Hamburg. Der 29. September 1887 ist das Gründungsdatum des Hamburger SV, der sich ein besonderes Jubiläumsgeschenk machen kann.
Groß gefeiert aber werden die 130 Jahre – anders als vor fünf Jahren die 125 – nicht. Damals zog der HSV gigantisch auf, mietete die Mehrzweckarena neben dem Volksparkstadion zur großen Gala, 12.000 Fans jubilierten, René Adler wurde euphorisch gefeiert und Sylvie van der Vaart sah blendend aus. Die Älteren erinnern sich.
Der Glanz ist in den vergangenen Jahren reichlich abgeblättert. Und dennoch: Der HSV 2017 kann am Sonnabend (18.30 Uhr/Sky und Liveticker bei abendblatt.de) sich selbst und seinen Fans ein besonderes Jubiläumsgeschenk machen: Mit einem Sieg über den norddeutschen Erzrivalen und „Lieblingsfeind“ Werder Bremen. Eigentlich kann da nichts schiefgehen, schon deshalb, weil nichts schiefgehen darf. Das Abendblatt nennt 13 Gründe, warum der HSV gewinnt und 0 warum Werder triumphiert.
Weil der HSV viel mehr Tradition hat als die Frischlinge aus Bremen.
Werder Bremen wurde schließlich erst am 4. Februar 1899 gegründet, drei Jahre nachdem der HSV seinen ersten Hamburg-Altonaer Meistertitel gewonnen hatte. Der neue Club in Bremen nannte sich nach einem aufgeschwemmten Flussland links der Weser, wo man die ersten Spielversuche unternahm. Es war ein Verein wohlhabender Kaufleute, bei dem auch damals schon diverse Ausländer spielten. Geschäftstüchtig, das muss man sagen, waren sie immer: Als im Jahr 1900 ein Club aus Rotterdam zu Gast war, wurde erstmals in Bremen bei einem Fußballspiel Eintrittsgeld kassiert.
Weil der HSV seinen 500. Bundesliga-Heimsieg zum Jubiläum feiert.
Ein besseres Timing geht ja gar nicht. Tatsächlich hält sich hartnäckig das Gerücht, dass die Vereinsoberen bei den Hamburgern Markus Gisdol und sein Team gegen Leipzig und Dortmund um Zurückhaltung gebeten haben, um das Siegjubiläum mit dem Vereinsjubiläum gemeinsam zu begehen. Aber das ist nur ein Gerücht.
Weil Claudio Pizarro nicht mehr spielt.
Der torgefährlichste Ausländer der Bundesligageschichte ist der personifizierte HSV-Alptraum. Er traf in 34 Spielen gegen den HSV 21-mal. Nur der große Gerd Müller hatte mit 31 Toren in 30 Spielen eine bessere Quote. Werder wollte den bald 39 Jahre alten Peruaner im Sommer trotzdem nicht behalten. Jetzt ist Pizarro beim aktuellen Krisenclub 1. FC Köln im Gespräch. Das wird dann vielleicht für den HSV am 20. Januar wieder ein Thema, wenn die Partie gegen die Rheinländer ansteht.
Weil der HSV seit vier Jahren zu Hause gegen Werder ungeschlagen ist.
Vor allem mit dem 2:1-Sieg am 22.4. 2016 machte der HSV einen entscheidenden Schritt zum Klassenerhalt.
Weil beim HSV Albin Ekdal wieder im Kader steht.
Der Schwede war der Erfolgsgarant für den HSV in den letzten beiden Jahren. Sein Punkteschnitt in dieser Saison liegt bei 1,5, der des HSV bei 1,0,. Im Vorjahr war es 1,43 wenn er dabei war gegenüber 1,12 insgesamt. Am Donnerstag mischte der verletzungsanfällige „Sechser“ wie Aaron Hunt voll im Training mit. „Beide sind gute Optionen für das Wochenende“, sagte Trainer Gisdol, „die Personallage wird sich entspannen.“ In Nicolai Müller und Filip Kostic fehlen aber weiter die besten Angreifer.
Weil Werder auf Max Kruse verzichten muss.
Auch bei den Bremern fällt der beste Stürmer aus. Der Reinbeker laboriert an einem Schlüsselbeinbruch, der ihn aber nicht daran hinderte, am vergangenen Wochenende in Berlin in einer Disco zu tanzen. Spielmacher Zlatko Junusovic ist jedoch wieder fit. „Er hat gut trainiert“, meinte Werder-Coach Alexander Nouri.
Weil der HSV einen Kultfan hat und Werder nicht.
Helm-Peter polarisiert, amüsiert, ist einzigartig und nervt – manchmal.
Weil Werder noch kein Spiel in dieser Saison gewonnen hat.
Drei Punkte aus sechs Spielen bei drei geschossenen Toren, Platz 17 – viel zu wenig für die Bremer Ansprüche. „Jeder weiß um den Stellenwert dieses Spiels. Es werden viele intensive Zweikämpfe geführt werden“, meint Bremens Nouri.
Weil auch in Bremen keine Ruhe mehr herrscht.
Die Zeiten, als rund ums Weserstadion auch in Zeiten sportlicher Krise Ruhe herrschte, sind offenbar vorbei. Ex-Stars wie Frank Rost oder Tim Wiese („Erbärmlich, geht nur bergab“) mischen sich ein. So etwas kannte man bisher nur aus Hamburg. Nach dem 0:0 gegen Freiburg pfiffen die Fans das Team aus, und Nouri wird vorgeworfen, zu ängstlich zu taktieren. Aufsichtsratschef Marco Bode berichtete, er spüre in Werders Umfeld eine „gewisse Unruhe und Unzufriedenheit“.
Weil die HSV-Fans keine Papierkugeln mehr werfen.
Eben darum. Aus Schaden wird man klug – vielleicht.
Weil Marcus Gisdol die Ruhe selbst ist.
Anspannung nach vier Spielen ohne Tor und Sieg? Stress? Hektik? Keine Spur. Der HSV-Trainer gibt sich so relaxed als käme er gerade aus einer einstündigen Thaimassage. „Nun bleibt doch mal cool“, sagte er, „lasst uns mal in Ruhe weiterarbeiten. Es war nicht alles schlecht. Wir waren einige Mal nah dran. Wenn wir wieder ein Quentchen Glück haben, geht auch mal wieder ein Ball rein.“ Omm.
Weil ein Sieg die richtige Antwort auf die Farbbeutel-Attacke der Werder-Fans auf den HSV-Bus im Frühjahr ist.
Das macht man ja auch nicht.
Weil Bremen in den bisher gespielten 106 Bundesligaderbys mehr Siege erzielt hat.
Nämlich 38 gegenüber den 34 des HSV. Das muss sich wieder ändern.
Und welchen Grund gibt es für einen Werder-Sieg am Sonnabend?
„Ich stimme mit der Mathematik nicht überein. Ich meine, dass die Summe von Nullen eine gefährliche Zahl ist.“
/Stanislaw Jerzy Lec, 1909–1966,
polnischer Lyriker)