Hamburg. Zum siebten Mal in Folge schließt die HSV Fußball AG ein Geschäftsjahr mit einem satten Fehlbetrag ab. Vorstand beschwichtigt.
Die Nachrichtenlage am Mittwochvormittag rund um den HSV hätte kaum besser sein können. Dauerpatient Albin Ekdal stand auf dem Trainingsplatz, Filip Kostic und sein zuletzt malader Oberschenkel wurden von den gut 100 Trainingszuschauern bejubelt, und sogar der derzeit chronisch erfolglose Bobby Wood traf nach einem schönen Übersteiger mal wieder ins Tor. Oh du schöne Fußballwelt im Volkspark.
Von wegen! Das Training war eine gute Stunde im Gang, als es unruhig unter den Kiebitzen wurde. „Hast du schon gehört?“, fragte der eine Zuschauer den anderen und schaute dabei angestrengt auf sein Smartphone. „Wieder ein fettes Minus“, antwortete der andere, der ebenfalls auf sein Handy starrte.
„Die HSV Fußball AG hat das Geschäftsjahr 2016/17 mit einem Jahresfehlbetrag von Euro 13,4 Mio. abgeschlossen“, stand auf dem Display geschrieben. Der Hintergrund: Um Punkt 11 Uhr hatte der HSV die vorläufigen Geschäftszahlen für die Saison 2016/17 vermeldet – und die hatten es in sich.
Neben dem siebten (!) Millionen-Minus in Folge (nur 2014/15 war es mit 16,9 Millionen Euro höher) dürften vor allem zwei Zahlen für erhöhte Nervosität beim HSV sorgen: So stiegen die Verbindlichkeiten der AG im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 30 Millionen Euro auf das Rekordhoch von 105,5 Millionen Euro, die Finanzschulden explodierten von 48 auf 81 Millionen Euro.
Wettstein führt Personalaufwendungen an
„Wir haben im Sommer 2016 einen umfangreichen Kaderumbruch mit deutlichen Investitionen betrieben, die zum einen zu höheren Abschreibungen, zum anderen zu erhöhten Personalaufwendungen führten. Die damit verbundene Erwartung im sportlichen Bereich mit Blick auf eine Verbesserung in der Bundesliga und somit einer Einnahmensteigerung in den folgenden Spielzeiten bei der Verteilung der Fernsehgelder wurde indes nicht erreicht“, erklärte Finanzvorstand Frank Wettstein – und weiter: „Um den Schaden abzuwenden, musste entgegen der Planung im Winter erneut in den Kader investiert werden. Dies, zusammen mit den Wechseln im Trainerstab und im Vorstand, hat dann zu einem gegenüber der Planung erhöhten Jahresfehlbetrag geführt.“
Kommentar: HSVPlus ist krachend gescheitert
Zur Erinnerung: Der HSV hatte bereits schwarzgemalt und mit dem Schlimmsten gerechnet. Offenbar aber nicht mit dem Allerschlimmsten. „Trotz der erhöhten Kaderkosten und -investitionen wurden die gesetzten Ziele nicht erreicht, sodass nachgebessert werden musste“, gab Wettstein zu, betonte aber, dass nicht alles so dramatisch sei, wie es den ersten Anschein habe. So sei die Rückzahlung eines Großteils der Finanzschulden an den Eintritt von sportlichen Bedingungen geknüpft, die – und das sagte Wettstein nicht – kaum eintreffen dürften. Denn der HSV muss einen zweistelligen Millionenbetrag, den Investor Klaus-Michael Kühne im Sommer 2016 für neue Spieler zur Verfügung gestellt hat, bekanntermaßen nur dann zurückzahlen, wenn sich der Club zwischen 2016 und 2022 dreimal für den Europapokal qualifiziert. Dies gilt als ähnlich wahrscheinlich wie ein Hamburger Herbst ohne Regen.
HSV will jetzt ein ausgeglichenes Ergebnis
Die gute Nachricht: Natürlich soll in Zukunft alles besser werden. Mal wieder. „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, in der laufenden Saison ein ausgeglichenes Ergebnis zu erwirtschaften“, sagte Wettstein. Dabei hatte der HSV noch vor der Saison mit dem zwölften Tabellenplatz und dem Erreichen der dritten DFB-Pokalrunde kalkuliert. Und trotz der darüber hinaus enormen Anstrengungen im Sommer auf dem Transfermarkt blieb der HSV-Vorstand bei seiner optimistischen Einschätzung: „Diese Entwicklungen sind berücksichtigt“, antwortete Wettstein auf Nachfrage. Genauso wie der erneut gestiegene Personalaufwand, der bereits 2015/16 bei 68,0221 Millionen Euro lag und sich laut Wettstein 2016/17 auch schon erhöhte.
Alles also nur halb so schlimm? Die Beantwortung dieser Frage liegt im Auge des Betrachters. „Das ganze Fangeld müssen sie ja auch noch zurückzahlen“, merkte am Mittwoch Trainingszuschauer Nummer eins an, der schon längst nicht mehr das bunte Treiben auf dem Rasen verfolgte. „17,5 Millionen Euro“, spezifizierte Zuschauer Nummer zwei erstaunlich fachkundig. Und tatsächlich ist diese sogenannte Fan-Anleihe bereits 2019 fällig, zuzüglich der aufgelaufenen Zinsen. Darüber hinaus beinhalten die Finanzschulden auch noch das gerade erst platzierte Schuldscheindarlehen in Höhe von 40 Millionen Euro.
Immerhin: Das bilanzielle Eigenkapital stieg von 35,8 Millionen Euro auf 42,4 Millionen Euro. Und für das Geschäftsjahr 2017/18 plant der HSV sogar mit gesteigerten Umsatzerlösen von bis zu 129 Millionen Euro. Bleibt nur eine Frage: Wäre also auch ein Abstieg aus finanzieller Sicht zu verkraften? Wettsteins Ein-Wort-Antwort: „Ja.“
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