Leverkusen. Das 0:3 in Leverkusen ist die vierte HSV-Niederlage in Folge ohne Torerfolg. Gegen Bremen droht Sturz auf Abstiegsplatz.
Allzu viel Lust auf große Erklärungen hatten die Hamburger am Sonntagabend nicht. Während Lewis Holtby noch unmittelbar nach der deftigen 0:3-Niederlage gegen Bayer Leverkusen die eigene Mannschaft auf dem Rasen um sich versammelte und laut- und gestenstark auf seine Kollegen einredete, blieben er und der überwiegende Rest des Teams auf dem Weg in die rettende Kabine still. Erst Torhüter Christian Mathenia, der als einer der letzten HSV-Profis vom Platz schlich, benannte das Kind beim Namen. „Wir brauchen nicht mehr lange drum herumreden“, schimpfte der Keeper und feuerte seine Handschuhe auf den Boden, „wir haben jetzt eine echte Krise.“
Spannend, wer Platz 18 wird
0:2, 0:2, 0:3, 0:3 – eine Zahlenfolge des Grauens, die auch bei den HSV-Verantwortlichen Heribert Bruchhagen und Sportchef Jens Todt („Wir haben eine Negativserie“) unschöne Erinnerungen an längst vergessene Zeiten hervorrief. „Die Niederlage gegen Leverkusen war klar und deutlich“, sagte Bruchhagen, der nach zwei Startsiegen und der entsprechenden Euphorie nun, nach vier Niederlagen in Folge ohne eigenen Treffer, die Zielsetzung der Saison auf eine altbekannte Formel herunterbrach: „Wir haben von Anfang an gesagt, dass es sehr spannend wird, wer 18., 17. und 16. in diesem Jahr wird.“
Altbekannt war auch das Personal, mit dem Trainer Markus Gisdol knapp zwei Stunden zuvor die vierte Pleite in Folge verhindern wollte: Never change a losing team – nach diesem etwas abgewandelten Motto hatte Gisdol die gleiche Startelf auf das Feld geschickt, die vier Tage zuvor gegen Borussia Dortmund verloren hatte.
Schwacher HSV verliert wieder zu null in Leverkusen
Und während es beim 0:3 gegen den BVB immerhin 23 Minuten dauerte, ehe Shinji Kagawa das in diesem Moment glückliche Führungstor erzielte, war zum gleichen Zeitpunkt am Sonntagabend die Partie längst entschieden: 1:0 nach 19 Minuten durch Kevin Volland. Und 2:0 nach 22 Minuten durch Lucas Alario. „Dieser Doppelschlag hat uns aus dem Spiel genommen“, analysierte Gisdol, während sich Trainerkollege Heiko Herrlich vor allem über das Debüttor seines Millionenmanns freute: „Alario hat gezeigt, dass er weiß, wo das Tor steht.“
Desillusionierend
Ausgerechnet Alario. Über kaum einen Spieler wurde in den vergangenen Tagen so viel berichtet wie über den Argentinier, dem die Fifa erst am vergangenen Donnerstagabend nach wochenlangem Hin und Her die Spielerlaubnis erteilt hatte. Doch die Tatsache, dass der 19 Millionen Euro teure Neuzugang von River Plate in zuvor 82 Spielen 41 Tore erzielen konnte, hatte sich offenbar nicht bis in Hamburgs kriselnde Viererkette herumgesprochen.
Die Spielerbewertung im Einzelnen
Weil der HSV nach dem Doppelschlag das Spiel nach vorne überwiegend einstellte und Leverkusen auch nur noch Lust auf Vollands i-Tüpfelchen zum 3:0 (83.) hatte, endete die englische Woche ähnlich wie sie begonnen hatte: ein schwaches 0:2 in Hannover, ein mehr oder weniger ordentliches 0:3 gegen Dortmund und nun ein erneut desillusionierendes 0:3 in Leverkusen. „Uns hat diese pure Entschlossenheit und der pure Wille gefehlt“, gestand Abwehrmann Mergim Mavraj ein. Und weil Gisdols Mannschaft vor dieser Null-Punkte-und-null-zu-acht-Woche auch schon 0:2 gegen Leipzig verloren hatte, droht nun ausgerechnet vor dem Nordderby gegen Werder Bremen der erneute Absturz auf einen Abstiegsplatz. Zur Erinnerung: laut einer ersten Hochrechnung am Wahl-Sonntagabend ist der HSV mittlerweile seit 360 Minuten ohne eigenen Treffer – und hatte in dieser Zeit auch kaum ernsthafte Torchancen.
Nordderby des Grauens
„Wir stoßen momentan mit dem Kader ab und zu an unsere Grenzen“, sagte Gisdol, der daran erinnerte, dass gegen Leverkusen neben den Langzeitverletzten Nicolai Müller, Filip Kostic und Rick van Drongelen erneut auch Albin Ekdal und Aaron Hunt fehlten. Kein Wunder also, dass die Sorgen vor dem Krisentreffen mit Werder wachsen. Dabei dürfte Gisdol nicht nur die Harmlosigkeit in der Offensive beunruhigen, sondern auch die Offenherzigkeit der Defensive vor dem Nordderby des Grauens. „So würde ich dieses Spiel nicht bezeichnen. Trotz allem elektrisiert das Spiel“, relativierte der Coach, dem Mathenia verbal zur Seite sprang: „Mit diesem Derby können wir in nur einem Spiel vieles geraderücken.“ Was er nicht sagte: Mit diesem Derby könnte in nur einem Spiel auch vieles noch schlimmer werden. Viel schlimmer.