Hamburg. HSV-Flügelflitzer Tatsuya Ito bekam im Training einen Schlag aufs Schienbein. Auch Filip Kostic hat noch mit der Fitness zu kämpfen.

Es genügte ein Blick in das Gesicht von Tatsuya Ito, um zu erahnen, dass es ihm nicht gut ging. Mit schmerzverzerrter Miene und dick bandagiertem Schienbein stapfte der 20 Jahre alte Japaner am Dienstagvormittag rund eine halbe Stunde vor seinen Kollegen in die Katakomben des Volksparkstadions. Mitspieler Bakery Jatta hatte den neuen Hoffnungsträger des Hamburger SV im Zweikampf unglücklich erwischt. „Och ne, nicht der Ito. Den brauchen wir doch gegen Bayern“, hörte man unter den Kiebitzen, die wenig später aber aufatmen durften. Der Linksaußen soll aller Voraussicht nach bereits an diesem Mittwoch wieder mit der Mannschaft trainieren.

Bis zu seinem Trainingsunfall zeigte der Japaner in der mit knapp 90 Minuten langen Einheit das, was ihn in die Herzen der Fans gebracht hat: Spielfreude, Dribbelstärke, Risikobereitschaft. Ito, so bekommt man den Eindruck, will einfach nur spielen. Solange ihn die Beine tragen.

Ursachenforschung für Krämpfe geht weiter

Jeweils etwa 55 Minuten lang hielt er in den bisher drei Einsätzen durch, ehe ihn derart heftige Krämpfe plagten, dass er ausgewechselt werden musste. „Ich hatte in der Halbzeitpause schon etwas gespürt, aber gedacht, dass ich noch 20 Minuten spielen kann. In der Regionalliga ist mir das bislang nicht passiert“, sagte Ito derart entschuldigend, dass ihm nach dem Mainz-Spiel Lewis Holtby zur Seite sprang und kurz in die Rolle des Pressesprechers schlüpfte: „Ito, du musst nichts erklären, du bist ein junger Spieler“, so die Botschaft des Mittelfeldspielers.

Dabei ist die fehlende Substanz auch in der Mannschaft durchaus ein Thema. Kapitän und Landsmann Gotoku Sakai fand deutliche Worte für die körperlichen Defizite bei Ito. „Er ist noch jung, aber es hilft uns nicht weiter, wenn er jedes Mal nach 50 bis 55 Minuten runtermuss. Das ist kein Bundesliga-Niveau“, polterte Sakai, der diese Worte nun auf Instagram einordnete. „Tatsuya ist wie ein kleiner Bruder für mich“, hieß es dort. „Es gab ein Missverständnis, weil meine Sprache nicht perfekt ist. Ich meinte, dass nur seine Fitness noch kein Bundesliga-Niveau hat und wir ihn 90 Minuten brauchen. Er weiß, wie ich es meine. Wir haben keinen Streit“, ließ Sakai weiter in seiner Stellungnahme wissen.

Fast ausverkauft

So oder so: Die Ursachenforschung für die Krämpfe geht beim HSV unvermindert weiter. Ist die muskuläre Reaktion einzig der Tatsache geschuldet, dass Ito im vergangenen Jahr mehrere Monate verletzungsbedingt ausgefallen war? Ist der Leistungssprung von Regionalliga Nord zu Bundesliga größer als erwartet? Oder hängt es sogar mit nervlicher Aufregung zusammen?

Ito nicht in der Lage, 90 Minuten zu spielen

Auch mentale Belastung, so belegen es medizinische Studien, kann dazu führen, dass die Muskulatur verkrampft. Vieles deutet bei Ito darauf hin, dass auch diese Komponente ein Teil der Problematik ist. Bisher war es der Jungprofi gewohnt, für die U 21 des HSV vor 200 Fans in der Regionalliga Nord aufzulaufen. Nun läuft er in den größten Stadien des Landes auf. „Wir müssen ihm die Zeit geben, die sein Körper benötigt, um längere Spielzeiten tolerieren zu können. Er muss sich an das Tempo gewöhnen, war leistungsmäßig aber überzeugend. Jede Minute, die er auf dem Platz war, hat uns gutgetan“, lobt Gisdol.

Fakt ist: Ito ist körperlich aktuell nicht in der Lage, 90 Minuten zu spielen. Das dürfte aber auch für seinen Konkurrenten Filip Kostic gelten. Der Serbe, der aufgrund eines Muskelfaserrisses im Oberschenkel knapp vier Wochen pausiert hatte, ist mittlerweile wieder beschwerdefrei, die Pause sorgte jedoch dafür, dass der 24-Jährige Trainingsrückstand hat. „Er ist noch nicht bei 100 Prozent. Ihm fehlt der Rhythmus. Die beiden müssen sich die Position teilen. Wir müssen schauen, wer anfängt und wer von der Bank startet“, sagt Gisdol, der sich vor dem Duell gegen den FC Bayern ohnehin eine Grundsatzfrage stellen muss: Setzt der 48 Jahre alte Übungsleiter auf den routinierten Kostic oder lässt er Shootingstar Ito gegen Bayerns erfahrenen Rechtsverteidiger Joshua Kimmich ran?

Drei Trainingseinheiten hat Gisdol noch, um sich ein genaues Bild von Kostic und Ito zu verschaffen. Spielerisch, vor allem aber in körperlicher Hinsicht.