Elfmeter für RB Leipzig nach Videobeweis in Eckball geändert. Rächt sich der kleine Kader? Werner rennt allen davon.

Hamburg. Nach dem Schlusspfiff waren seltene Szenen im Volksparkstadion zu beobachten. Trotz der 0:2- Niederlage gegen RB Leipzig, applaudierten die 50.321 Zuschauer. Der Grund: Mit einer kämpferisch vorbildlichen Leistung war der HSV nah dran an einer Sensation und verdiente sich die aufmunternden Gesten der Fans. "Es ist eine bittere Niederlage. Wir haben 90 Minuten alles reingefeuert und am Ende haben nur die Punkte gefehlt", fasste der glänzend aufgelegte Torhüter Christian Mathenia die Partie am Freitagabend zusammen.

Nach zwei Siegen in Folge hat der HSV den ersten Rückschlag in der diesjährigen Bundesligasaison hinnehmen müssen. Als die erneute Tabellenführung zum Greifen nah war, knackte Naby Keita (67.) mit einem fulminanten Schuss aus der zweiten Reihe das Hamburger Abwehrbollwerk. Die Hanseaten mussten fortan offensiver spielen, was den schnellen Leipziger Angreifern zugutekam.

Werner beim 0:2 nicht zu stoppen

Und so schlug Timo Werner (75.) nach einem Konter eiskalt zu und ließ bei seinem 60-Meter-Sprint den eigentlichen schnellen Dennis Diekmeier und Kapitän Gotoku Sakai wie Schuljungen aussehen. "Am Ende bin ich nur noch gelaufen", lachte Werner über die Szene zum 0:2, in der er nicht aufzuhalten war. "Sie haben mehrmals vergeblich versucht, mich zu foulen." Sein Trainer Ralph Hasenhüttl fällte ein kurioses Urteil seinen Top-Stürmer Werner, der von den Fans leicht ausgepfiffen wurde: "Wenn er mit seinem Speed läuft, dann ist das schon fast Wettbewerbsverzerrung."

Zuvor vergab der eingewechselte Sven Schipplock die Großchance zum Ausgleich. "Hier muss es 1:1 stehen", sagte HSV-Trainer Markus Gisdol, der insgesamt zufrieden mit dem Auftreten seiner Mannschaft war. "Wir haben alles ausgeschöpft, was wir haben", so der Coach, der den vergebenen Chancen der ersten Halbzeit hinterhertrauerte. "Wenn wir hier in Führung gehen, läuft das Spiel anders." So zischte ein strammer Linksschuss des eingewechselten Luca Waldschmidt (60.) in der zweiten Hälfte nur knapp über den Querbalken.

Elfmeter gegen HSV nach Videobeweis zurückgenommen

Den größten Aufreger gab es bereits kurz vor der Pause. Schiedsrichter Deniz Aytekin entschied auf Strafstoß, nachdem Albin Ekdal RB-Stürmer Werner zu Fall gebracht hatte. Doch beim Überprüfen der Szene stellte Videoschiedsrichter Dr. Jochen Drees in Köln eine Fehlentscheidung fest. Und so gab Aytekin Eckball statt Elfmeter, denn Ekdal hatte vor dem Kontakt mit Werner den Ball gespielt.

Einzelkritik: Wood wurde allein gelassen

Es war der Höhepunkt einer ereignisreichen ersten Halbzeit. Leipzig klar tonangebend und drückte den HSV meist tief in die eigene Hälfte. Aber auch die Hamburger wussten durch ihre Konter zu überzeugen. Doch sowohl Walace (27.) nach einem Freistoß von Lewis Holtby als auch Filip Kostic, der nach Zuspiel von André Hahn frei vorm Tor auftauchte, verpassten den Führungstreffer.

Kostic verletzt sich

Die besseren Torchancen hatten allerdings die Gäste. Der glänzend aufgelegte Torhüter Christian Mathenia parierte bärenstark gegen Timo Werner (16.), der es aus spitzem Winkel versuchte. Zuvor scheiterte Jean-Kevin Augustin am Außenpfosten (6.).

Nach einer knappen halben Stunde musste der HSV dann doch den ersten Wermutstropfen verkraften – allerdings nicht in Form eines Gegentores, sondern einer Verletzung. Kostic konnte nicht mehr weitermachen und wurde durch Waldschmidt (37.) ersetzt. Der Serbe wurde umgehend am linken Oberschenkel bandagiert. Erste Diagnose: Oberschenkelzerrung. "Er war nach dem Länderspiel nicht in Vollbesitz seiner Kräfte", klagte Gisdol.

