Hamburg. Der HSV erstickt einsetzende Gerüchte um Markus Gisdol im Keim. Sportchef Todt fordert gute Leistungen wie in der Rückrunde.

So demonstriert man Geschlossenheit. Kurz nach Trainingsbeginn am Mittwochmorgen betrat auch HSV-Sportchef Jens Todt den Trainingsplatz unterhalb des Volksparkstadions. Ein Handy am Ohr, zielstrebige Schritte hinter dem Tor vorbei zur anderen Seite, wo das Trainerteam um Markus Gisdol den Übungen der Profis zusah. Im hellbraunen Anzug und modischen weißen Sneakers („Die hat meine Frau ausgesucht“) gesellte sich Todt dazu. Alle zusammen, alle eins und einig. Schaut her.

Denn nach sechs Spielen ohne Sieg und fünf Niederlagen haben die „Mechanismen des Geschäfts“ auch den Hamburger SV längst wieder eingeholt, der Trainer wird infrage gestellt. „In Hamburg ist die Atmosphäre ohnehin immer bedrohlich“, sagt Todt. Schon berichtet die „Sport Bild“ über ein angebliches Ultimatum der Führung an Gisdol, nach dem Spiel gegen Bayern München am Sonnabend (18.30 Uhr/Sky, Liveticker bei abendblatt.de) müsse die Wende her. Fans fordern in Foren den sofortigen Rauswurf. Alles fast wie immer, wenn der HSV im stürmischen Herbst mal wieder seinen Erwartungen hinterherläuft.

Janjicic mit Virusinfektion ins Krankenhaus

„Es gibt dieses Szenario nicht“, betonte Todt mit Bezug auf das angebliche Ultimatum, „wir reden mit unserem Trainer und nicht über ihn.“ Auch Vorstandschef Heribert Bruchhagen hat sich bereits mit fast identischen Worten hinter den Coach gestellt: „Wir beteiligen uns an einer Trainerdiskussion mit keinem Satz.“

Gisdol ließ am Mittwoch vor allem Abschlüsse und Umschaltspiel üben, immer wieder griff der 48-Jährige in den Trainingsverlauf ein, er deutete auf seine Taktiktafel, stellte Spieler richtig, zeigte Laufwege. Immer wieder volle Konzentration bei den Profis zu erzwingen scheint das Hauptproblem bei der Punktemisere in dieser Hinrunde zu sein. „Die Spiele in Mainz und Bremen können wir gewinnen, das ärgert uns“, sagt Todt. „Wir brauchen mehr Konsequenz in Offensive und in Defensive.“

Im Klartext meint er: Die individuellen Fehler müssen abgestellt werden. Vergebene Großchancen wie von André Hahn in Mainz und Aaron Hunt gegen Bremen zählen ebenso dazu wie Stellungsfehler von Mergim Mavraj gegen Mainz und die „Flutschfinger-Attacken“ von Torwart Christian Mathenia. Ohne diese Minusleistungen hätte der HSV drei, vier Punkte mehr – „und dann würden wir über gar nichts reden“, meinte Todt. So ist es aber eben nicht.

Die Forderung an das Team, den Willen aus der Rückrunde im vergangenen Jahr wieder abzurufen, bleibt also. „Da waren eine unfassbare Konzentration und Konsequenz, sich in jeden Ball zu schmeißen“, erinnert sich der HSV-Sportchef an die bemerkenswerte Aufholjagd. „Wenn wir da wieder hinkommen, bin ich optimistisch.“

Balleroberung und Konter reichen nicht mehr

Mit großer Laufintensität und zahlreichen Zweikämpfen wurden Siege erzwungen, die am Ende überlebenswichtig waren. Doch Stil und Anspruch haben sich offenbar geändert. Gisdol versucht, den HSV 17/18 spielerisch zu steigern. Pressing, Balleroberung und Konter allein reichen nicht mehr. „Wir haben mehr Ballbesitz“, sagt Todt, „unsere Mannschaft tritt ganz anders auf als noch vor einem Jahr.“

In der Statistik schlägt sich der häufigere Ballbesitz dann in schlechteren Werten bei der Laufleistung nieder. Das ist normal. Das Team, das dem Ball hinterherjagt, rennt immer mehr. Trotzdem ist die Teamlaufleistung des HSV besser als Platz 16 in einer Statistik. Bereinigt um die Netto-Spielzeit belegen die Hamburger in der Laufleistung tatsächlich etwa Platz fünf. „Unsere Spiele sind einfach öfter unterbrochen als die von anderen Teams“, weiß Todt.

Ruhe bewahren

Also: alles nicht so schlimm offenbar. Ruhe bewahren, das ist die Devise. Nach dem 95-minütigen Training gaben die Spieler geduldig Autogramme und Selfies für die zahlreichen Fans. Ein Bild der Geschlossenheit. „Wir wollen endlich mal eine Saison liefern, die ein bisschen sorgenfreier ist. Das steht über allem“, verkündete der Sportchef, und: „Wir brauchen demnächst mehr Punkte.“ Wenn nicht – aber darüber spricht man nicht beim HSV.