei Arp soll anders anders werden

Alles anders soll aber Fiete Arp machen. Sein Tor gegen Stuttgart hat Kucukovic, der 17 U-Länderspiele für Deutschland absolviert hat, vom Wohnzimmersofa aus verfolgt. „Ich drücke ihm die Daumen, dass er sich langfristig durchsetzt. Die U-17-WM hat ja schon einmal Lust auf mehr gemacht.“

Wie aussagekräftig aber Arps starke U-17-WM war, bleibt abzuwarten. Sagt zumindest Markus Gisdol. Der HSV-Trainer hatte bereits direkt nach der WM im Oktober davor gewarnt, die Leistungen bei dem wichtigsten Jugendturnier der Welt mit den Ansprüchen im Bundesligaalltag zu vergleichen. „Man kann das eine mit dem anderen nicht gleichsetzen“, sagt Gisdol. „Ich bin mir sicher, dass einen Großteil der Überflieger, die bei den vergangenen U-17-Weltmeisterschaften als die Toptalente der Fußballwelt gefeiert wurden, heute kaum noch jemand kennt.“

Nur Kroos gelang als U-17-Star der Durchbruch

Tatsächlich liegt Gisdol, dem der Hype um Fiete Arp ein Dorn im Auge ist, gar nicht so falsch. So hat das Abendblatt Gisdols Anregung wörtlich genommen und die vergangenen sechs U-17-Weltmeisterschaften noch einmal untersucht. Das Ergebnis: Von den drei Toptorschützen der jeweiligen WM-Turniere hat sich lediglich Toni Kroos, der 2007 in Südkorea Dritter wurde, zum Topstar entwickelt. Der heutige Real-Profi hatte damals – wie nun auch Arp – fünf Turniertore geschossen. Toptorjäger der WM 2007 wurde Macauley Chrisantus, den der HSV dann für eine Million Euro verpflichtete. Für die Profis des HSV sollte der Nigerianer aber nie spielen. Über den KSC, FSV Frankfurt, Las Palmas, Sivasspor und AEK Athen landete das einstige Talent schließlich in der zweiten spanischen Liga bei CF Reus Deportiu.

„Der Grat zwischen geschafft und gescheitert ist oft sehr schmal“, sagt Kucukovic, dessen Arbeitspause vorbei ist. Der frühere Fußballprofi lässt sich gerade zum Sicherheitsexperten umschulen. Statt Kopfball- und Flankentraining geht es für das einstige Talent nun um Gebäudeschutz und Brandwache. „Wenn ich Fiete einen Tipp geben soll“, sagt er, „dann kann ich ihm nur raten, jede Minute zu genießen.“