Es sollte nicht die einzige Verletzung aufseiten der Hamburger bleiben. Auch Neuzugang Rick van Drongelen (71.) musste wegen einer Adduktorenzerrung vorzeitig vom Platz. Nach den Ausfällen von Nicolai Müller (Kreuzbandriss) und Aaron Hunt (Muskelfaserriss) stehen HSV-Coach Gisdol damit im ohnehin schon kleinsten Kader der Liga immer wieder Alternativen zur Verfügung. „Das trifft uns“, sagte Sportchef Jens Todt, der den Kader zusammenstellte.

Wood in der Startelf

So musste auch Bobby Wood von Beginn an spielen, obwohl er nur eine Nacht in Hamburg hatte, um sich von den Reisestrapazen mit der US-Nationalmannschaft zu erholen. Hinter der einzigen Spitze gab Lewis Holtby sein Startelf-Debüt in dieser Saison als Spielmacher.

In der Viererkette vertrat wie erwartet Gideon Jung den Gelb-Rot-gesperrten Mergim Mavraj. Kapitän Sakai saß zunächst ebenso auf der Bank, wie erstmals auch Douglas Santos, den Gisdol nach seinem geplatzten Wechsel zur PSV Eindhoven langsam wieder an die Mannschaft heranführen will. Zum Einsatz sollte der Brasilianer nicht kommen.

Wieder Probleme beim Eurosport Player

Mit Spannung wurde auch die Live-Übertragung per Eurosport Player erwartet. Bei der Premiere am vergangenen Bundesligaspieltag gab es erhebliche technische Probleme, die zum Abbruch auf zahlreichen Bildschirmen führte. Auch am Freitagabend brach der Internetstream mehrfach zusammen. Zahlreiche User beklagten den Ausfall der Übertragung. "Keine Internetverbindung. Überprüfen Ihre Netzwerkverbindung und versuchen Sie es erneut“, lautete die Fehlermeldung auf vielen Geräten.

Eurosport bestätigte die Störung auf Nachfrage. "Kurzzeitig war der Wurm drin, als viele Nutzer gleichzeitig einschalteten", sagte ein Sprecher von Discovery. Nun soll eine interne Fehleranalyse ermitteln, wie es zu den erneuten Ausfällen des Internetstreams kommen konnte.

Etliche User beklagten auch das verpixelte Bild, welches vor allem den Kunden von Amazon Prime zu schaffen machte. "Wir arbeiten mit unseren Partnern wie Amazon daran, das Problem zu lösen", sagte der Sprecher, der diesmal keine Entschädigung für die betroffenen Kunden in Aussicht stellte. "Die Probleme traten userabhängig auf. Von uns wurde kein gravierender Fehler verursacht." Gisdol wählte deutlichere Worte. „Ich muss aufpassen, mich nicht in Rage zu reden. Was momentan passiert, ist eine Katastrophe für den Fußball. Der Fan muss alles ausbaden“, sagte der HSV-Coach.

Als die Übertragung noch ohne Probleme lief, sahen alle Zuschauer, die bereits zu den Vorberichten einschalteten, wie TV-Experte Matthias Sammer zu Beginn der Sendung Gisdol aufgrund seiner Ruhe in einem turbulenten Umfeld als "Glücksfall" für den HSV bezeichnete.

Bruchhagen hatte letztes Wort bei Stafylidis

Unmittelbar danach erklärte Club-Boss Heribert Bruchhagen, wie die Verhandlungen um Wunschspieler Konstantinos Stafylidis abliefen. So hätte ihn Sportchef Jens Todt zunächst über die Ablöseforderung des FC Augsburg in Höhe von knapp zehn Millionen Euro unterrichtet. "Daraufhin habe ich entschieden, wir machen es nicht", so Bruchhagen. "Das hat der Trainer auch akzeptiert." Durch den geplatzten Wechsel von Stafylidis scheiterte auch der Transfer von Santos nach Eindhoven.

Die Statistik

HSV: Mathenia - Diekmeier, Papadopoulos, Gideon Jung, van Drongelen (71. Sakai) - Ekdal (74. Schipplock), Walace - Hahn, Holtby, Kostic (37. Waldschmidt) - Wood. - Trainer: Gisdol

Leipzig: Gulacsi - Bernardo (59. Klostermann), Orban, Upamecano, Halstenberg - Keita, Demme - Sabitzer, Bruma (69. Kampl) - Augustin (78. Poulsen), Timo Werner. - Trainer: Hasenhüttl

Schiedsrichter: Deniz Aytekin (Oberasbach)

Tore: 0:1 Keita (67.), 0:2 Timo Werner (75.)

Zuschauer: 50.231

Gelbe Karten: Walace - Keita (2)

Torschüsse: 8:19

Ecken: 4:14

Ballbesitz: 37:63 %