Hamburg/Margao. Das HSV-Talent traf sich mit dem Abendblatt – und dann beim WM-Auftaktsieg der deutschen U17 gegen Costa Rica.
Gut ein Dutzend Mal dauert es, bis die Telefonverbindung steht. „Die Internetverbindung ist echt gut, sehr viel besser als die Telefonverbindung“, sagt Fiete Arp, als er den WhatsApp-Anruf am Sonntagmittag endlich entgegennehmen kann.
Geduld ist bekanntlich eine Tugend. Eine Floskel, die Arp, der Jann-Fiete heißt, gern aber auf das Jann verzichtet, bereits am Vortag im 7000 Kilometer entfernten Margao benutzen durfte. „Es war das erwartet schwere Spiel“, sagt der Nachwuchsstürmer, der trotz seiner 17 Jahre wie ein erfahrener Profi klingt. 2:1 haben er und seine Kollegen das Auftaktspiel bei der U-17-WM im indischen Goa gegen Costa Rica gewonnen. „Für den Kopf war es wichtig zu gewinnen“, floskelt Arp. Das erste Tor hat er selbst erzielt, den Siegtreffer des Kielers Noah Awuku kurz vor Schluss vorbereitet.
Rückblick: Knapp zwei Wochen ist es her, dass Arp in einem Nebenraum in den Katakomben des Volksparkstadions beim Abendblatt-Termin sitzt. Frisch geduscht, neugierig und ungewohnt eloquent für einen 17-Jährigen. „Ich bin schon ein bisschen aufgeregt vor der großen Reise“, sagt der gebürtige Bad Segeberger.
Natürlich habe er alles über Goa ergoogelt („Indien ist echt riesig und unglaublich exotisch“), aber so richtig kann man sich eben nicht auf die erste WM seines Lebens vorbereiten: „Diese Weltmeisterschaft ist für mich etwas ganz Besonderes“, sagt er. „Wer weiß: Vielleicht spielt man nie wieder eine WM. Ich will das Turnier von A bis Z genießen und aufsaugen. Das ist schon ein extrem geiles Gefühl, in Indien dabei zu sein.“
Arp erzielt deutsche Führung
Zwei Wochen später ist er mittendrin statt nur dabei. 20 Minuten braucht das Supertalent, um beim ersten Spiel das erste Tor zu erzielen. Ein langer Sprint, ein überlegter Lupfer – dann nur noch Jubel.
„Im Fernsehen hat man leider die entscheidende Stelle gar nicht sehen können“, sagt Arp am Tag danach. „Wir hatten vorher mit der Mannschaft besprochen, dass wir das erste Tor zusammen an der Seitenlinie feiern und dabei das Trikot von Kilian Ludewig hochhalten.“ Der Leipziger hatte sich in der vergangenen Woche am Knie verletzt, saß nur auf der Tribüne. „Wir haben uns vorgenommen, auch für ihn zu gewinnen.“
Gesagt, getan. So läuft das meistens bei Arp. Besonders in diesem Jahr will dem Teenie so ziemlich alles gelingen. „Es ging Schlag auf Schlag“, sagt Hamburgs Überflieger. „Mir war auch schon vor der Saison klar, dass es ein heftiges Jahr werden würde.“ Ein heftiges Jahr ist heftig untertrieben.
Im Frühling wurde Arp Torschützekönig der B-Junioren-Bundesliga, dann traf er im Mai siebenmal bei der U-17-EM in Kroatien. Im Sommer verlängerte er seinen Vertrag beim HSV bis 2019, im Herbst wurde er mit der goldenen Fritz-Walter-Medaille zum Talent des Jahres ausgezeichnet. Dann sein erstes Bundesligaspiel – ausgerechnet gegen Werder Bremen (0:0). Und nun auch noch die WM in Indien. „Das Jahr 2017 war ganz schön krass“, sagt Arp, der nebenbei noch als erster Bewohner in den neuen HSV-Campus eingezogen ist, für seine Führerscheinprüfung büffelt und sein Abitur macht.
HSV-Trainer: Arp hebt nicht ab
„Seine Leistungen im vergangenen Jahr waren wirklich außergewöhnlich“, sagt Daniel Petrowsky. Der U-19-Trainer des HSV ist stolz auf das Aushängeschild der Nachwuchsabteilung. Vor allem aber ist er stolz auf Arps Umgang mit dessen Erfolgen: „Bei Fiete muss man sich keine Sorgen machen, dass er abhebt. Der Junge ist down to earth.“
Very down to Earth ist es auch, über was sich Arp am Tag nach seinem WM-Debüt Gedanken macht. „Weil wir ein Kinderdorf besucht haben, brauchte ich ausnahmsweise nichts für die Schule machen“, sagt Arp, der sich wie die meisten anderen auch über einen Nachmittag ohne Hausaufgaben und Unterricht freuen kann.
Arp will Kane nacheifern
Am heutigen Montag ist wieder Alltag. Auf dem Rasen, vor dem zweiten Gruppenspiel am Dienstag (16.30 Uhr MESZ/Eurosport) gegen Iran. Und abseits des Rasens, wo Mathe mit Kurvendiskussion und Analysis gepaukt wird. Zwei Begleitlehrer sollen im fernen Indien dafür sorgen, dass Arp den Anschluss in der Schule nicht verpasst.
Seine Abi-Leistungsfächer: Mathe und Deutsch. Die Nebenfächer: Religion und Sport. „Das Abitur ist mir wichtig“, sagt er. „Ich will das unbedingt durchziehen.“ Man kann davon ausgehen, dass er es schafft. Denn irgendwie schafft dieser Arp ja alles.
Deswegen überrascht auch die Antwort auf die Frage nach seinem Stürmervorbild kaum. „Harry Kane“, sagt Arp, der gar nicht erst das Warum in der Nachfrage abwartet. „Der hat alle Jugendteams in seinem Club durchlaufen, ist in seinem Verein Profi und sogar Torschützenkönig geworden, zweimal. Jetzt ist er Nationalspieler. Innerhalb von drei Jahren hat Kane jeden Schritt gemacht, von dem man als junger Spieler träumt.“
Nur einen Traum hat sich dieser Kane nicht erfüllt: Weltmeister werden. „Das ist mein Traum“, sagt Arp.