Hamburg. Münchner fordern Platzverweis. Gisdol nennt bevorstehende Sperre für Jung „absoluten Witz“. Diekmeier vermutet Bayern-Bonus.
Als Gideon Jung am Sonntagmorgen um 10.34 Uhr vom Auslaufen aus dem Volkspark zurückkehrte, schien der Pechvogel des Vortags noch immer so traurig, dass man ihn am liebsten getröstet hätte. Die Grätsche, der Platzverweis, die Niederlage. „Es war eine ziemlich harte Entscheidung“, hatte Jung am Vortag gesagt. „Natürlich ist es ist ein klares Foul. Man sieht aber auch, dass ich nicht nur von hinten in die Beine grätsche, sondern der Ball in unmittelbarer Nähe ist.“
Bis zu diesem „klaren Foul“ hatten Jung und seine Kollegen im Topspiel gegen Bayern München (0:1) stark gespielt. Doch dann standen die Hamburger nach einem abgeblockten Schuss von Douglas Santos einmal unsortiert – und wurden prompt folgenschwer bestraft. Gegen den antrittsschnellen Kingsley Coman sah sich Jung zu einem taktischen Foul gezwungen.
Sofort sprang die komplette Ersatzbank der Gäste auf und forderte eine Rote Karte. Ein Zustand, der den HSV verärgerte und laut Gisdol Schiedsrichter Marco Fritz in seiner Entscheidungsfindung vermutlich beeinflusst habe. „Das war übertrieben“, sagte der HSV-Trainer über die Münchner. Und auch Rechtsverteidiger Dennis Diekmeier meinte: „Es ist clever von Bayern, den Schiri zu beeinflussen und voll draufzugehen.“
Diekmeier wittert Bayern-Bonus
Fritz entschied sich wohl auch wegen der vermeintlichen Härte des Einsteigens von schräg hinten in vollem Tempo für einen Platzverweis. Denn eine Notbremse war es nicht. „Ich war letzter Mann und hätte Coman noch ablaufen können“, sagte Diekmeier, der einen Bayern-Bonus vermutet. „Hummels oder Boateng hätten dafür nicht Rot gesehen.“
Einzelkritik: Tragische Figur Jung
Ohnehin erhielt Jung, der nicht für eine brutale Zweikampfführung bekannt ist, die volle Unterstützung seiner Mitspieler. „Ich war entsetzt, als die Rote Karte gezeigt wurde“, sagte André Hahn stellvertretend für die gesamte Mannschaft. „Das Einsteigen war zwar hart, aber Gelb hätte ausgereicht. Dass Gideon jetzt auch noch gesperrt wird, ist ein absoluter Witz“, sagte Gisdol, der weiß, wie schwer der Ausfall seines Führungsspielers wiegt. „Jedes Spiel, in dem er fehlen wird, ist sehr schmerzhaft. Er hat sich toll entwickelt und ist auf dem Weg, ein richtig, richtig guter Spieler zu werden.“
Die Bilder des Spiels:
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Immerhin: In Berlin könnte Albin Ekdal (Rücken) wieder in den Kader rücken. Für Vasilije Janjicic (schwerer Virusinfekt) kommt die Partie definitiv zu früh, der Schweizer wird die komplette Trainingswoche noch pasusieren müssen. Der formverbesserte Kapitän Gotoku Sakai bleibt eine Option im defensiven Mittelfeld. „Es tut uns gut, wenn Spieler auf dieser Position topfit sind und 90 Minuten ackern können“, sagte Gisdol über den Japaner. Auch Walace und Sejad Salihovic stehen dem Trainer zur Verfügung.
Bevor Gisdol sich auf einen Vertreter für Jung festlegt, hofft er aber zunächst einmal auf ein mildes Strafmaß. Die Entscheidung soll zeitnahe verkündet werden. „Ich hoffe, dass die Vernunft einsetzt, wenn man die Szene bewertet", sagte Gisdol.